BR-KLASSIK

Inhalt

Anne-Sophie Mutter - Interview zur neuen CD "Ich bin dafür, dass man sich im Spielen findet"

An diesem Freitag erscheint die neue CD: Anne-Sophie Mutter hat Schuberts Forellenquintett eingespielt. Zusammen mit Daniil Trifonov und drei Stipendiaten ihrer Stiftung. Manchmal sollte man auf die richtigen musikalischen Partner warten, meint der Geigen-Star im BR-KLASSIK-Interview.

Anne-Sophie Mutter, Einspielung Forellenquintett | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG

Bildquelle: Harald Hoffmann / DG

BR-KLASSIK: Sie haben erstmals das Forellen-Quintett von Franz Schubert eingespielt, eines der Gipfelwerke der Kammermusikliteratur. Hat Sie das schon lange gereizt?

Anne-Sophie Mutter: Schubert ist ein Komponist, der natürlich auch in meinem Leben eine wichtige Rolle spielt, da war es eigentlich ganz natürlich, dass die "Forelle" irgendwann mal drankommt. Aber man muss natürlich auch Partner finden, die da besonders gut reinpassen und besonders springlebendig agieren können. Und mit Daniil Trifonov habe ich natürlich einen wunderbaren Pianisten an meiner Seite. Wir haben uns dann auch sehr schnell auf ein Konzept geeinigt, das die Forelle in ihrer ganzen Unbekümmertheit zeigt. Wenn man sich den Liedtext einmal durchliest, da ist die pfeilschnell, da lebt sie.

BR-KLASSIK: In der ersten Strophe fängt's zwar erst einmal gut an, aber es geht ja nicht gut aus.

Anne-Sophie Mutter: Ja, aber die letzte Strophe ist ja wirklich zu vernachlässigen, im Zusammenhang mit dem Lied wird die ja auch im Forellen-Quintett gar nicht eingebaut. Das war für uns der Dreh- und Angelpunkt: der Variations-Satz, um den herum wir die Interpretation der übrigen Sätze gruppiert haben.

Besetzung aus Stipendiaten

Anne-Sophie Mutter: Wir haben am Cello einen gerade auch im deutschsprachigen und im Münchner Raum nicht unbekannten Musiker: Maximilian Hornung. Dann spielt mit uns meine Stipendiatin Hwayoon Lee, eine Bratschistin, die mit 16 als jüngste Teilnehmerin den Yuri-Bashmet-Wettbewerb in Russland gewonnen hat. Und dann haben wir Roman Patkoló, die lebende Legende am Bass, für den große Komponisten wie André Previn, Wolfgang Rihm und auch Krzysztof Penderecki im Auftrag meiner Stiftung Werke geschrieben haben. Und der Bass ist auch ein ganz wichtiges Fundament - nicht nur in der sinfonischen Literatur sondern eben auch in der Forelle.

BR-KLASSIK: Der macht eigentlich das Tempo, oder?

Anne-Sophie Mutter: Das sollte er.

BR-KLASSIK: Er ist die Rhythmusgruppe, kann von unten einiges steuern, und Sie nehmen diese Impulse dann auf. Oder ist es so, dass eine Anne-Sophie Mutter auch in einer Kammermusik-Formation beansprucht, dass sie gewisse Dinge setzt und die anderen dann reagieren?

Anne-Sophie Mutter: Dafür gibt es ja Proben, dass man sich erst einmal einigt, wo die Drum-Section sitzt. Falls das nicht schon sowieso klar ist. Man legt also den Duktus des Werks und die Grundtempi und somit eigentlich den Charakter der Interpretation fest.

Anne-Sophie Mutter, Einspielung Forellenquintett | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG Anne-Sophie Mutter, Hwayoon Lee, Maximilian Hornung | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG Wenn man die Richtung bestimmt hat, dann bleibt dabei natürlich immer noch sehr viel Platz für spontane Einwürfe, die im Tempo leicht vom Plan abweichen. Das ist ja das Schöne, dass man probt, um dann im Konzert frei zu sein. Und wir haben im Konzert auch sehr viel flüssigere, erregtere Tempi gewählt als in den Proben. Es war ganz spannend, durch die Konzert-Situation dann wieder Rückschlüsse auf den Aufnahmetag zu ziehen, der ja nach den zwei Konzerten stattfand.

Man probt, um im Konzert frei zu sein.
Anne-Sophie Mutter

BR-KLASSIK: Die Zuschauer haben quasi mitgearbeitet an der Interpretation?

Anne-Sophie Mutter: Völlig richtig, der Zuschauer arbeitet in seiner Rezeption und in der Atmosphäre, die geschaffen wird, an einer Interpretation mit - aber auch die Gruppe, der ganze Raum. Das ist einfach "Work in Progress", sodass es einem immer fast leid tut, wenn man dann eine Aufnahme für beendet erklären muss - weil sie natürlich nicht beendet, sondern die Aufnahme eines Moments ist - aber ich glaube eines glückhaft gelungenen Moments.

Spielen ist wichtiger als reden

BR-KLASSIK: Sie sind jemand, dem junge Musiker natürlich mit einem enormen Respekt begegnen. Wie schaffen Sie das in der Probe, dass die Atmosphäre dann wirklich partnerschaftlich ist, dass die sich auch trauen, ihre Meinung zu sagen?

Anne-Sophie Mutter: Es geht ja weniger darum, dass man verbalisiert. Man spielt einfach, hört aufeinander, und wenn eine gute Idee auftaucht, dann nimmt man die einfach auf.

Anne-Sophie Mutter, CD-Einspielung Forellenquintett mit Daniil Trifonov | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG Anne-Sophie Mutter und Daniil Trifonov | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG Es ist ganz selten, dass man mal etwas be- und zerreden muss, weil ein Musiker einfach nicht sensibel auf die Situation eingeht. Klar, vielleicht hat jemand mal einen lahmen Moment und es ist an ihm vorbeigerauscht. Aber im Großen und Ganzen spielt sich das Musizieren tatsächlich auf der Ebene des Musizierens ab.

BR-KLASSIK: Das ist ja sehr unterschiedlich: Es gibt Streichquartette, die wahnsinnig viel reden, die viel diskutieren und dann sagen: Jetzt müssen wir aber auch mal wieder spielen. Wie läuft das bei Ihnen ab?

Anne-Sophie Mutter: Also bei der Forelle hat sehr viel zwischen Daniil und mir stattgefunden. Bei fünf Personen ist es dann wahrscheinlich schon so: ein paar kennen das Werk länger, sind vielleicht auch der Meinung, sie müssen ihren Senf dazugeben. Ich bin eigentlich generell dafür, dass man sich im Spielen findet, das ist ja immer das Schönste, weil die Musik eine Sprache ohne Worte ist.

BR-KLASSIK: In Fall des Forellenquintetts stimmt das natürlich nicht ganz, wegen des Lieds. Welche Rolle spielt denn für Sie die Vorstellung, dass Schubert das Stück für eine Stimme geschaffen hat? Haben Sie sich mit berühmten Sängern auseinandergesetzt, Dietrich Fischer-Dieskau oder Christian Gerhaher gehört?

Anne-Sophie Mutter: Zum einen ist der Text natürlich ganz wichtig. Man muss ihn kennen, um zu erfassen, wozu der Komponist da die Noten gesetzt hat. Und gerade bei Schubert, dem großen Lied-Komponisten, ist das natürlich eminent wichtig. Zum anderen ist es schon auch wichtig, dass man sich die Phrasierung der menschlichen Stimme ins Gedächtnis ruft. Natürlich habe ich mir die Forelle in unterschiedlichsten Interpretationen angehört, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie viel schlichter doch die Stimme das vortragen kann - vielleicht nicht zwangsläufig muss - als eine Geige das tun würde. Das hat mich und dann auch meinen Umgang mit dem Vibrato in der Vorstellung des Themas sehr stark beeinflusst.

Das Cover und ein Kleid

BR-KLASSIK: Ich möchte Sie noch etwas zum CD-Cover fragen, das ist ja ganz ungewöhnlich …

Anne-Sophie Mutter: Ja (lacht), die Forelle liegt. Vier Personen stehen da im Geiste mit Messer und Gabel.

BR-KLASSIK: Sie liegen da auf einem Stuhl - und Sie haben ein rotes Kleid an mit einer langen Schleppe, man denkt an eine Schwanzflosse. Das ist schon beabsichtigt, oder?

Anne-Sophie Mutter: Sagen wir mal so: Es hat sich so ergeben. Es gab das Kleid, und wir wollten eigentlich im Garten eine Picknick-Situation, ein bisschen wie bei Manet, nachstellen. Und dann war das Wetter schlecht, und wir hatten nur noch zehn Minuten.

Anne-Sophie Mutter, Einspielung Forellenquintett | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG Bildquelle: Harald Hoffmann / DG Da haben wir diese graue Wand gefunden und die Chaiselongue - und rumstehen war irgendwie zu steif. Ich bin jemand, der eigentlich schon sehr viel Humor besitzt. Und ich dachte: warum versuchen wir nicht mal was Neues? Es wird sicher Personen geben, die das Bild einfach doof finden oder völlig unlogisch. Hier geht es nicht um Logik, es geht einfach darum, ein Cover mit fünf Personen zu gestalten, das in sich atmosphärisch einfach stimmig ist. Und das mit dem Fischschwanz, keine Ahnung, über die Schleppe kann man diskutieren, aber das war rein zufällig. Also das Kleid wurde jedenfalls nicht für die Forelle konzipiert. Es geht ja auch um den Inhalt, es geht um die Forelle, und ich hoffe, dass man sich dann in das Innere des Werkes begibt.

Die Fragen stellte Bernhard Neuhoff für BR-KLASSIK.

Sendung: Leporello am 03. November 2017, 16.05 Uhr.

    AV-Player