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Eva Gesine Baur über Geld, Genuss und Festspiele Exklusiver Kulturkonsum für Milliardäre?

Roter Teppich, Promis in Abendrobe, Glanz und Glamour wohin man blickt. Zu den Salzburger Festspielen kommt nur, wer jemand ist oder wer es sich leisten kann. Wirklich? Eva Gesine Baur schreibt in der August-Ausgabe ihrer Kolumne für BR-KLASSIK über die teuersten Festspiele der Welt - über Klischees, die ursprüngliche Festspielidee und warum mit Damenkarten manches einfacher wäre.

Eva Gesine Baur | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Wer genießt, soll nicht ans Geld denken

Als ich letzte Woche im Restaurant eine Damenkarte bekam, dachte ich an den Festspielsommer. Die Damenkarte ist eine Erfindung von gestern: Wenn er zahlt, soll sie wählen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was es kostet. Wenn die Dame zahlt, fehlt die preisbereinigte Herrenkarte. Aktuell ist die Idee dahinter trotzdem nach wie vor: Wer genießt, soll nicht ans Geld denken. Will es meistens auch nicht. Die Intendanten der Festspiele in Salzburg, den teuersten der Welt, Bayreuth, aber auch in München, Baden-Baden oder Bregenz reden zwar vor den Festspielen und nach den Festspielen zwangsweise vor allem über Geld, viel Geld. Aber eins ärgert den Salzburger Festspielchef Sven-Eric Bechtolf: Die Vorstellung, es handle sich hier um eine Art Entenhausener Milliardärsclub.

Weltweit zählte Forbes Ende letzten Jahres 1.825 Milliardäre. Aber es werden in Salzburg jeden Sommer 263 900 Eintrittskarten verkauft, die Hälfte davon für 5 bis 105 Euro. Sven-Eric Bechtolf ärgert sich zurecht. Die Entenhausener Legende und die Bilder in den Medien, die den Aufmarsch der Prominenz zeigen, halten nämlich die besten Gäste ab.

Kusshände für den dritten Rang

Die liebsten sind mir die, die ihr letztes Geld zu mir tragen, weil die genießen’s am meisten. Das hat nicht Bechtolf gesagt, sondern der besternte Koch Hans Haas vom Münchner Tantris. Auch den Ausführenden sind diese Gäste die liebsten. Kein Zufall, dass alle erfahrenen Opernsänger in München ihre Kusshände nicht in die Königsloge oder die ersten Reihen im Parkett werfen, sondern in den dritten Rang hinauf.

Mit Glück der Psychatrie entgangen

Sopranistin Anna Netrebko | Bildquelle: Dario Acosta Starsopranistin Anna Netrebko singt regelmäßig bei den Salzburger Festspielen. | Bildquelle: Dario Acosta Meine Freundin O. war noch nie bei den Salzburger Festspielen, obwohl sie über zwanzig Jahre älter ist als ich, also in Rente. Das Problem ist: sie kriegt fast keine Karten. Für preiswerte Tickets muss man früh dran sein. Sie war spät dran und fuhr letztes Jahr mit einer Freundin auf gut Glück hin. Heute? Für den Trovatore? Zwei? Es sang Anna Netrebko. Was für eine Frage! Die beiden hatten Glück, dass das Kartenbüro nicht sofort den psychiatrischen Notdienst verständigte. In der Pause schafften es die beiden Tollkühnen bis zur Garderobe. Zwei Damen im gleichen Alter holten ihre Mäntel. Ob sie die Karten haben können? Aber gerne. Es sei ihnen einfach zu viel. Jeden Abend …

Verdauungshilfe für Übersättigte

Wer sich jeden Abend ein Gourmet-Menü reinzieht, muss dann entweder nach der ersten Halbzeit gehen, oder darüber reden, was alles in der Krise sei. Das scheint für Übersättigte eine Art Verdauungshilfe darzustellen. Opernkrise, Festspielkrise, Wagnersänger-Krise, Mozartdirigenten-Krise, Stimmkrise bei dem und jenem. In der Gourmandise wird auch seit zwanzig Jahren von der Krise geredet. Nur von denen mit sehr viel Geld, weil denen dran liegt, für Kenner gehalten zu werden. Wer sich mit wenig Geld einen Festspielbesuch gönnt, ist der Festspielidee aber entschieden näher.

Eine Lederhose als Gage

Die Schauspieler Cornelius Obonya und Miriam Fussenegger | Bildquelle: picture-alliance / dpa Cornelius Obonya und Miriam Fussenegger während der Proben zum "Jedermann", Salzburg 2016 | Bildquelle: picture-alliance / dpa Als Max Reinhardt 1920 bei den allerersten Salzburger Festspielen den Jedermann auf dem Domplatz aufführte, war das Ganze eine Notlösung. Die Wahl des Stückes, des Aufführungsortes, die vom Burgtheater geliehenen Kostüme und die Festspiel-Dauer von nur vier Tagen. Die Darsteller waren allerdings erste Wahl. Alle traten unentgeltlich auf, nur Werner Krauß, Tod & Teufel in Personalunion, bedingte sich als Lohn eine Lederhose aus. Auch die Stadt Salzburg selbst war noch bis auf die Knochen ausgehungert von den Folgen des Ersten Weltkriegs. Umso stärker wurde empfunden, dass man hier nun Fest spielte oder festliche Spiele inszenierte.

Auch in Salzburg gibt es beste Karten zu kleinen Preisen

Festlichkeit ist keine Frage des Geldes, sie ist eine Frage der Haltung. Zu der gehört Offenheit. Es ist der unverstellte Blick, der den Stern im Mist entdeckt. In Entenhausen gibt es ja nicht nur Dagobert Duck mit seinem Geldspeicher, in dem die Fantastilliarden schlummern. Es gibt auch Gustav Gans, der auf der Straße das Glückslos aufklaubt und in einer Pralinenschachtel einen Diamanten findet. Und es gibt auch in Salzburg beste Karten zu kleinen Preisen für große Kunst, man muss nur hinschauen, hingehen und hinhören: kostbar besetzte Uraufführungen von György Kurtag oder Thomas Adès. Das heißt, die Festspielidee entdecken.

Erleben heißt vergessen

Wagner lebte, als die Bayreuther Festspiele erstmals Wagner spielten, und Richard Strauss dirigierte sich in Salzburg selbst. Außerdem hat ein wichtiger Einwohner von Entenhausen, der Erfinder Daniel Düsentrieb, dafür gesorgt, dass Anna Netrebko und Jonas Kaufmann nicht zu den goldenen Kälbern der Festspiele werden und alle, die sich den Tanz ums goldene Kalb nicht leisten können, zu Frustrierten: er erdachte den Idol-Irritator. Nicht-Idole singen genauso gut für sehr viel weniger. Die, die ihr letztes Geld ins Sterne-Lokal tragen und den Sterneköchen die liebsten sind, die sind auch vielen Dirigenten und Musikern die liebsten. Sie wollen keine Damenkarte. Sie müssen wissen, was wieviel kostet. Aber während sie erleben, vergessen sie alles andere.

Die Autorin

Eva Gesine Baur studierte Literaturwissenschaft, Psychologie, Kunstgeschichte und Musikwissenschaften. Sie hat zahlreiche Bücher über kulturgeschichtliche Themen und unter dem Namen Lea Singer mehrere Romane veröffentlicht. 2010 wurde ihr der Hannelore-Greve-Literaturpreis für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der deutschsprachigen Literatur verliehen.
Werke (Auswahl):

  • Mozart - Genius und Eros (Biographie, C.H. Beck)
  • Emanuel Schikaneder - Der Mann für Mozart (Biographie, C.H. Beck)
  • Chopin oder Die Sehnsucht (Biografie, C.H. Beck)
  • Anatomie der Wolken (als Lea Singer, Roman, Hoffmann und Campe)
  • Konzert für die linke Hand (als Lea Singer, Romanbiographie über Paul Wittgenstein, dtv)

Kommentare (3)

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Freitag, 19.August, 13:17 Uhr

Andreas

Salzburg

Man sollte noch erwähnen, dass Karten für Liederabende, Kammer- und Orchesterkonzerte wesentlich günstiger und leichter zu bekommen sind als die großen Opernproduktionen - und da sind viele musikalische Juwelen dabei!
Mein perfektes Salzburg-Wochenende sieht so aus: Freitag hin, Sonntag zurück, drei Aufführungen, zwei Nächte im Motel One (hat auch Festspielpreise, ist aber noch OK). Zugticket ab München kostet nicht viel. Perfekt!

Freitag, 12.August, 23:16 Uhr

Pjotar

Gesine Bauer Kolumne

Langweiliges, sinnfreies Elitär Bla Bla

Freitag, 12.August, 18:11 Uhr

Ray

Anreise, Hotel usw.

Der Artikel macht nicht richtig Mut, nach Salzburg zu fahren. Es sind ja nicht nur die Tickets, im Zweifel braucht man ein Zimmer, reist für mehrere Tage an... Das wird alles richtig teuer... Und für 5 Euro im dritten Rang? Da sind mir die Künstler viel zu weit weg, das zieht mich nicht in den Sog...

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