Eine Opernsängerin aus Griechenland? Seit den Tagen von Maria Callas gar nicht so selten! Zu großer Berühmtheit brachte es eine Mezzosopranistin, deren Partien teilweise ganz andere waren als bei der legendären Kollegin: Bei Agnes Baltsa reichte das Repertoire vom Cherubino in Mozarts "Nozze di Figaro" bis zur Klytämnestra in Strauss' "Elektra". Am 19. November wird die große Sängerin, die ihre entscheidende Förderung Herbert von Karajan verdankt, 75 Jahre alt.
Bildquelle: picture-alliance/dpa
Was dramatischen Ausdruck, Temperament und Expressivität betrifft, gehörte Agnes Baltsa seit den 70er-Jahren zu den Besten in ihrem Fach. Nachdem sich ihr Name durch Hosenrollen wie Cherubino in Mozarts "Nozze di Figaro" und Octavian in Strauss' "Rosenkavalier" herumgesprochen hatte, erprobte sie ihre vokale Virtuosität als Rosina in "Barbiere di Siviglia", Angelina in "La Cenerentola", Isabella in "L'Italiana in Algeri". Ihre stimmliche Agilität konnte sie mit diesen Rossini-Damen ausloten. Als mit den Jahren das Volumen der Stimme wuchs, machte die Baltsa mit französischen Rollen international Furore – vor allem mit Bizets Carmen.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Habanera (Bizet, Carmen)
Ein besonderer Glücksfall war die Begegnung mit Herrn Herbert von Karajan.
"Ich habe in Griechenland studiert und dort mein Diplom und Studium beendet", lässt die Sängerin ihre Laufbahn Revue passieren. "Und dann habe ich ein Maria-Callas-Stipendium genommen, bin nach München gekommen. Ich hatte das Glück, fantastische Lehrer zu haben, habe Gesang und Theater studiert. Danach kam Frankfurt, dann die Wiener Staatsoper, wo ich als jüngster Octavian eingesetzt wurde. Dann ging es nach Berlin, Amerika, die Scala, Covent Garden in London, Paris und die New Yorker MET. Ein besonderer Glücksfall war die Begegnung mit Herrn Herbert von Karajan."
Karajan war ihr größter Mentor, wovon zum Beispiel Salzburger Gesangsfreunde profitierten. Im Rückblick war aber vor allem Wien die zentrale Wirkungsstätte der Baltsa: Dort machte man sie zur Kammersängerin, später zum Ehrenmitglied. Das half ihr zweifellos über das schrecklich heftige Lampenfieber hinweg, unter dem sie jahrelang vor ihren Auftritten litt. Wie viele ihrer Kolleginnen fand sie Gefallen am sogenannten Charakterfach, besonders an der abgründigen Küsterin in Leoš Janáčeks "Jenůfa". Was Strauss anbelangt, wurde aus dem einstigen umjubelten Octavian eine ganz anders und doch genauso überzeugende Herodias in "Salome" und Klytämnestra in "Elektra". Hier kam es zu düsteren Seelenporträts einer Künstlerin, die aufgrund ihrer familiären Wurzeln schon als Kind und Teenager die Luft der antiken Tragödie geatmet hatte.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Strauss "Der Rosenkavalier" ~ Presentation of the rose / Agnes Baltsa
Im italienischen Repertoire gab es schon zuvor exaltierte Partien, in denen die Baltsa die Grenzen ihres Darstellungsvermögens kennenlernen konnte. Neben der Santuzza in Mascagnis "Cavalleria rusticana" wäre hier vor allem eine zu nennen: die Prinzessin Eboli in Verdis "Don Carlos". Das vom Komponisten mit größter Intensität ausgebreitete Gefühlsspektrum der publikumswirksamen Arie "O don fatale" fand durch die Baltsa eine markerschütternde Interpretation, mit der sie das Publikum viele Jahre lang regelmäßig in Raserei versetzte.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Legendary "O don fatale"(Don Carlo) in 1986 Salzburger Osterfestspiele, Agnes Baltsa
Sendung: "Leporello" am 19. November 2019 um 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK