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Kritik – "Godani – Goecke – Fernando" in Augsburg Ballettabend mit Aliens

Musik, Licht und Tänzer – mehr gibt es nicht an diesem Abend. Keine Kulissen, keine Handlung. Das Ballett des Staatstheaters Augsburg eröffnete seine Saison mit einem dreiteiligen Tanzabend, der Tanz als etwas ganz Pures zeigt. Und trotzdem könnten die Unterschiede zwischen den Werken von Jacopo Godani, Marco Goecke und Ricardo Fernando selbst nicht größer sein.

Ballettpremiere von Godani - Goecke - Fernando am Staatsballett in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Kritik

"Godani – Goecke – Fernando" in Augsburg

Es beginnt ganz schlicht. Die Tänzerinnen und Tänzer des Augsburger Balletts tragen neonfarbene Trainingsklamotten, die Bühne ist weiß beleuchtet. Scheinwerfer, Kulissen, Bühnentechnik – alles ist sichtbar in Jacopo Godanis Stück "Metamorphers". Der Choreograf hat das Stück 2016 für seine eigene Kompanie geschaffen. Er bricht darin herunter, was Tanz ist: Bewegung auf Musik. In dem Fall auf Béla Bartóks Streichquartett Nr. 4. Und das klassische Tanzmaterial, die Schrittkombinationen und Figuren des Balletts sind in Godanis Choreografie ebenso zerhackt und verhärtet wie die klassische Musik in Bartóks harscher Komposition.

Godani tranformiert in "Metamorphers" Körper in Musik

Godani spielt mit den Körpern, er lässt sie in verschiedenen Kombinationen synchron auftreten. Mal im Duo, mal mit der Kraft der großen Formation von 18 Tänzerinnen und Tänzern. Die verschiedenen Melodieführungen Bartóks werden aufgegriffen, später spiegeln sich die Pizzicati in leichtfüßigem Schrittmaterial. Hier wird nichts erzählt, die körperlichen Begegnungen sind schlicht Formen aus der Klassik. Godani zeigt hier die bloße Transformation von Körpern in Musik. Schneidend präzise getanzt. Abstrakt, aber als körperliche Energie beeindruckend spürbar.

Goecke setzt bei "Le Spectre de la Rose" auf Minimalbewegungen

Als Gegensatz dazu funktioniert Marco Goeckes "Le Spectre de la Rose". Mit der Kreation von 2009 – nach dem großen Vorbild von Mikhail Fokine – feierte der damals 37-jährige Goecke seinen Durchbruch. Krampfartig durchzitterte Körper, die über ständig schüttelnde Minimalbewegungen ein großes Ganzes erzählen. Diese Körpersprache ist bis heute für ihn signifikant geblieben. Die Bühne ist jetzt als unendlicher Raum beleuchtet. Rosenblätterhaufen liegen auf dem Boden. Die Musik Carl Maria von Webers ist bewegend. Ana Casquilho als Mädchen trägt eine hautfarbene Korsage – die Begegnung von ihr mit Cosmo Sancilio als Rosengeist ist von der unbeholfenen Erotik erster Erfahrung. Bei aller Zerhäckselung ist Marco Goecke im Herzen ein Romantiker. Und sein Stück wird zum glühenden Mittelpunkt des Abends.

Alienhafte, organische Masse in Fernandos "beyond"

Ganz in die Gegenwart führt dann die Uraufführung von Ricardo Fernandos "beyond". Die Tänzerkörper sind zu einer Masse verschmolzen. Ein Schwarm am hinteren Bühnenende in schwarz-weißen Ganzkörperanzügen. Wie ein Hybrid zwischen Tier und Mensch. Eine organische Masse, alienhaft. Langsam bewegt sich der lebendige Haufen auf die Bühnenrampe zu, kommt näher, die Musik schwillt an: unheimlich und effektvoll. Nach einem etwas einfach gestricktem Pas de Deux zu sentimentalem Solo-Cello, löst sich alles in Techno auf.

Ballettpremiere von Godani - Goecke - Fernando am Staatsballett in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Laute Beats, stampfende Wechselschritte, das Ensemble feiert und das Publikum gleich mit. Ein bisschen ist das plump am Ende, ein bisschen einfach wirkt Fernandos Konklusion mit Beat zum Mitklatschen. Gerade im Gegensatz zu den fein gesetzten Körper-Musik-Beziehungen der ersten beiden Stücke. Der Spaß, die Freude am gemeinsamen Tanz aber ist so einnehmend eine tolle Sache.

Sendung: "Allegro" am 24. Oktober 2022, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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