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"Orfeo" am Hofspielhaus München Interview mit Cornelia Lanz

Der Verein "Zuflucht Kultur" und das Hofspielhaus München interpretieren die Geschichte von Orpheus und Eurydike neu. "Orfeo - eine transkulturelle Oper" heißt das Projekt, das Verbindungen zum heutigen Syrien herstellt, Premiere ist am 14. März 2018. Sängerin und Produktionsleiterin Cornelia Lanz über Krieg, Pegida, Vorurteile und was Oper dagegen ausrichten kann.

Cornelia Lanz als Orfeo | Bildquelle: ©Stefanie Simbeck

Bildquelle: ©Stefanie Simbeck

BR-KLASSIK: Im Stück „Orfeo - eine transkulturelle Oper“ stellen sie eine Verbindung her zwischen der tragischen antiken Liebesgeschichte von Orpheus und Eurydike im Hades zum heutigen Syrien, das Stück spielt in einer zerbombten syrischen Stadt. Wo sehen Sie Parallelen?

Cornelia Lanz: Im Original wird Eurydike von einer Schlange gebissen, stirbt dann und geht in die Unterwelt. Unsere Regisseurin Annette Lubosch und unser Dramaturg Sascha Fersch haben sich die Frage gestellt: was ist dieser Schlangenbiss? Und sie haben gesagt: Eurydike verfällt in einen religiösen Wahn und schließt sich dem IS an. Sie macht also den entgegengesetzten Weg, anders als  die Menschen, die aus dem Krieg fliehen und zu uns kommen. Sie geht freiwillig in den Krieg und Orpheus versucht, sie mit all seiner Liebe und Kraft dort herauszuholen. Er hat aber diesen Befehl der Götter, dass er sich nicht umblicken und sie nicht berühren darf. Und daran scheitert das Ganze auch, weil er nicht mehr in ihre Welt vordringen kann.

Sehnsucht nach Strukturen

BR-KLASSIK: Erleichtert das denn irgendwie das Verständnis und das Einfühlen in die aktuelle politische Lage, wenn man so einen Kontext zur Mythologie herstellt?

Cornelia Lanz: Ich denke schon. Den Orpheus singend spüre ich diese Verzweiflung, Eurydike zu fassen, sie zu verstehen: was passiert mit dieser Frau, dass sie wirklich freiwillig meiner Liebe entgleitet und sich so ein rigides System wählt wie den IS? Unsere Antwort darauf ist im Moment, dass man sich in unserer freien westlichen Welt doch nach Struktur und Systemen sehnt.

BR-KLASSIK: Vielleicht muss man mit Freiheit aufwachsen, um sie wirklich zu verstehen?

Das Ensemble | Bildquelle: ©Stefanie Simbeck Bildquelle: ©Stefanie Simbeck Cornelia Lanz: Ja, ich denke, dass viele Menschen in dieser Welt des Wandels sich Systeme und Strukturen schaffen und sich an irgendetwas zu halten versuchen, ob das dann religiöse Werte sind oder andere Werte. Eurydike versucht es über den radikalen Islam. Ich bin da auch manchmal verzweifelt über Menschen, die von ihrer Kindheit an brainwashed waren und immer wieder gesagt bekamen: Israel ist so und so. Man versucht dann, mit denen zu diskutieren und merkt wirklich, wie sie einfach dichtmachen und man nicht mehr an sie rankommt. Daran verzweifelt Orpheus auch. Es endet wirklich traurig, aber ich glaube es gibt Hoffnung.

Im Dialog mit Pegida?

BR-KLASSIK: Welche Erkenntnisse und welche Gefühle erhoffen Sie sich denn beim Publikum durch dieses Stück?

Cornelia Lanz: Ich kann mir kaum vorstellen, dass man aus der Oper rausgeht und mit großen rassistischen Parolen weiter umgeht ohne vielleicht auch an diese Menschen zu denken, die man da wirklich auf sehr engem Raum kennengelernt hat, die zwei Meter vor einem gesungen haben. Und wir erhoffen uns auch ein Dialog-Format vor und nach der Vorstellung.

BR-KLASSIK: Wäre  es dann nicht förderlich, mit so einem Stück gerade in die Gebiete zu gehen, wo rassistische Parolen eben doch noch herumgebrüllt werden? Zum Beispiel eine Tour durch Ostdeutschland, oder ist das zu riskant?

Cornelia Lanz: Wir müssen gar nicht nach Ostdeutschland gehen. Unser Studio ist am Marienplatz und da ist jeden Montagabend eine Pegida-Demo. Da singen wir Mozart dagegen oder ein Ave Maria. Wir sind auch rausgegangen und haben diskutiert, aber wenn die Fronten mal so verhärtet sind, dann wird es wirklich schwierig. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass man vor allem die Menschen erreichen muss, die gerade nicht wissen was sie denken sollen und sich vielleicht auch mal mitreißen lassen von Vorurteilen. Und genau das will „Zuflucht Kultur“.

"Orfeo - eine transkulturelle Oper" läuft am Hofspielhaus München noch bis 13. April 2018.

Sendung: "Leporello" am 14. März 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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