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Die Komponistin Amy Beach Wunderkind und Frauenrechtlerin

Amy Beach? Den Namen kennt heute fast niemand. Dabei hat sie richtig gut komponiert und wäre wahrscheinlich längst viel bekannter, wäre sie nicht eine Frau gewesen. In den USA war sie zu Lebzeiten so erfolgreich wie nur wenige ihrer männlichen Kollegen. Als erste Amerikanerin überhaupt schrieb sie eine Sinfonie.

Amy Beach (1867-1944) gilt als die erste Amerikanerin, die eine ganze Symphonie komponierte und veröffentlichte. Porträt von 1905 | Bildquelle: picture alliance/Everett Collection

Bildquelle: picture alliance/Everett Collection

Ein richtiges Wunderkind war Amy Beach, 1867 in New Hampshire geboren: Als Einjährige kann sie bis zu vierzig Melodien auswendig nachsingen, mit drei bringt sie sich selbst das Lesen bei, mit sieben spielt sie erstmals öffentlich – nicht nur Beethoven und Chopin, sondern auch einen von ihr selbst komponierten Walzer. Geschrieben übrigens im Sommerurlaub, ganz ohne Instrument. Nach kurzem Harmonielehrestudium am College erlernt Amy Beach im Alleingang den Kontrapunkt, indem sie sich in die Musik von Johann Sebastian Bach vertieft. Sie komponiert fleißig, debütiert als Pianistin in Boston – die Zeichen stehen also auf Erfolg. Dumm nur, dass sie eine Frau ist, der so mancher Kollege gönnerhaft auf die Schulter schlägt und sagt, sie sei "eine von uns Jungs".

Karriere-Knick wegen Ehe

Aber es kommt noch schlimmer: Mit der Heirat bekommt Amy Beachs beginnende Karriere einen richtigen Dämpfer. Sie ist gerade 18 Jahre alt, in ihrer Ehe mit dem 25 Jahre älteren renommierten Bostoner Arzt Dr. Beach ist für die junge Frau die Rolle der folgsamen Gattin mit Charity-Pflichten vorgesehen. Nur wenige öffentliche Auftritte jährlich gestattet er ihr, und die auch nur zu Wohltätigkeitszwecken. Immerhin erlaubt ihr der Gatte, ihre Werke unter ihrem neuen Namen "Mrs H.H.A. Beach" zu veröffentlichen (H.H.A. sind die Initialen ihres Ehemannes). Also schreibt sie weiter – bedient sich dabei meist der romantischen Tonsprache, interessiert sich aber auch für folkloristische Elemente, kreiert so atmosphärisch dichte, fesselnde Musik. Mit ihrer "Gaelic Symphony" schreibt Amy Beach schließlich ein Stück Musikgeschichte: Ihre Sinfonie ist die erste, die von einer Amerikanerin überhaupt veröffentlicht wird. Das vom Boston Symphony Orchestra uraufgeführte Werk löst bei Publikum und Musikkritik große Begeisterung aus.

Amy Beach – eine Pionierin der Frauenbewegung

Songsheet of 'The March of the Women', 1911. Songsheet in the suffragette colours of purple, green and white, showing women and children marching with the banner of the Women's Social and Political Union, demanding votes for women. This anthem was written by Ethel Smyth in 1911 and was dedicated to Emmeline Pankhurst, a leading campaigner in the suffragette movement. | Bildquelle: picture alliance//HIP Amy Beach sympathisierte mit der Suffragetten-Bewegung, die Anfang des 20. Jahrhunderts für ein allgemeines Frauenwahlrecht in den USA kämpfte. | Bildquelle: picture alliance//HIP

Doch erst nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1910 blüht Amy Beach richtig auf. Sie unternimmt Konzertreisen nach Europa, tritt in Breslau, Dresden und München auf, zieht dann von Amerikas Ostküste nach New York. Schon in Boston sympathisierte sie mit der Suffragetten-Bewegung, zu der auch die Komponistin Ethel Smyth gehörte und die für ein allgemeines Frauenwahlrecht eintrat. In New York weitet Amy Beach ihr Engagement für die Rechte der Frauen aus: Sie kämpft für umfassende Bildung und fordert Musikerinnen auf, trotz Ehe und Mutterschaft ihre künstlerische Tätigkeit fortzuführen. In den 1920er-Jahren gründet Amy Beach zusammen mit gleichgesinnten Frauen die "Association of American Women Composers" und wird Vorsitzende der Organisation. Heute wird sie als eine Pionierin der Frauenbewegung in den USA angesehen.

Am 27. Dezember 1944 stirbt Amy Beach an einer Herzkrankheit. Sie hinterlässt einen Werkkatalog, der rund 300 Kompositionen verschiedenster Gattungen umfasst, die meisten schon zu ihren Lebzeiten publiziert und aufgeführt – für eine Komponistin damals eine absolute Sensation.

Sendung: "Allegro" am 28. Dezember 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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