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Gasteig-Sanierung - Kommentar von Bernhard Neuhoff Ein Plädoyer für Münchens Kulturburg

Der Münchner Gasteig soll saniert werden, das hat der Münchner Stadtrat am Mittwoch beschlossen. Geschätzte Gesamtkosten: 450 Millionen Euro. Die Meinungen über das kostspielige Projekt gehen gewaltig auseinander. Ein Kommentar von BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff.

Münchner Gasteig | Bildquelle: picture alliance / Alexander Heinl/dpa

Bildquelle: picture alliance / Alexander Heinl/dpa

Gasteig-Sanierung

"Eine Investition mit Potential"

Eine große Investition

Muss man es immer wieder sagen? Gut, sprechen wir's aus: Geld, das der Staat in die Kultur investiert, kommt als klingende Münze wieder zurück. Weil jede Kommune nachgewiesenermaßen langfristig wirtschaftlich profitiert, wenn sie kulturell attraktiv ist. Natürlich schadet es nichts, das zu wissen. Es kann und darf aber nicht der eigentliche Grund dafür sein, dass Städte in kulturelle Einrichtungen investieren. Und darum geht es: Um eine Investition. Im Fall des Münchner Kultur-Riesendampfers namens Gasteig handelt es sich um eine sehr, sehr große Investition, aber eben auch um eine mit enormem Potential. Welche Rendite wird sie abwerfen? Um Kunst geht es, klar, aber auch um Unterhaltung, Lesevergnügen, Begegnungen. Um das Gefühl, dazuzugehören, um Gemeinschaft, Identität, Leidenschaft. Auch um den fruchtbaren Streit, der in einer demokratischen Gesellschaft dazugehört.

Alles andere als Elitentempel

Der Gasteig entstand aus dem politischen Aufbruchsgeist der 70er Jahre, als die Losung hieß: Kultur für alle. Gerade dieses Gebäude ist alles andere als bloß ein Elitentempel. Es bindet Weltklasse-Institutionen der klassischen Musik wie die Münchner Philharmoniker und die Musikhochschule an die Basis, an den ersten Anfang auf dem Instrument, der allen Schichten offen steht. Denn auch die Städtische Sing- und Musikschule mit ihrer vorbildlichen Integrationsarbeit veranstaltet hier regelmäßig Schülerkonzerte. Durch die Renovierung wird mit der akustisch verbesserten Philharmonie nicht nur - hoffentlich - ein Saal entstehen, wie ihn die Münchner Philharmoniker schon lange verdient haben. Er wird sich - hoffentlich - auch neben dem - hoffentlich - erstklassigen neuen Saal behaupten können, der im Werksviertel für das BR-Symphonieorchester geplant ist.

Gasteig als künftiges Touristen-Magnet

Max Wagner - Der Gasteig-Chef am Dach vom Gasteig mit Blick über die Münchner  Innenstadt | Bildquelle: © Stefan M. Prager Gasteig-Chef Max Wagner auf dem Dach des Kulturzentrums | Bildquelle: © Stefan M. Prager

Was oft übersehen wird: Auch das Münchener Kammerorchester sucht seit Jahren händeringend nach Probenräumen. Mit dem renovierten Carl-Orff-Saal, der im Augenblick ein jämmerliches Schattendasein führt, bekäme das Kammerorchester endlich eine Heimat. Und dann die Stadtbibliothek! Die größte in Deutschland. Sie soll ein Drittel mehr Publikumsfläche bekommen für einen rasant wachsenden Ballungsraum. Dazu die Volkshochschule, die freien Veranstalter, das Filmfest, die Bücherwoche und, und, und… Diese erstaunliche Vielfalt macht den Gasteig so lebendig und demokratisch. Wer dagegen einwendet, dieser große Tanker sei zu zentralistisch, die Kultur habe sich in und um München längst diversifiziert, der übersieht die Chancen der räumlichen Nachbarschaft. Die sind im Gasteig noch längst nicht ausgereizt. Dass man ganz Unterschiedliches am gleichen Ort erledigen, erleben und erfahren kann, genau das macht urbane Zentren lebendig, lebens- und liebenswert. Das geplante Restaurant auf dem Dach mit spektakulärem Blick auf Isar, Stadt und Alpen könnte den Gasteig auch zum touristischen Anziehungspunkt machen.

Die bittere Pille schlucken

Nachdem die Stadt diese seit Jahren absehbare, baulich zu großen Teilen unabwendbare Aufgabe viel zu lange vor sich her geschoben hat, kann man die Verantwortlichen zu ihrem Mut und ihrer Weitsicht jetzt nur beglückwünschen. Hätte man’s früher angepackt, wäre es billiger geworden. Und vor allem: Dann hätte man die Übergangszeit mit dem neuen Saal im Werksviertel koordinieren können. Da steckt, bei aller Freude, die bittere Pille drin: Wenn nämlich tatsächlich Münchner Philharmoniker und freie Veranstalter auf Jahre in eine Ausweichspielstätte weit hinaus nach Riem müssten. Auf allzu viele Besucher aus den westlichen Umlandgemeinden darf man dort nicht hoffen. Hier muss die Stadt dringend nochmal in die Spur. Das letzte Wort in Sachen Ausweichspielstätte ist ja zum Glück noch nicht gesprochen.

Der Autor: Bernhard Neuhoff, Redakteur bei BR-KLASSIK.

Diesen Kommentar können Sie auch hören in der Sendung Allegro am 6. April 2017.

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