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CD - Alfabeto Falso Barocke Gitarrenmusik mit I Bassifondi

I Bassifondi heißt übersetzt "Gosse". Gekonnt spielt das italienische Trio seine Renaissance- und Barockmusik auf dem schmalen Grat zwischen historischer Aufführungspraxis und Anlehnung an die subkulturellen Klischees der Popwelt.

CD-Cover: I Bassifondi - Alfabeto Falso  | Bildquelle: Arcana

Bildquelle: Arcana

Die Kostprobe vom 6. August 2017

Barocke Gitarrenmusik mit I Bassifondi

In den Songbooks der Pop- und Rockmusik stehen über der Melodiezeile Buchstaben, manchmal mit Ziffern und Zusatzzeichen versehen – sie zeigen die Akkorde für den Gitarristen an. Eine Schande, mag mancher denken, dass Musiker nicht mehr des Notenlesens fähig sind. Ein weiteres Symptom für den kulturellen Niedergang des Abendlandes? Keineswegs, denn die Buchstaben-Akkordschrift für Gitarristen ist bereits 1606 von Girolamo Montesardo entworfen worden. Die Zeitgenossen nannten die Erfindung kurz Alfabeto.

Musikalische Würze

Nun langweilte es schon damals etliche Gitarristen, Melodien nur mit einfachen Akkorden zu begleiten. Da muss ein bisschen Würze rein, dachten sie – und färbten die Grundakkorde mit "falschen", also harmoniefremden Tönen. Die modifizierten Akkordbuchstaben nannten sie Alfabeto falso. Der italienische Barockgitarrist Simone Vallerotonda hat mit seinem Trio I Bassifondi Stücke eingespielt, die geradezu im Alfabeto falso schwelgen, darunter Kompositionen von Giovanni Paolo Foscarini, Giovanni Girolamo Kapsberger, Santiago de Murcia und anderen.

Dabei wandeln I Bassifondi hörbar auf den Spuren des Ensembles L'Arpeggiata und anderen Pionieren auf dem Gebiet des Originalklang-Crossover, indem sie gleichermaßen mit Lässigkeit und Verve Anklänge an die heutige Popmusik wie etwa markante Grooves oder ostinate Riffs hervorheben.

Hippie-Musik

Doch I Bassifondi gehen einen Schritt weiter: Sie stellen sich in ihrem ganzen Auftreten wie eine Band dar – sogar das in der Popwelt obligatorische Musikvideo zur Neuerscheinung gibt es auf youtube zu besichtigen. Mit einer augenzwinkernden Story im Gangster-Milieu spielen I Bassifondi – was übersetzt so viel wie Gosse oder Unterwelt heißt – hier mit den subkulturellen Klischees des Pop, um zu zeigen, wie "hip" auch schon die Musik um 1600 gewesen ist. Vielleicht ist es ja gar kein Zufall –denkt man sich beim Zuhören –, dass parallel zur Popmusik seit den 1960er Jahren auch im Klassikbereich eine junge Bewegung mit Renaissance- und Barockmusik die verstaubten Ohren durchgepustet hat – beide sprechen womöglich in ähnlicher Weise aktuelle Hörbedürfnisse an.

Bei allen Anleihen an Pop- und Rock-Ästhetik: Simone Vallerotonda geht dennoch historisch reflektiert vor, nennt im Booklet jede einzelne Quelle, rechtfertigt die gewählten Instrumente durch Studium historischer Bildwerke – kurz: die Musiker von I Bassifondi nehmen sich selbstbewusst die Freiheit der Improvisation, leben sie aber auf dem Fundament eines wachen und sich stets hinterfragenden historischen Bewusstseins aus.

Alfabeto Falso

- Werke von Foscarini, Kapsberger, Murcia und anderen
- I Bassifondi, Leitung: Simone Vallerotonda
- Label: Arcana, A 435

Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 6. August 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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