BR-KLASSIK

Inhalt

CD - Emmanuel Tjeknavorian "Solo"

Die erste CD ist eine Visitenkarte. Reich wird man damit in aller Regel nicht. Selbst bei Major Labels zahlen die Künstler nicht selten kräftig drauf. Die erste CD ist eine Investition, ein Statement, das im günstigsten Fall etwas darüber erzählt, wofür der Künstler steht. Was kannst Du? Was ist Dir wichtig?

CD-Cover: Emmanuel Tjeknavorian - "Solo" | Bildquelle: Sony Classical

Bildquelle: Sony Classical

Der CD-Tipp zum Anhören

Der junge armenisch-österreichische Geiger Emmanuel Tjeknavorian gibt auf diese Fragen eine ziemlich originelle Antwort, zugleich risikofreudig und durchdacht. "Solo" heißt sein Debüt-Album - und das ist schon die erste Überraschung. Denn das Repertoire für Violine solo ist, mit Ausnahme der Partiten und Sonaten von Bach, keineswegs besonders populär. "Sei solo" schrieb Bach auf seine Sammlung. Das ist Italienisch und kann mit "Sechs Solostücke" übersetzt werden, aber auch - und das war wohl ein beabsichtigtes Wortspiel - mit: "Du bist allein".

Fest verwurzelt in der Wiener Tradition

Ohne Bassfundament, ohne Netz und doppelten Boden muss der Geiger den musikalischen Raum füllen - ganz allein und mit den begrenzten Möglichkeiten eines Melodieinstruments. Mit der berühmten Chaconne aus seiner d-Moll-Partita hat Bach die tiefsinnigste Musik für Geige solo geschrieben. Und paradoxerweise schreibt er ausgerechnet für den einsamen Geiger vielstimmige Musik. Ein Selbstgespräch als meditativer Dialog. Emmanuel Tjeknavorian nähert sich diesem Gipfelpunkt der Literatur mit erstaunlicher Reife. Sein Spiel ist ausdrucksvoll und fest verwurzelt in der Tradition seiner Heimatstadt Wien, wo er Unterricht bei Gerhard Schulz hatte, dem langjährigen Geiger des legendären Alban Berg Quartetts. Doch Tjeknavorian hat auch ein offenes Ohr für die modernere, an den Möglichkeiten der Originalinstrumente ausgerichteten Bach-Interpretation. So spielt er ohne emotionalen Überdruck und fern von unangemessenem Romantisieren, doch mit warmem, gesanglichem und substanzreichem Ton.

Unwirkliche Atmosphäre

Aufregender noch ist Tjeknavorian die fünfte Solosonate von Eugène Ysaÿe gelungen. Im ersten Satz, "Das Morgenrot" überschrieben, entlockt er seinem Instrument betörenden Farbenzauber. Gehauchte und flirrende Töne schaffen eine unwirkliche Atmosphäre. Unvermittelt und umso wirkungsvoller stellen Ysaÿe und sein leidenschaftlicher Interpret Tjeknavorian den Hörer dann im Zweiten Satz, einer "Danse rustique", auf den Boden der Tatsachen.

Erkundungsreise durchs europäische Violin-Repertoire

Dass Tjeknavorian über herausragende Technik und blitzsaubere Intonation verfügt, belegen auch die übrigen Stationen der musikalischen Reise quer durch Europa, auf die seine reizvolle Debüt-CD einlädt. Sergej Prokofjews Solosonate ist voller mitreißendem rhythmischem Drive. Und George Enescus charmantes Stück "Der Fiedler" beschwört die Volksmusik des Balkans. Die Erkundungsreise durchs europäische Repertoire für Violine Solo endet in Tjeknavorians Heimat Österreich. Der Komponist Christoph Ehrenfellner hat speziell für ihn eine unterhaltsam-virtuose, nicht allzu tiefsinnige "Alpen-Suite" geschrieben, inklusive Jodler und Zwiefacher. Und dass Tjeknavorian wirklich überragende technische Möglichkeiten hat, beweist "The Last Rose of Summer", ein virtuoses Kabinettstück von Heinrich Wilhelm Ernst.

Perfekt abgestimmt

Ziemlich bunt, dieses Programm. Und doch perfekt aufeinander abgestimmt, bis hin zur Abfolge der Tonarten, die jedes Werk trotz aller Kontraste organisch in einen großen Bogen einbindet. Ein toller junger Geiger, ein cleveres Programm, eine gelungene Visitenkarte.

Emmanuel Tjeknavorian - "Solo"

Johann Sebastian Bach:
Ciaccona d-Moll aus der Partita BWV 1004
Eugène Ysaÿe:
Sonate für Violine solo op. 27 Nr. 5
Sergej Prokofjew:
Sonate für Violine solo op. 115
George Enescu:
Ménétrier aus "Impressions d'enfance" op. 28
Christoph Ehrenfellner:
"Suite des alpes"
Heinrich Wilhelm Ernst:
Mehrstimmige Etüde Nr. 6 "Introduktion, Thema und Variationen über das irische Volkslied 'Die letzte Rose'"

Emmanuel Tjeknavorian (Violine)

Label: Sony Classical

Sendung: "Leporello" am 26. Januar 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

BR-KLASSIK empfiehlt

    AV-Player