1925 vollendet Dmitrij Schostakowitsch seine Erste Symphonie. 19 Jahre ist er alt und sieht aus wie ein Schuljunge. Schon in diesem Frühwerk steckt jede Menge Schostakowitsch, viel von dem, was seine Musik bald so unverwechselbar macht. Fast 50 Jahre später schließt Schostakowitsch den Kreis seiner Symphonien mit der fünfzehnten. Ein abgründiges Selbstporträt am Ende eines von künstlerischen Triumphen und politischer Verfolgung geprägten Lebens, rätselhaft mit seinen Rossini-, Wagner- und Selbstzitaten, todtraurig auf jeden Fall. Von der Aufbruchsstimmung der Ersten ist nichts geblieben.
Bildquelle: Deutsche Grammophon
Der CD-Tipp zum Anhören
Seit 2016 arbeitet Andris Nelsons mit dem fantastischen Boston Symphony Orchestra an seiner Einspielung der Schostakowitsch- Symphonien. Und packt diese beiden Symphonien jetzt in ein Album, ergänzt durch die nicht weniger düstere Vierzehnte, eine Vokal-Symphonie, die mit einem Rilke-Zitat endet: "Der Tod ist groß, wir sind die seinen lachenden Munds". Nein, die beiden CDs dieser Veröffentlichung sind wirklich kein Muntermacher, und auch die Kammersymphonie in c-Moll, eine Bearbeitung von Schostakowitschs Achtem Streichquartett, hilft da nicht wirklich.
Dieses Album wird jeder lieben, für den …
… Dmitri Schostakowitsch einer der ganz großen Komponisten des 20. Jahrhunderts ist.
Dieses Album lädt ein zum intensiven Nachdenken über …
… den Sinn des Lebens, den Zustand der Welt – und übers Älterwerden.
Dieses Album hört man am besten …
… bei einem guten Rotwein. Hilft sicher dabei, mit dieser Paarung aus Weltschmerz und Sarkasmus klarzukommen.
Wer lachen möchte, sollte nicht unbedingt Schostakowitsch hören, die unglaublich intensiven und packenden Aufnahmen von Andris Nelsons schon gar nicht. Die Fünfzehnte macht er vollends zum rabenschwarzen Abgesang auf das Leben und die Welt. Und schon der eigentlich so anders gelagerten Ersten verleiht er über weite Strecken eine melancholische Färbung. Weniger der jugendliche Draufgänger interessiert ihn als die dunklen Zwischentöne, die auf das sarkastisch Abgründige beim späteren Schostakowitsch vorausdeuten. Für die Vierzehnte hat Nelsons sich mit Kristine Opolais und Alexander Tsymbaluk zwei überragende Solisten besorgt. Intensiver, fiebriger und nachtschwärzer lassen sich die zwischen Auflehnung und Resignation schwankenden, stets um den Tod kreisenden Texte von Rilke, Garcia Lorca und anderen kaum singen. Ein ebenso großartiges wie beklemmendes Album.
Dmitrij Schostakowitsch:
Symphonie Nr. 1 f-Moll, op. 10
Symphonie Nr. 14, op. 134
Symphonie Nr. 15 A-Dur, op. 141
Kristine Opolais (Sopran)
Alexander Tsymbaluk (Bass)
Boston Symphony Orchestra
Leitung: Andris Nelsons
Label: Deutsche Grammophon
Sendung: "Piazza" am 17. Juli 2021 um 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK