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Daniel Barenboim reagiert auf Vorwürfe "Ich lasse mich nicht in die Ecke drängen"

Sowohl ehemalige als auch aktive Mitglieder der Staatskapelle Berlin erheben schwere Vorwürfe gegen Daniel Barenboim. Sie werfen ihrem Chefdirigenten Schikane und Mobbing vor. In einem ausführlichen Interview mit der "ZEIT" schildert Barenboim nun seine Sicht.

Dirigent Daniel Barenboims | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Gezieltes Mobbing habe es bei ihm nicht gegeben, verteidigt sich Daniel Barenboim im Interview mit der "ZEIT" (mit Bezahlschranke). Damit weist der Dirigent die massive Kritik an seinem Führungsstil entschieden zurück. In den letzten Wochen hatten mehrere Musiker, die unter seiner Leitung in der Staatskapelle Berlin gespielt haben, von Demütigungen während der Proben berichtet.

Reue ohne Reinwaschung

"Ich habe kein Verbrechen begangen", reagiert Barenboim auf die Vorwürfe. "Ich habe niemanden belästigt oder gar vergewaltigt." Er lasse sich nicht in die Ecke drängen. Trotzdem gehe es ihm nicht darum, sich reinzuwaschen. Barenboim erklärt, er bedaure sehr, dass er Menschen verletzt habe: "Es war offenbar nicht in Ordnung, was ich getan habe."

Ich will mich nicht reinwaschen, sicher habe ich Menschen verletzt, das bedauere ich sehr – aber ich habe das nie mit Absicht getan.
Daniel Barenboim

Gleichzeitig bekräftigt Barenboim nochmal seine Vermutung, dass es sich bei der aktuellen Diskussion um "eine Kampagne" gegen ihn handle. Das Timing sei ihm suspekt. Derzeit laufen nämlich Verhandlungen mit dem Senat um eine Verlängerung von Barenboims Vertrag als Generalmusikdirektor. Regulär würde der Vertrag 2022 enden. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Finanzen. Barenboim fordert mehr Geld für die Staatskapelle.

Offene Widersprüche

Barenboim gilt als sehr einflussreiche Persönlichkeit. Er selbst relativiert dies. Er habe nicht so viel Einfluss auf das Orchester, wie seine Kritiker behaupten: "Ich habe die Macht, im Moment des Konzerts zu entscheiden, wie schnell wir spielen und wie laut." Von allem anderen müsse er die Leute um sich herum überzeugen. In der Staatskapelle Berlin gebe es - wie in anderen Orchestern auch - verschiedene Anlaufstellen für Leute, die ein Problem hätten und Unterstützung suchten, so Barenboim: "Für die Orchestermusiker ist das der Orchestervorstand. Doch niemand hat sich an ihn gewandt, um über mich zu sprechen."

Man schaute dann eben zu Boden, wenn der Chef wieder einen Kollegen vor allen anderen fertigmachte.
Leo Siberski, ehemaliger Trompeter in der Berliner Staatskapelle

Dirigent Leo Siberski | Bildquelle: © Jan Woitas/dpa Leo Siberski, ehemaliger Solo-Trompeter in der Staatskapelle Berlin | Bildquelle: © Jan Woitas/dpa Dieser Aussage widerspricht Leo Siberski. Er war zwischen 1992 und 2003 als Solo-Trompeter unter Daniel Barenboim an der Staatskapelle Berlin beschäftigt. Gegenüber der Zeitung "Die Welt" (mit Bezahlschranke) sagt er, es habe eine Krisensitzung mit Barenboim gegeben, nachdem der Chefdirigent den Trompeter während einer Probe vor anderen Orchestermitgliedern bloßgestellt habe: "Dem Orchestervorstand habe ich unmittelbar mitgeteilt, ich ließe mir das nicht bieten und würde kündigen." Eine Entschuldigung von Barenboim habe es auch während der persönlichen Aussprache nicht gegeben.

Leo Siberski sieht Probleme in der Machtstruktur

Leo Siberski sieht den Kern des Problems in der Orchesterhierarchie. Diese zeige sich deutlich in der jüngsten Solidaritätsbekundung für Barenboim von Seiten des Orchestervorstandes: "Ein Votum für dieses bedeutende Statement wurde von den Musikern überhaupt nicht eingeholt." Wer damit nicht einverstanden sei, so Siberski, dem bleibe nur die Möglichkeit zu gehen. Wer hingegen bleibt, habe nur die Möglichkeit wegzuschauen, wenn der Chef wieder einen Kollegen vor allen anderen fertigmachte.

Leo Siberski selbst verließ 2003 die Staatskapelle Berlin, nachdem er dort unter Daniel Barenboim noch als Assistent gearbeitet hat. Seit 2017 leitet er das Philharmonische Orchester Plauen-Zwickau.

Sendung: "Leporello" am 28. Februar 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Samstag, 02.März, 23:54 Uhr

Alexander Bordin

Menschenwürde

Auch in Arbeitsverhältnissen gilt das Recht auf Menschenwürde. Das kann man in den heutigen modernen Zeiten durchaus erwarten, daß man mit Respekt umgeht und Menschen in schwächeren Positionen nicht mobbt. Wer das systematisch macht, hat für mich einen schlechten und sadistischen Charakter. Die Größe eines Menschen zeigt sich auch im Umgang mit seinen Mitmenschen. Übrigens, so besonders sind die barenboimschen Interpretationen nun auch nicht.

Es stellt sich noch eine wichtige Frage in diesem Skandal: Wie ist es in anderen Orchestern: London, New York oder in seinem Divan-Orchester? Gibt es dort auch Mobbingprobleme oder reduziert sich das Problem auf deutsch-sprachige Orchester in Österreich und Deutschland?

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