BR-KLASSIK

Farbenfroh und ungekünstelt: Das Ensemble Alraune mit der ersten Gesamteinspielung des Primo Libro der Sonate Concertate von Dario Castello.

Bildquelle: NovAntiqua

Der CD-Tipp zum Nachhören

Die Alraune: eine mythische Heil- und Ritualpflanze, der bereits seit der Antike Zauberkräfte zugesprochen werden. Zaubern können auch die Musiker des Ensemble Alraune. Eine Spezialität der mittelitalienischen Orginalklanggruppe sind multidisziplinäre Projekte, z.B. mit Lichtdesign und Tänzern. Bei dieser ersten kompletten Einspielung des ersten Sonatenbuchs von Dario Castello aus dem Jahr 1621 aber zaubern und verzaubern sie ganz ohne Beiwerk. Jede der zwölf einsätzigen Sonaten erhält seine eigene Besetzung. Da spielt mal ein reines Streichertrio, da wetteifert eine Geige mit der Flöte oder es steuern Fagott und Posaune ihre ganz eigenen Klangfarben bei.

Charmant und unverstellt

Dass bei diesen farbfreudigen Arrangements die Vorgaben von Castello nicht immer ganz genau eingehalten werden, tut der Freude keinen Abbruch. Im Gegenteil, die Musiker wirken dermaßen in dieser Musik beheimatet, dass sich beim bloßen Zuhören die Frage nach Authentizität noch nicht einmal stellt. Auch die vielen kontrastierenden Brüche, typisch für Castellos Sonaten und generell den "stile moderno" des frühen 17. Jahrhunderts, erscheinen beim Ensemble Alraune ganz selbstverständlich, schlüssig und natürlich. Nicht immer ist alles perfekt und glattpoliert, was darauf hinweisen könnte, dass man die Instrumente nicht mit heutigen Tricks zugunsten einer besseren Spielbarkeit getunt hat. Wenn sich hier und da mal ein Kiekser einschleicht, die Intonation nicht ganz lupenrein ist oder ein Einsatz etwas wackelt, dann wirkt das erstaunlich sympathisch und hat sogar Potential, den künstlerischen Genuss zu steigern - allerdings auch nur, wenn die Musizierhaltung so entwaffnend charmant und unverstellt ist, wie hier beim Ensemble Alraune.

Zeitgenössische Rezepte im Booklet

Von Dario Castello weiß man heute nicht mehr viel. Aber warum seine Sonaten so beliebt waren, dass sie ungewöhnlich oft nachgedruckt wurden und weite Verbreitung fanden, dies führen uns die Musikerinnen und Musiker des Ensemble Alraune auf bestechende Art vor Augen: Die Musik ist einfallsreich und kurzweilig, ohne dabei an der Oberfläche zu bleiben, und sie lässt dem musikalischen Eigenimpuls der ausführenden Musiker genug Raum, sich auszuleben. Im Booklet sind zusätzlich einige zeitgenössische Rezepte aus dem Kochbuch der Familie Sonabini abgedruckt, zu jedem der zwölf Stücke eins, korrespondierend mit den zwölf Monaten des Jahres. Das ist so originell wie interessant, wäre aber nicht nötig gewesen, um diese Musik schmackhaft zu machen.