BR-KLASSIK

Inhalt

Album der Woche – Dorothee Oberlinger: "Pastorale" Ein Weihnachtsalbum der besonderen Art

Noch eine CD mit weihnachtlicher Barockmusik: Muss das sein? Ja, unbedingt – wenn eine so kluge Musikerin wie die Blockflötistin Dorothee Oberlinger die vielgespielten Concerti mit ihrem "Ensemble 1700" neu für uns entdeckt und Unbekanntes dazupackt. Ihr Album "Pastorale" rückt die italienische Tradition der Hirtenmusik ins Zentrum. Im Originalklang der historischen Instrumente kommt der Zauber der Weihnachtsnacht unverkitscht zum Vorschein.

CD-Cover: Dorothee Oberlinger – "Pastorale" | Bildquelle: deutsche harmonia mundi

Bildquelle: deutsche harmonia mundi

Der CD-Tipp zum Anhören

Was wäre Weihnachten ohne das Concerto pastorale des Münchners Johann Christoph Pez? Die Blockflötistin Dorothee Oberlinger hat die Chaconne daraus ans Ende ihres Albums "Pastorale" gesetzt – und mit ihrem Ensemble 1700 derart anspringend musiziert, dass ihre Einspielung wie eine Frischzellenkur wirkt. Das gilt besonders für das berühmte Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli: Die abschließende Pastorale bekommt durch den Einsatz traditioneller Hirteninstrumente wie Drehleier, Dudelsack, Fiedel und Schalmei, einer Vorform der Oboe, eine rustikale Note. Das ist Folk Music vom Feinsten – wer hätte das gedacht bei Corelli! Oberlinger hat sich dabei von einem alten Brauch der italienischen Pifferari inspirieren lassen, der Pfeifenbläser aus der Campagna: Zur Adventszeit zogen die Schäfer von den Bergen nach Rom oder Neapel und musizierten vor Marienaltären.

Unbändige Spielfreude und Virtuosität

Nicht nur im Ensemble, auch als Solistin begeistert Dorothee Oberlinger mit unbändiger Spielfreude und Virtuosität, etwa im adaptierten Oboenkonzert von Benedetto Marcello oder in einem für Blockflöte arrangierten Orgelkonzert von Georg Friedrich Händel. Den Basso continuo hat sie mit Laute, Gitarre, Harfe, Cembalo oder Orgelpositiv besetzt – dadurch wird das Bass-Fundament extrem farbig und abwechslungsreich.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer …
… die barocken Dauerbrenner mal in erfrischend anderen Klangfarben erleben möchte.

Dieses Album lohnt sich, weil …
… Dorothee Oberlinger bei einigen Werken zusätzlich traditionelle Hirteninstrumente wie Dudelsack, Drehleier oder Schalmei eingesetzt hat.

Dieses Album hört man am besten, wenn …
… man von der kommerziellen Dauerbeschallung genug hat, denn die Einspielung führt zum Kern der Weihnachtsbotschaft.

Dieses Album ist ideal …
… als Begleitmusik zum Christbaumschmücken – oder als Aufputschmittel gegen die Feiertagsmüdigkeit.

Ein "Winter" – nicht von Vivaldi

Neben den bekannten Namen überrascht Oberlinger auf ihrem Album "Pastorale" mit Raritäten aus der Barockzeit. Antonio Vivaldis "Vier Jahreszeiten" waren schon damals so erfolgreich, dass Giovanni Antonio Guido dem großen Vorbild mit vier ähnlichen Tonbildern nacheiferte. Im "Winter" macht Oberlingers Truppe die klirrende Kälte und die tosenden Nordwinde geradezu körperlich spürbar. Die höfische Gesellschaft vergnügt sich lieber drinnen.

Die silberhelle Sopranistin Dorothee Mields

Ein Highlight des Albums ist der Auftritt der silberhellen Sopranistin Dorothee Mields in der Weihnachtskantate von Alessandro Scarlatti. Darin wird vor allem die Armut der Heiligen Familie in der eisigen Nacht besungen – und das Glück der Hirten, als erste Zeugen das Wunder von Bethlehem in die Welt zu tragen.

Historisch fundierte Spielpraxis und knackige Artikulation

Neben der historisch fundierten Spielpraxis, der knackigen Artikulation und der Klangfantasie von Dorothee Oberlinger und ihrem Ensemble 1700 ist es vor allem die ansteckende Musizierfreude der Truppe, die das Album "Pastorale" so herzerfrischend macht. Wenn dann noch die Pifferari mit ihrem Pfeifen, Zwitschern und Blöken dazukommen, wird aus einem Vivaldi-Concerto plötzlich Volksmusik. Das beste Weihnachtsalbum seit Langem!

Infos zur CD

Dorothee Mields – "Pastorale"

Arcangelo Corelli: Concerto g-Moll Op. 6 Nr. 6 "Fatto per la Notte di Natale"
Alessandro Marcello: Oboenkonzert d-Moll, bearbeitet für Blockflöte
Giovanni Antonio Guido: "L’Hiver" aus "Scherzi armonici sopra le Quattro stagioni dell’anno" op. 3
Georg Friedrich Händel: Orgelkonzert F-Dur op. 4 Nr. 5 HWV 293, nach der Sonate für Blockflöte und Basso continuo F-Dur op. 1 Nr. 11 HWV 369 bearbeitet für Blockflöte
Alessandro Scarlatti: "O di Betlemme, altera povertà venturosa. Cantata pastorale per la natività di nostro Signore Gesù Cristo" für Sopran, Streicher und Basso continuo
Alfonso Maria de Liguori: "Tu scendi dalle stelle", neapolitanisches Weihnachtslied
Antonio Vivaldi: Konzert für Sopranino-Blockflöte C-Dur RV 443
Johann Christoph Pez: Passacaglia (Chaconne) aus: Concerto pastorale F-Dur

Dorothee Mields (Sopran)
Li Piffari e le Muse
Ensemble 1700
Dorothee Oberlinger (Blockflöte und Leitung)

Label: deutsche harmonia mundi

Sendung: "Piazza" am 10. Dezember 2022 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

BR-KLASSIK empfiehlt

    AV-Player