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Ballettchef Laurent Hilaire Der Neue beim Bayerischen Staatsballett

Das Bayerische Staatsballett hat einen neuen Chef. Sein Vorgänger, der Russe Igor Zelensky, verließ München im Frühjahr Richtung Heimat – aus familiären Gründen, wie es hieß. Laurent Hilaire dagegen tauschte seinen Posten in Moskau gegen die Stelle in München ein – auch politisch motiviert. Was bedeutet dieser Wechsel für die renommierte Kompanie?

Der Ballettmeister Laurent Hilaire | Bildquelle: Julian Baumann

Bildquelle: Julian Baumann

Mit Laurent Hilaire ist ein erfahrener Tänzer, Ballettmeister und Ballettdirektor an die Bayerische Staatsoper gekommen. Und nach dem Weggang von Igor Zelensky, der mit einer von Putins Töchtern lieert ist, soll er neue Stabilität ins Staatsballett bringen. Dafür, dass das gelingt, stehen die Zeichen gut. Denn Hilaire gefällt es sehr in München, wie er im BR-KLASSIK-Interview sagt: "Kultur und Geschichte sind sehr präsent, das macht schon einen großen Eindruck auf mich."

Klassisches und zeitgenössisches Repertoire für München

Das Niveau der Kompanie will Hilaire noch weiter erhöhen, "weil es immer möglich ist, mehr zu machen, besser zu werden", wie er sagt. "Was das Repertoire angeht, will ich mich um beide Seiten kümmern: die klassische und die zeitgenössische." Mit seinen konkreten Programmplänen muss er allerdings noch ein wenig warten. Denn die kommende Spielzeit war noch von seinem Vorgänger Igor Zelensky geplant worden. Doch damit hat Laurent Hilaire kein Problem, denn es sei ein gutes Programm. "Natürlich möchte ich mit meiner Sichtweise vorangehen, aber ich respektiere die verschiedenen Sichtweisen von verschiedenen Menschen."

Laurent Hilaire: Von Moskau nach München

Der Ballettmeister Laurent Hilaire | Bildquelle: Julian Baumann Laurent Hilaire | Bildquelle: Julian Baumann Hilaire hat vor fünf Jahren den Job des Ballettdirektors des Stanislawski-Theaters in Russland übernommen und dort große Erfolge gefeiert. Doch als der russische Angriffskrieg in der Ukraine losging, stand für ihn schnell fest, dass er als Ausländer das Land und seinen Posten verlassen muss. Er erinnert sich noch gut an den 24. Februar 2022: "Ich war in meinem Appartement in Moskau und schnell war klar, hier passiert gerade etwas, was man sich nie vorstellen konnte. Und es war wie ein Schock für mich, dass das Leben in Russland ganz normal weiterlief."

Und dann sei ihm klargeworden, dass es um übergeordnete Dinge wie Freiheit und Grundrechte ging. Hilaire positioniert sich eindeutig gegen diesen Krieg. "Ein Land, das ein anderes einfach so angreift, das passt nicht mit meiner Vorstellung von Freiheit und Demokratie zusammen." Also ging er zum Direktor des Stanislawski-Theaters und dann zu seiner Truppe und erklärte sich. Ein wichtiger Schritt, weil er sich innerhalb der fünf Jahre etwas aufgebaut, Freunde gefunden hatte.

Es war wie ein Schock für mich, dass das Leben in Russland ganz normal weiterlief.
Laurent Hilaire

Sorge um die Zukunft der russischen Ballett-Tradition

"In Russland ist das auch so eine Sache mit der Kultur und der Politik", sagt Hilaire. Beides sei irgendwie zusammen und dann doch nicht – und am Ende leide die russische Kultur darunter. "Das tut mir weh, weil Russland so eine große und reiche Tradition hat." Und wie es – gerade im Ballett – mit der russischen Tradition weitergeht, darüber macht sich Hilaire durchaus Sorgen. Darüber, dass im Westen niemand mit den russischen Kompanien arbeiten wird, in absehbarer Zeit. Und darüber, dass ein Großteil des Repertoires verschwinden könnte. "Man konnte das im Kalten Krieg sehen, als die Entwicklung des Tanzes eher stagnierte. Natürlich hat Russland eine große und auch großartige Tanzschule und Tradition – aber man lebt und wächst von ständig neuen Reizen. Und mal ehrlich, wenn wir nicht so revolutionäre Choreografen wie Jerome Robbins oder George Balanchine gehabt hätten, das wäre sehr schade – wir alle lernen von ihnen."

Hilaire lernte bei Ballettstar Nurejew

Die Stars der National Opera of Paris Aurelie Dupont und Laurent Hilaire bei einem Auftritt im Bolschoi Theater 2005. | Bildquelle: Picture-Alliance / Photoshot Die Stars der National Opera of Paris Aurelie Dupont und Laurent Hilaire bei einem Auftritt im Bolschoi Theater 2005. | Bildquelle: Picture-Alliance / Photoshot Im Alter von 13 Jahren begann Laurent Hilaire seine Ballettausbildung an der Pariser Oper und trat bereits vier Jahre später in die Mutterkompanie ein. Geplant hatte er diese Karriere allerdings nicht. Es war ein Zufall, denn eigentlich wollte er Turner werden. Aber dann zog die Familie um und es gab schlicht keinen Turnverein mehr in der Nähe. Also ging Hilaire in eine Ballettschule. An der Pariser Oper lernte er schließlich den dortigen Ballettdirektor Rudolf Nurejew kennen, der ihn unter seine Fittiche nahm.

Es war so beeindruckend, als ich Nurejew zum ersten Mal getroffen habe. Ich habe von ihm eine ganz bestimmte Philosophie gelernt, wie man auf der Bühne stehen muss und auch im Leben: Die Show ist wichtig, nicht die Wörter.
Laurent Hilaire

Dass er Nurejews Ratschläge ernst genommen hat, bewies Hilaire wenige Jahre später, als er vom großen Meister zum "Danseur étoile" ernannt wurde. Bis 2005 tanzte er zahlreiche Hauptrollen, in "Romeo und Julia", "Schwanensee", "Dornröschen", "Don Quichotte" und "Petruschka". Dann wechselte er ins Ballettmeisterfach. Jetzt geht seine Karriere in München weiter.

Sendung: "Allegro" am 30. Juni 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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