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Bayreuther Festspiele 2022 Stephen Gould – Der Iron Man von Bayreuth

Der Amerikaner Stephen Gould nimmt heuer bei den Bayreuther Festspielen den Plural in der Kategorie "Heldentenor" beim Wort. Er gibt gleich drei Wagner-Superhelden: Tristan, Tannhäuser und Siegfried in der "Götterdämmerung".

Szenenbild, Probe in Bayreuth 2008: Fafner (L, Hans-Peter Koenig) und Siegfried (R, Stephen Gould) | Bildquelle: picture-alliance/ dpa | Enrico Nawrath/Ho

Bildquelle: picture-alliance/ dpa | Enrico Nawrath/Ho

Tristan, Tannhäuser und Siegfried: Das sind drei dickköpfige, kraftstrotzende, testosterongesteuerte Mannsbilder, die mehr oder weniger erfolgreich die Herzen von Brünnhilde, Venus, Isolde, Elisabeth erobern – und sicher noch von ein paar Frauen mehr, von denen wir nichts wissen. Unterwegs ist Stephen Gould mal mit Schwert, mal mit Bischofsstab. Und das im gar nicht mehr so jugendlichen Alter von 60 Jahren. Man ist eben so alt wie man sich fühlt. Auch als Tenor.

Goulds Stimmbänder laufen so gut wie nie

Klar, sagt Stephen Gould, seine Knie und der Rücken sind im Grunde jenseits von Gut und Böse, beim Rennen fühlt er sich wie der eigene Großvater, aber dafür laufen die Stimmbänder so gut wie nie. Und im Kopf hat er auch noch "alle beisammen". Genau darauf kommt es letztlich an in Bayreuth. Die Stimme und das (bei Wagner durchaus komplizierte) Wort tragen die Rolle. Hinzu kommt noch, dass Wagners Heldenpartien ein gewisses Maß an Kardio-Fitness erfordern. Schon allein, weil Wagners Opern bekanntermaßen nicht durch Kürze bestechen.

Bayreuther Festspiele 2022

Neben den "Ring"-Neuinszenierungen "Rheingold", "Walküre", "Siegfried", "Götterdämmerung" und den Wiederaufnahmen "Holländer", "Tannhäuser", "Lohengrin" kommt dieses Jahr ein neuer "Tristan" als Eröffnungspremiere. Was Sie dieses Jahr in Bayreuth erwartet, lesen Sie hier.

In Bayreuth fordert die Akustik präzise Artikulation

Szenenfoto Tristan und Isolde" 2018  - Wagner Oper - Bayreuther Festspiele - Stephen Gould (Tristan) und Petra Lang (Isolde) | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath Gould als Bayreuther Tristan 2018 - hier zusammen mit Petra Lang | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath Als Stephen Gould im Jahr 2004 zum ersten Mal nach Bayreuth kam, angeheuert für den "Tannhäuser", fühlte er sich ziemlich geschmeichelt, meinte, er hätte nun den Olymp erklommen. Allerdings brach die Ernüchterung schnell über ihn herein, als Gould merkte, seine satte, klare, wandelbare, technisch gut geführte Stimme ist fürs Festspielhaus nur die halbe Miete. Den zweiten Teil macht das pingelige Studium der Texte aus. Der hölzerne Saal, in dem die Stimme über den Orchestergraben mal gleitet, mal schießt, der verzeiht keine schlampige Artikulation.

Darum genießt Stephen Gould die sogenannte "Werkstatt Bayreuth", wo man nach Herzenslust lernen kann und muss. Von den Regisseuren, den Coaches, Korrepetitoren, den anderen Sängern. Inzwischen hat der Amerikaner Stephen Gould nicht nur astreines Deutsch gelernt, sondern liebt es, sich in Wortstudien zu vertiefen. Skurrile Wagner-Worte wie "Gauch", "freislich", "Klinze" oder "Harst" findet er zum Schmunzeln komisch, gleichzeitig bewundert Gould die besondere Kreativität von Wagner.

Gould lässt sich nicht von der Regie instrumentalisieren

Dass Wagner in der Konzeption seiner Opern nie mit Turnvater Jahn konkurrieren wollte, das kommt Stephen Gould sehr entgegen. Sicher, in jungen Jahren ist Gould sogar als "Phantom der Oper" über die Musical-Bühne gewirbelt, aber jetzt geht das nicht mehr. Und da spricht Gould dann auch Tacheles mit den Regisseur*innen: Stephen Gould ist nicht der Typ Sänger, der sich von der Regie instrumentalisieren lässt. Singen und gleichzeitig waghalsig im Schnürboden herumklettern oder sich, als wäre man aus Gummi, in eine Yogaposition verbiegen, das kommt nicht infrage. Für Gould steckt darin kein Mehrwert, der irgendein psychologisches Problem des Opernhelden verdeutlichen könnte.

Stephen Gould blickt seitlich in die Kamera | Bildquelle: Kay Herschelmann/dpa Der aus Virginia stammende Stephen Gould sang an die 3.000 Mal in "Phantom der Oper". | Bildquelle: Kay Herschelmann/dpa Die Crux des Menschseins, das Zaudern, der Kampf um Liebe und das ganze Straucheln zwischen den Gegenpolen, all das steckt schon zuhauf drin in Wagners Musik. Er, mit dem Beruf des Sängers und der Berufung des Künstlers, trägt all das dann "nur" singend und sprechend vor. Folglich ist das Maximum an Sportlichkeit für Stephen Gould erreicht, wenn er gelegentlich in der Rolle des Siegfried in Wagners "Siegfried" aus dem "Ring" mit hastenden Schritten das Waldvögelchen verfolgen muss. Oder als Tannhäuser knapp 1.300 Kilometer zu Fuß nach Rom pilgert.

Stephen Gould: gut gewappnet für Bayreuth 2022

Konditionell und stimmlich befindet sich Stephen Gould offenbar auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Er muss über unerschöpfliche Kraftreserven verfügen. Sonst hätte der stets umsichtig mit seiner Energie haushaltende Amerikaner die Rollen sicher nicht angenommen. Wie auch immer er die ganzen Liebesabenteuer, Kämpfe und Ehrentode in insgesamt gut 15 Stunden Musik (pro Zyklus!) meistern wird, das bleibt abzuwarten. Garantiert geht Stephen Gould mit seinem diesjährigen Helden-Tripel als "Iron Man von Bayreuth" in die Geschichte der Festspiele ein.

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