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Auszeichnung für Holocaust-Überlebende Britischer Verdienstorden für Anita Lasker-Wallfisch

Die Cellistin und Holocaust-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch wird mit dem "Order of the British Empire" geehrt. Als 18-Jährige war Lasker-Wallfisch ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert worden. Weil sie Cello spielen konnte, wurde die jüdischstämmige Breslauerin Mitglied des Häftlingsorchesters - was ihr das Leben rettete.

Eine der letzten bekannten Überlebenden des Mädchenorchesters von Auschwitz, Cellistin Anita Lasker-Wallfisch | Bildquelle: dpa/Michael Reichel

Bildquelle: dpa/Michael Reichel

Für ihr Engagement im englischen Musikleben bekommt die Cellistin Anita-Lasker-Wallfisch nun von Queen Elizabeth II. den Britischen Verdienstorden (OBE) verliehen. Sie ist unter anderem Mitbegründerin des English Chamber Orchestra. Weiterhin wurden in diesem Jahr der Pianist Paul Lewis, die Trompeterin Alison Balsom, der Anwalt Ian Rosenblatt und Colin Lawson, Direktor des Royal College of Music, geehrt.

Die jüdischen Wurzeln wurden ihr zum Verhängnis

Anita Lasker-Wallfisch  | Bildquelle: Dominik Gigler Bildquelle: Dominik Gigler Anita Lasker-Wallfisch wurde 1925 in Breslau geboren. Die Familie war wohlhabend, Anita erlebte zusammen mit ihren Schwestern eine glückliche Kindheit. Das sollte sich 1933 ändern. Ihre jüdischen Wurzeln wurden der Familie zum Verhängnis. Plötzlich war auch kein Lehrer mehr bereit, der talentierten Anita weiterhin Cello-Unterricht zu geben. Als die Lage sich zuspitzte, brachten die Eltern die älteste Tochter Marianne nach England in Sicherheit. Sie selbst wurden 1942 deportiert und ermordet. Anita musste mit ihrer älteren Schwester Renate in einer Papierfabrik arbeiten.

Mit gefälschten Papieren verhalfen die beiden Mädchen einigen französischen Arbeitern zur Flucht. Auch sie selbst versuchten, nach Paris zu entkommen, wurden aber noch am Bahnhof verhaftet. Anschließend wurden die Schwestern getrennt nach Auschwitz deportiert.

Mit dem Tod vor Augen

Als Anita bei ihrer Ankunft im Konzentrationslager erwähnte, dass sie Cello spielen könne, wurde sie in die Kapelle aufgenommen. Das rettete sie vor der Gaskammer. Geleitet wurde das Orchester von Alma Rosé. Sie war Tochter des Konzertmeisters der Wiener Philharmoniker und Nichte von Gustav Mahler. Jeden Morgen und Abend spielte die Kapelle am Tor des Konzentrationslagers für die Ein- und Ausmarschierenden Häftlinge, Märsche, Schlager, Operetten...

Der Tod war immer um die Ecke. Und ich hab immer gehofft, dass ich es überleben werde irgendwie.
Anita Lasker-Wallfisch

Nach Almas plötzlichem Tod wurde das Orchester im Oktober 1944 aufgelöst. Viele der Häftlinge wurden in andere Lager gebracht. Anita Lasker-Wallfisch überlebte zusammen mit ihrer Schwester Renate den strengen Winter im KZ von Bergen-Belsen. Am 15. April 1945 endete der Alptraum, als die Alliierten ins Lager einmarschierten und die Häftlinge befreiten.

Nie wieder Deutschland!

Anita Lasker-Wallfisch machte als 20-Jährige im Gerichtsverfahren gegen die Nazi-Kriegsverbrecher ihre Aussage. Danach emigriert sie nach England und schwor, nie wieder nach Deutschland zurückzukehren. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern des English Chamber Orchestra und machte Karriere als Cellistin. Ihre Freude an der Musik hat sie sich trotz der schrecklichen Erlebnisse in Auschwitz erhalten.

Ich wollte immer spielen. Ich lasse mir das nicht wegnehmen, man hat mir genug weggenommen im Leben. Für mich war das sehr wichtig.
Anita Lasker-Wallfisch

Wider das Vergessen

Anita Lasker-Wallfisch bei der "Nacht der Zeitzeugen" am 6. 11. 2011 | Bildquelle: BR Bildquelle: BR Sie heiratete den Pianisten Peter Wallfisch, mit dem sie zwei Kinder bekam. Erst viel später begann sie, ihre Geschichte für die Kinder aufzuschreiben. Schließlich veröffentlichte sie sie in ihrem Buch "Ihr sollt die Wahrheit erben" und hielt sie in der dokumentarischen Höredition Die Quellen sprechen fest. Anita Lasker-Wallfisch tritt auch regelmäßig in Radio- und Fernsehshows auf - gerade in Deutschland. Ihre Erinnerungen hat sie in der . Ihr Anliegen ist es, die Erinnerung an das erlebte Grauen für die Nachwelt zu erhalten.

Ich bin sehr viel in Schulen und ich habe viele Briefe von jungen Leuten, die überhaupt nicht verstehen können, wie so etwas möglich ist. Und es ist immer noch viel positiver, mit jemandem zu sprechen, der dabei gewesen ist als diese Geschichte in Büchern zu lesen. Das macht einen großen Unterschied.
Anita Lasker-Wallfisch

Zeitzeugen kommen zu Wort

Die dokumentatische Höredition "Die Quellen sprechen" ist ein Projekt der Redaktion Hörspiel und Medienkunst des Bayerischen Rundfunks in Zusammenarbeit mit dem Institut für Zeitgeschichte. Die Reihe hält Erinnerungen an die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945 fest. Schauspieler und Zeitzeugen lesen hunderte von ausgewählten Dokumenten – verfasst von Tätern, Opfern und Beobachtern. Zeitungsberichte, Hilferufe, Verordnungen, Befehle, Tagebuchaufzeichnungen und Privatbriefe. Historiker erläutern die politischen Hintergründe und diskutieren Forschungsfragen. Zeitzeugen erzählen, was ihnen widerfuhr und wie sie überleben konnten.

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