BR-KLASSIK

Inhalt

Kommentar – Musik in der Karwoche Passion für Passionsmusik

Als "Schmerzgebirge" beschreibt Rainer Maria Rilke den Eingangschor der "Matthäuspassion" von Johann Sebastian Bach. Und tatsächlich – die Musik dieses Werkes ist düster und gewaltig. Ohne sie wäre die Welt allerdings um einiges ärmer.

30.03.2021, Bayern, Bamberg: Eine Figur des Jesus Christus mit dem Kreuz ist an einer Fassade in der Bamberger Altstadt zu sehen.. Foto: Nicolas Armer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Nicolas Armer

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Nicolas Armer

Die Zeit vor Ostern hat mich immer schon emotional gepackt. Die Karwoche in einer katholisch geprägten Familie – mit ihren Ritualen, ihren Bräuchen. Und mit ihrer Musik. Ja, auch mit der Passionsmusik des Protestanten Johann Sebastian Bach. Noch nicht im Konzertsaal, auch nicht in der eiskalten Pfarrkirche, wohl aber auf dem heimischen Plattenspieler. Seitdem, schon ziemlich lange, gehört das alles zusammen - egal, wo ich mich in dieser besonderen Zeit aufhalte. Etwa am Karfreitagnachmittag 2021, mitten im Lockdown, allein im Auto im Münchner Umland, am Himmel wundersame Wolkenformationen und im Radio Bachs "Matthäuspassion"

Die Matthäuspassion – Mysterium und Meisterwerk

Noch immer weiß ich nicht genau, was diese Musik mit mir macht. Berührt sie mich, weil sie auf musikalisch ergreifende Weise so elementare Themen verhandelt wie Liebe und Angst, Verrat, Enttäuschung und Reue, Freude und Verzweiflung? Weil ich den Eindruck habe, dass hinter den vielen Noten nicht Berechnung und künstlerischer Gestaltungswille stecken, sondern ganz viel Wahrheit und selbst Erlebtes? Vielleicht hat auch Albert Schweitzer recht, der schrieb: "Wir schauen bei Bach das Leben, als wandelten wir auf einer Höhe, von milder Sonne umflossen, und sähen es durch blauen Nebel hindurch zu unsern Füßen ausgebreitet."

Den Frieden, den er dem Leben in Freud und Schmerz abgewonnen hat, spendet Bach in seinen Tönen.
Albert Schweitzer

Wahre "Schmerzgebirge" türmten sich im Eingangschor von Bachs "Matthäuspassion" auf, schreibt Rainer Maria Rilke. Und doch erschlagen sie uns nicht, im Gegenteil: Es ist eine Art verklärter Schmerz, der uns anweht, streift, erschreckt und straucheln lässt – und uns auf geheimnisvolle Weise tröstet. Diese Musik hat nichts Eskapistisches. Sie lässt uns unsere Welt – und nimmt uns trotzdem mit in eine andere.  Es ist Musik, die uns zum Weinen und zum Träumen bringt. Die wir nicht hören können, ohne dass es still und friedlich in uns wird.

Johann Sebastian Bach war ein deutscher Komponist. | Bildquelle: akg-images/EuroArts/BR

Bildquelle: akg-images/EuroArts/BR

Zum Nachhören

Passion für Passionsmusik

Die Welt ohne Bachs Musik ist unvorstellbar

Wie die Welt vor Bach wohl geklungen hat? Für den schwedischen Philosophen Lars Gustafsson ist sie "ein Europa der leeren Räume ohne Widerhall. Überall unwissende Instrumente. Einsam gelegene Kirchen, in denen nie die Sopranstimme der Matthäuspassion sich in hilfloser Liebe um die sanften Bewegungen der Flöte gerankt hat. Weite sanfte Landschaften, wo nichts zu hören ist als die Äxte alter Holzfäller, das muntere Gebell starker Hunde im Winter – und Schlittschuhe, die blankes Eis ritzen. Und nirgends Bach… die Schlittschuhstille der Welt vor Bach."

Ich möchte mir so eine Welt gar nicht vorstellen.

Sendung: "Allegro" am 8. April, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Samstag, 16.April, 08:14 Uhr

Elissabeth Führer

Stabat Mater

Danke für euren wirklich informativen und sehr vergnüglichen Podcast!
Kleines Detail am Rande von einer Kirchenmusikerin:
Es hat einen Grund, dass man zu Ostern eher kein Stabat Mater hört - das gehört zu einem anderen Fest, das allerdings komplett unbekannt ist: Das Fest der "Sieben Schmerzen Mariens" im September.

Sonntag, 10.April, 09:38 Uhr

Heitmann Brigitte

J.S.Bach

Mit 15 Jahren habe ich im Aachener Dom die Matthäuspassion am Palmsonntag gehört.
Die Musik hat mich wie ein Stromschlag getroffen,war bewegungsunfähig.
Ja,seine Musik ist seither meine große Liebe.
Nach meinem Tod hoffe ich seinem Geist in der Ewigkeit begegnen zu können.

    AV-Player