BR-KLASSIK

Inhalt

CD - "The Passion of Charlie Parker" Hommage an die Jazz-Legende

Von Beginn an ist dieser Tribut anders als erwartet. Das beginnt schon bei den Tempi. Im Bebop sind sie oft aberwitzig schnell - hier aber werden Charlie Parkers Originalkompositionen so entschleunigt, dass Geschichten erzählt werden können. Eine ganze Riege hochkarätiger, amerikanischer Sängerinnen und Sänger beleuchtet in ihnen einzelne Stationen und Stadien seines von schrecklicher Heroin- und Alkoholsucht überschatteten Lebens aus verschiedenen Perspektiven.

CD-Cover: "The Passion of Charlie Parker"  | Bildquelle: Impulse!

Bildquelle: Impulse!

Der CD-Tipp zum Anhören

Madeleine Peyroux und Melody Gardot etwa schlüpfen in die Rolle von Parkers Frau Chan und singen voller Liebe von seinen guten Seiten - von Charme und Witz, Leidenschaft und einer einzigartigen Musikalität, die dem Saxophonisten in den späten 1940er Jahren den Titel "King of 52nd Street" eintrug, weil er der beste und interessanteste Spieler in den Clubs der New Yorker Jazzmeile war. Singer-Songwriter David Baerwald hat die neuen Texte über die Melodien von Parkers Stücken "Ornithology" und "Scrapple from the Apple" verfasst. Kurt Elling lässt er in Parkers Komposition "Moose the Mooche" den gleichnamigen Dealer geben, in falsch freundlichem Tonfall gemein vergnügt scattend. Barbara Hannigan, die klassische Sängerin und Dirigentin, liefert eine abstrakte Mehrspur-A capella-Version des Stücks "Visa", die Französin Camille Bertault greift in ihrer "Au Privave" Fassung die schönen Zeiten auf, die Charlie Parker bei einem Gastspiel in Paris hatte.

Alptraumhafte Erfahrungen

Das sind die hellen Seiten, aber die Texte tauchen auch in Gefühlswelt des Junkies Charlie Parker ein, der 50 Dollar braucht für Heroin oder seiner Heimatstadt Kansas City im Zorn den Rücken kehrt. In einem fiktionalen Bewusstseinsstrom à la James Joyce formuliert der Schauspieler Jeffrey Wright zur Musik von Parkers "K.C.Blues" und "Segment" innerste Gedanken, die das zerrissene Genie gehabt haben könnte. Eingebettet sind sie in Klangwelten, aus denen alptraumhafte Erfahrungen sprechen. Sie bilden einen reizvollen Kontrast du den vorwiegend optimistischen Tönen auf der CD "The Passion of Charlie Parker".

Jenseits des Mainstreams

Die unterschiedlichen Stimmungsbilder gestaltet der New Yorker Tenorsaxophonist Donny McCaslin, der seit seiner Zusammenarbeit mit David Bowie auf dessen letztem Album "Dark Star" über die Jazzwelt hinaus bekannt geworden ist, als vertiefenden Kommentar der Texte und als eigenständige musikalische Erzählung. In einer gelungenen Mischung von musikalischer Aneignung bestimmter Wendungen und Fließgeschwindigkeiten aus Charlie Parkers Spielcharakteristik und seinem konkret eigenen Ton findet er zusammen mit Gitarrist Ben Monder , Keyboarder Craig Taborn und Schlagzeuger Eric Harland, sowie den Bassisten Scott Colley und Larry Grenadier im Wechsel eine ganz eigene, jenseits des Mainstreams zugängliche Annäherung an das Werk und den Charakter der Jazzikone.

Parker - zurück in der Gegenwart

Man kann Larry Klein, dem seit seiner Zeit an der Seite von Joni Mitchell in den 1980er und 90er Jahren ungemein erfolgreichen amerikanischen Produzenten, nur danken für dieses Projekt, mit dem er Charlie Parker, der 1955 im Alter von nur 34 Jahren gestorben ist, zurück in die Gegenwart bringt. Egal, ob man sich mit dem Bebop-Saxophonisten und seiner Lebensgeschichte schon eingehend beschäftigt hat, oder das erste Mal von ihm hört: dieses Album bringt einem den "King of 52nd Street", der Jazzgeschichte geschrieben hat, ganz nahe. Und das ist schön, auch wenn es manchmal etwas schmerzt.

"The Passion of Charlie Parker"

Madeleine Peyroux, Barbara Hannigan, Gregory Porter, Jeffrey Wright, Luciana Souza, Kurt Elling, Kandace Springs, Melody Gardot, Camille Bertault (Gesang)
Donny McCaslin (Tenorsaxophon)
Craig Taborn (Piano, E-Piano, Hammond-Orgel)
Ben Monder (Gitarre)
Scott Colley, Larry Grenadier (Bass)
Mark Giuliana, Eric Harland (Schlagzeug)

Label: Impulse!

Sendungsthema aus "Leporello" am 15. September 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

BR-KLASSIK empfiehlt

    AV-Player