BR-KLASSIK

Inhalt

Jazzalbum des Monats – Michel Benita: Looking at Sounds Zarte Wolken voller Elektrizität

Zwei Franzosen, ein Schweizer und ein Belgier: Alle vier sind herausragende Instrumentalisten des Jazz. Unter der Leitung des Bassisten Michel Benita spielen sie einen fließenden Jazz, der mit feinen Tönen unter die Haut kriecht und dort zu kribbeln anfängt. Faszinierende Musik mit Keyboard, Schlagzeug, einem ganz besonderen Blasinstrument und einem Kontrabass – sowie elektronischen Zutaten. Eine Jazz-CD, in der es viel zu entdecken gibt, findet BR-KLASSIK-Redakteur Roland Spiegel.

CD-Cover "Looking at Sounds" | Bildquelle: ECM

Bildquelle: ECM

Töne, die einen hineinziehen und doch etwas reizvoll Ungreifbares haben. Herrliche Kantilenen eines Blasinstruments und ein ganz feiner rhythmischer Untergrund. Eine Band, die sich auf Nuancen versteht – und sie für soghaft-schöne Musik einsetzt.

Bass, Schlagzeug, Elektronik und Flügelhon

Ein einziger Ton schwebt da einfach mal gut zehn Sekunden zart dahin. Und man hält den Atem an, weil das so fein, so vollendet gespielt ist. Es ist eine Aufnahme des französischen Bassisten Michel Benita und seiner drei Kollegen. Michel Mathieu spielt Flügelhorn, also diesen weicher klingenden Verwandten der Trompete. Dann ist Philippe Garcia am Schlagzeug zu hören. Und schließlich Jozef Dumoulin an der Elektronik und am Fender Rhodes Piano, das ist der Dinosaurier unter den E-Pianos mit dem weichen und zugleich gläsern klaren Klang.

Musik als faszinierende Begegnung von starken Individuen. Zwei Franzosen, das sind der Bandleader und der Schlagzeuger; ein Schweizer, das ist der Flügelhorn-Spieler, und ein Belgier, das ist der Keyboarder. Aber sie treten hier nicht in Konkurrenz. Der Bandleader möchte, dass sie zu einem möglichst "globalen Klang verschmelzen", wie er sagt.

Kurz & Bündig

Dieses Album wird lieben, ...
... wer den Klang eines Flügelhorns mag.

Dieses Album berührt ...
... wegen seiner wunderbaren Melodien.

Dieses Album lädt ein zum Verweilen, ...
... denn es enthält sehr schöne Augenblicke.

Erkundungen von Klanglandschaften

Im noch so geschmeidigen Flow steckt hier Spannung. Wie bei einer Wolke, die von Elektrizität aufgeladen ist. Der Bassist Michel Benita liebt schöne Melodien. Sie wirken bei ihm manchmal wie Erkundungen von Landschaften. Er hat neben Jazz auch viel Folk Music gemacht. Von einer bretonischen Harfenistin stammt die Vorlage für das Stück "Berceuse". Wieder ganz anders im Klang ist "Cloud to Cloud", eine freie Improvisation, in der man auch die Elektronik gut heraushört. Ein skizzenhaftes Landschaftsbild, bei dem ganz allmählich Konturen entstehen.

Fast jedes Stück auf dieser CD ist eine Einladung zu drei- bis neunminütigen Entdeckungsreisen. Es gibt einige Stellen, die dazu verführen, immer wieder auf sie zurückzukommen, wie um einen momentanen Blick in eine Landschaft noch einmal zu genießen. Vielleicht ist es das, was der auf den ersten Blick in sich widersprüchliche Titel der CD meint: "Looking At Sounds". Klänge ansehen. Hier kann man das, und es ist so aufregend wie schön.

Infos zum Album

Looking At Sounds
Michel Benita Quartet
Label: ECM

Sendung: "Leporello" am 6. Oktober 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

    AV-Player