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Anja Silja im Gespräch "Wagner hat eigentlich für junge Menschen geschrieben"

Anlässlich der Wiedereröffnung des Markgräflichen Opernhauses Bayreuth brachte die Theaterakademie August Everding Johann Adolf Hasses Oper "Artaserse" auf die Bühne. Am 11., 13. und 15. Mai ist die Inszenierung auch in München zu sehen. Mit dabei ist die berühmte Sopranistin Anja Silja. Im Interview spricht sie über ihren Abschied von Wagner, die Liebe zu Janáček und über Rollen, die der Lebenserfahrung angemessen sind.

Anja Silja als Markgräfin Wilhelmine in der Oper "Artaserse" der Theaterakademie August Everding | Bildquelle: © Jean-Marc Turmes

Bildquelle: © Jean-Marc Turmes

BR-KLASSIK: Sie haben ja bei der Wiedereröffnung des Opernhauses in Bayreuth mitgewirkt - als Wilhelmine; das ist eine Sprechrolle. Zu diesem Anlass waren sie ja seit langer Zeit erstmals wieder in Bayreuth ...

Anja Silja: Nach 50 Jahren - das ist sehr, sehr lang. Eigentlich hat es gar nichts mehr mit dem Festspielhaus zu tun. Ich war vorher nie in dem Markgräflichen Opernhaus, auch in meiner früheren Bayreuth-Zeit nicht, weil ich dazu gar keine Zeit und Gelegenheit hatte. Da war ich so beschäftigt mit all dem, was ich auf dem Grünen Hügel tat. Ich kannte das Opernhaus nicht, und deshalb wollte ich das natürlich auch unbedingt kennenlernen.

Ich habe ein ganz neues Gebiet aufgetan, und dazu gehört Janácek.
Anja Silja

Schluss mit Wagner

BR-KLASSIK: Haben Sie sich dann auch auf den grünen Hügel begeben?

Anja Silja: Nein. Bei mir hört es am Bahnhof auf. Ich würde keinen Schritt in diese Richtung mehr gehen, das kann ich nicht mehr, und will ich auch nicht mehr. Ich habe Bayreuth eigentlich seit 50 Jahren nicht mehr betreten und dieses Festspielhaus schon gar nicht.

BR-KLASSIK: Singen Sie noch Wagner?

Anja Silja: Nein, ich habe nach Wieland Wagners Tod eigentlich aufgehört, Wagner zu singen. Aber ich habe dann ein ganz neues Gebiet aufgetan, und dazu gehört eben Janáček - einer meiner Lieblingskomponisten, die ich dann auch weltweit durch das Leben getragen habe.

Isolde, Eva, Senta - das sind ganz junge Menschen mit den Emotionen der Jugend.
Anja Silja

BR-KLASSIK: Auf der einen Seite ist es nachvolziehbar, dass Sie aufgehört haben, Wagner-Partien zu singen, nachdem Wieland Wagner gestorben war. Dann gibt es eine andere Seite, wo man denkt, Sie haben die ja von Kindesbeinen an gelernt, die sind ihnen ja so nah und vertraut. Diese Rollen müssen Ihnen doch die ganze Zeit im Kopf herumgehen.

Anja Silja: Naja, das ist das Merkwürdige an Wagner, denn er hat ja eigentlich für junge Menschen geschrieben. Das ist ja das große Problem. Isolde, Eva, Senta - das sind ganz junge Menschen mit den Emotionen der Jugend. Das geht für den normalen Menschen irgendwann vorbei, und dann kommen die sogenannten Erwachsenenrollen. Und deshalb ist das abgehakt - nicht nur wegen Wieland. Wir hatten ja auch schon viel anderes gemacht. Dann wurde das natürlich altersgerecht, und damit konnte man sich identifizieren.

Lebenerfahrung ist notwendig

BR-KLASSIK: Sie haben danach ihre große Liebe zu Janáček entdeckt, der fantastische Opern geschrieben hat. Muss man die Sprache verstehen? Bei Janáček geht es ja auch um diese Sprachmelodie…

Anja Silja | Bildquelle: Colbert Artists Management Anja Silja | Bildquelle: Colbert Artists Management Anja Silja: Nein, muss man nicht. Man sollte verstehen, was die einzelnen Sätze bedeuten, aber die Musik und der Sprachduktus der Musik sind so klar, dass man gar nicht fehl gehen kann, wenn man sich ein bisschen dafür interessiert. Man muss natürlich etwas über ihn als Komponisten wissen, über seine Schwierigkeiten mit der Geliebten und mit allem. Das kommt alles irgendwo in diesen Opern vor. Wenn man sich damit befasst, kommt man damit auch ganz gut klar. Diese Selbstverständlichkeit des Ausdrucks und der Sprache ist wirklich faszinierend. Wobei das in der "Sache Makropoulos" natürlich schwieriger ist; man benötigt doch eine große Lebenserfahrung, um diese Rolle glaubhaft darzustellen.

Ich kann die Elektra nicht mehr singen, wenn ich die Klytämnestra verstehe.
Anja Silja

BR-KLASSIK: Jetzt ist ja das Älterwerden ohnehin ein Thema, was auf alle von uns zukommt. Ist es so, dass Sie als Sängerin besonders bewusst damit umgehen? Sie haben ja als Instrument ihre Stimme und sind geschult, auch darauf aufmerksam zu sein.

Anja Silja: Die Stimme wird schon älter, aber das hat mich eigentlich nie so interessiert, denn die Rollen werden ja auch älter. Ich sage immer wieder denselben Satz: Ich kann die Elektra nicht mehr singen, wenn ich die Klytämnestra verstehe. Das geht einfach nicht. Wenn ich die Beweggründe einer Klytämnestra begreife, kann ich diese Vaterliebe und diesen Hass gegen die Mutter nicht mehr darstellen. Das sind Rollen, die sollte man eigentlich ab dreißig nicht mehr singen. Da fangen Sie allerdings meistens erst an, das überhaupt in die Hand zu nehmen…

Ausdruck und Verstehen

BR-KLASSIK: Gestalten Sie als Sängerin oder auch einfach mit ihrer Lebenserfahrung das Älterwerden vielleicht bewusster? Ist das so?

Anja Silja: Nein, eigentlich nicht. Vom Standpunkt der Sängerin aus würde ich sagen, ich suche ich mir diese Rollen aus. Ab einem bestimmten Alter, wenn man über 50 ist, dann macht man eben mal Pique Dame und diese Art von älteren Rollen, die man ja auch noch singen muss. Andeutendes Sprechen reicht da nicht; das sind natürlich richtige Gesangspartien. Das muss man schon auch können, aber das habe ich mir immer nach Alter ausgesucht. Makropoulos - das ist in dem Sinne auch keine herkömmliche Rolle, wo man Belcanto oder was weiß ich singen muss, sondern da geht es um den Ausdruck und um das Verstehen dessen, was Janáček sich darunter vorgestellt hat.

"Artaserse" in München

"Artaserse"
Oper von Johann Adolph Hasse
Theaterakademie August Everding
München, Cuvilliés-Theater

Näheres zu Terminen und Besetzung erfahren Sie auf der Homepage der Theaterakademie.

Sendung: "Leporello" am 09. Mai 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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