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Maurice Ravel Rapsodie espagnole

Es gehörte zu den ganz besonderen Talenten von Maurice Ravel, Musik zu schreiben, die auf den ersten Eindruck leicht und folkloristisch klingt und beim näheren Hinhören, viel mehr entdecken lässt: Tiefschürfendes, Nachdenkliches, oft auch Abgründe. Stéphane Denève hat die "Rapsodie espagnole" mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart eingespielt - und sich mit Julika Jahnke darüber unterhalten.

Der Komponist Maurice Ravel | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Maurice Ravel

"Rapsodie espagnole"

"Es ist sicherlich ein leichtes Stück, aber es gibt etwas Mysteriöses (...). Und diese Ambiguität, dieses Mystère ist sehr wichtig für mich. Das ist nicht nur Dekoration, es fragt auch nach Sensualität, es gibt etwas besonderes zu finden, das ist nicht nur leicht." (Stéphane Denève, Dirigent)

Die "Rapsodie espagnole" ist das erste große Orchesterwerk von Maurice Ravel. Wie schon das kurz zuvor vollendete, etwas kürzere Stück "Une Barque sur l’océan" entstand auch diese Suite zunächst für Klavier. Und auch was das Echo bei Publikum und Presse betrifft, machte Ravel hier noch einmal eine ähnliche Erfahrung: Die Orchesterfassung der "Rapsodie espagnole" wurde eher reserviert aufgenommen – bei der Uraufführung im März 1908.

Mehr tiefgründig als glutvoll

Stéphane Denève  | Bildquelle: Drew Farrell Stéphane Denève hat die "Rhapsodie Espagnole" mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart eingespielt. | Bildquelle: Drew Farrell Vielleicht sah sich das Publikum auch hier durch den Titel getäuscht: Eine spanische Rhapsodie, das klingt nach sinnlich-glutvoller Klanglandschaft. Doch schon die Eröffnung der Suite ist ein filigranes Klanggerüst mit tiefgründigen Untertönen. Fast gespenstisch wirkt die andalusische Tonfolge, die permanent wiederkehrt: Das "Prélude à la nuit"  – "Präludium der Nacht". "Das Prélude fängt für mich mit einem Gefühl an, das ist für mich sehr sensual und sehr nächtlich und man muss eine Möglichkeit finden, ein Ewigkeitsgefühl zu geben. Diese 'Andalous scale' muss man mit Gefühl machen. Es wird immer wiederholt und egal welche anderen Lichter, Farben erscheinen, es bleibt immer eine sensuale Frage." (Stéphane Denève)

Auf dieses Prélude folgen in der "Rapsodie espagnole" noch drei weitere Sätze, ebenfalls mit spanischen Tanzrhythmen. Ravels Mutter stammte aus Spanien. Doch für Stéphane Denève ist auch der Einfluss des Vaters hier zu spüren. Schon Igor Strawinsky nannte Ravel einen "Schweizer Uhrmacher". "Ravel hat einen Vater, der in der Schweiz geboren ist und vielleicht kommt daher ein Uhrmachergefühl bei ihm. Diese Präzision und dieser sehr kleine Mechanismus, den er sehr liebte und den er auch in seiner Musik macht, seiner Orchestration. Und seine Mutter war aus Südwestfrankreich. Seine Eltern haben sich in Spanien getroffen. Und dann kommt dieses Spaniengefühl für Ravel, diese Verbindung mit Sonnenlicht. Und in der 'Rapsodie' kann man wirklich beide Welten hören.

Einflüsse des Wiener Walzers

Im kurzen zweiten Satz, der lebendigen "Malagueña" lässt Ravel einen Fandango anklingen. Doch gegen Ende begegnet uns auch hier wieder das nachdenkliche andalusische Motiv aus dem Prélude. Für deutsche Musiker kann es eine wahre Herausforderung sein, sich in solche Sphären einzufühlen: spanische Rhythmen und Melodien, eingebettet in eine zutiefst französische Klangsprache. Stéphane Denève forderte dafür vom Radio-Sinfonieorchester Stuttgart einen ganz transparenten Klang – für ihn der Inbegriff französischer Musik. Und das Orchester konnte ihn liefern – vielleicht, weil man im südwestlichen Stuttgart der französischen Grenze doch schon recht nahe ist. Und schließlich ist der Franzose Denève ja nun auch schon seit dem Jahr 2011 hier Chefdirigent. "Es ist für ein deutsches Orchester sehr schwer, den Puls zu vergessen. Die Musiker mögen sehr, dass es einen gemeinsamen Puls gibt und sie zusammen spielen. Aber in der französischen Musik ist es individualistischer, man muss den Rhythmen mehr malen - und das ist eine andere Fassung, um eine Musik zu phrasieren."

Impressionistische Klangmalerei, die fordert auch die "Habanera", der dritte Satz der "Rapsodie espagnole", ganz diffus schwebt er vor sich hin. Dass Maurice Ravel hier so viel spanisches Kolorit verarbeitet, war damals an sich nichts neues. Schon vor seiner Zeit hatte es einen ausgeprägten "Hispanismus" in Frankreich gegeben. Doch Ravel empfand eine ganz besondere Leidenschaft für die einfache spanische Musik.

Als ich noch ein Baby war, sang meine Mutter mich immer mit baskischen oder spanischen Liedern in den Schlaf.
Maurice Ravel

Ein quirliges Fest voller Leidenschaft ist schließlich die "Feria", der lebendige Abschluss der Rhapsodie, und zugleich ihr längster Satz. Doch wer genau hinhört, merkt auch hier, wie präzise das Zusammenspiel der unterschiedlichen Kräfte im Orchester austariert ist. Es ist das Werk eines "musikalischen Uhrmachers", der die Wirkung, die er erzielen will, genauestens kalkuliert. "Es hat diese Sensualität, diese Harmonien aus Spanien, aber mit einer Orchestration und einem Rhythmus, der so präzise ist. (...) Das ist viel Arbeit, besonders die 'Feria', weil man wirklich so viel Schwung und ein Freigefühl haben muss. Aber um das zu haben, muss man dieses Stück unglaublich virtuos und präzise spielen. "Stéphane Denève, Dirigen

Musik-Info

Maurice Ravel – Orchesterwerke, Vol. 1
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart, Stéphane Denève (Leitung)
SWRmusic/ Hänssler Classic

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