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CD - Charles Ives Symphonien Nr. 3 und 4

Der französische Dirigent Ludovic Morlot, Jahrgang 1973, studierte in London – und ist längst in Amerika heimisch geworden. Seit 2011 ist er Chefdirigent beim traditionsreichen Symphonieorchester von Seattle, das sich einfach "Seattle Symphony" nennt. Jetzt hat sich Morlot frühe amerikanische Moderne vorgenommen und Symphonik des Pioniers Charles Ives eingespielt.

Bildquelle: Seattle Symphony Media

CD-Tipp 23.06.2016

Charles Ives: Orchesterwerke

Fröhliche Stimmung verbreitet der amerikanische Klangpionier Charles Ives im zweiten Satz seiner Dritten Symphonie – da wird nämlich in einer Kirchengemeinde der "Kindertag" gefeiert. Ives kannte solche religiösen Treffen aus seiner Kindheit, baute Kirchenlieder in seine dritte Symphonie ein und nannte sie "The Camp Meeting". Ludovic Morlot und sein Seattle Symphony treffen den sakralen Ton dieser keineswegs nur idyllischen Komposition ebenso wie die surreale Atmosphäre im New Yorker Central Park bei Nacht. Die hat Ives in seiner Sound-Collage "Central Park in the Dark" kongenial eingefangen.

Beeindruckend von Anfang an

Hauptwerk der aktuellen Ives-CD und überhaupt die Summe seines Schaffens ist allerdings die progressive Vierte Symphonie. Beeindruckend ist schon der Beginn, besonders in dieser Einspielung: Zum markanten Orchestereinsatz kommen noch die kraftvollen Klavierakkorde der Pianistin Cristina Valdés. Wenig später steuert der Seattle Symphony Chorale im Vorspiel hymnische Vokalisen bei, die allerdings bald in ein harmonisches Niemandsland abdriften.

Ungeheuer komplex

Im zweiten Satz, einer schrägen "Comedy", treibt Ives seine Collage-Technik auf die Spitze. Ohne Rücksicht auf harmonische und rhythmische Verluste schichtet er Fetzen von Unterhaltungsmusik und Märsche von Blaskapellen kunstvoll übereinander. Das Ergebnis ist nur bedingt komisch, vielmehr verwirrend komplex. Ludovic Morlot steuert das organisierte Chaos mit großer Umsicht, Präzision und Klarheit. Drei Ko-Dirigenten unterstützen ihn dabei, die sechs Orchestergruppen zu koordinieren.

Wie ein Raumschiff im All

Nach einer bewusst naiven Fuge laufen im Finale wieder düstere Großstadtklänge simultan ab, was die berühmten "Unschärferelationen" bei Ives zur Folge hat: Rhythmen überlagern sich, Tonhöhen verschwimmen. Das Seattle Symphony spielt auf hohem Niveau und beschert uns unter Ludovic Morlot ein spektakuläres Hörerlebnis. Es ist magisch, wenn der Chor am Ende in einem kosmischen Hallraum verschwindet – wie ein Raumschiff im All, das vielleicht nie zurückkehrt …

Charles Ives: Orchesterwerke

Symphonie Nr. 3 "The Camp Meeting"
Symphonie Nr. 4
"The Unanswered Question"
"Central Park in the Dark"

Cristina Valdés, Klavier
Joseph Adam, Orgel
David Gordon, Trompete
Seattle Symphony Chorale
Seattle Symphony
Leitung: Ludovic Morlot

Label: Seattle Symphony Media

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