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Der Regisseur Barrie Kosky Von Operette bis Wagner

Seine Kreativität kennt keine Grenzen. Was er anpackt, gelingt - und wenn nicht, ist es trotzdem spannend. Der Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin ist bekannt für seine ausgefallenen Ideen. Barrie Kosky ist schrill, witzig, modern und kontrovers. Aber niemals langweilig. Und zu Wagner hat er eine ganz besondere Beziehung.

Der Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky, steht am 14.07.2017 in Bayreuth (Bayern) vor dem Festspielhaus. Der Australier führt bei den diesjährigen Bayreuther Festspielen Regie in einer Neuinszenierung der Richard-Wagner-Oper "Die Meistersinger von Nürnberg". (zu dpa-Themenpaket Bayreuther Festspiele: "Royaler Glanz und 'Meistersinger' zum Festspielauftakt in Bayreuth" vom 17.07.2017) Foto: Daniel Karmann/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann

Traditionell sind es Sänger und die großen Hits, die das Publikum in die Oper locken. Doch längst haben sich auch Regisseure mit mal kontroversen, mal populären Konzepten zu wahren Publikumsmagneten entwickelt. Darunter Barrie Kosky, ein Australier mit jüdischen Wurzeln, dessen Inszenierungen Spannung, Spiel und Diskussion versprechen. Und der damit eine Marke auf der Opernbühne geschaffen hat: Wo Kosky draufsteht, ist auch Kosky drin. Egal ob das Bühnenwerk bekannt ist oder nicht.

Barrie Kosky inszeniert "Die Zauberflöte" an der Komischen Oper Berlin | Bildquelle: picture alliance / Eventpress Hoensch "Die Zauberflöte" - Szenenbild aus Barrie Koskys Inszenierung von 2012 | Bildquelle: picture alliance / Eventpress Hoensch Seit fünf Jahren ist Barrie Kosky Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin. Seinen Einstand feierte er mit Mozarts "Zauberflöte" und überraschte mit einer neuartigen wie auch umstrittenen Verbindung von Liveauftritt und Video-Performance, inklusive eingespielter Stummfilmszenen statt gesprochener Dialoge. Mit dieser Idee wurde Koskys "Zauberflöte" zu seinem größten Publikumserfolg und einem Export-Schlager. Inzwischen haben mehr als 250.000 Zuschauer die Vorstellung besucht - auf drei Kontinenten.

Ich bin kein Machtintendant. Ich bin ein Teammensch.
Barrie Kosky

Ende 2013 wird die Komische Oper zum "Opernhaus des Jahres" gewählt, 2015 folgt die Auszeichnung mit dem International Opera Award in der Kategorie "Ensemble des Jahres", 2016 schließlich wird Kosky zum "Regisseur des Jahres" ernannt. Auch die Auslastung der Komischen Oper Berlin gibt Kosky recht: 2014 liegt sie bei 86 Prozent, 2016 bei 90,7 Prozent. Fragt man Barrie Kosky nach seinem Erfolgsrezept, wehrt der Intendant ab - er wolle seinen Erfolg nicht selbst erklären. Formuliert aber dann doch ein Credo: "Ich bin kein Machtintendant. Ich bin ein Teammensch."

Von Melbourne über Wien nach Berlin

  • 1967 wird Barrie Kosky im australischen Melbourne geboren, als Enkel jüdischer Einwanderer aus Polen, Ungarn und Russland
  • Seine Großmutter weckt sein Interesse für Theater und Musik
  • Klavierstudium an der Universität von Melbourne
  • 1990-1997 Mitarbeit in dem von ihm gegründeten Studententheater "Gilgul Theatre Company"
  • 1996 leitet Kosky als jüngster Intendant das Adelaide Festival in Melbourne
  • ab 2001 geht es von Melbourne an das Wiener Schauspielhaus, die Berliner Staatsoper und die Komische Oper
  • 2005 Beginnt Barrie Kosky seine Arbeit mit Wagners "Lohengrin" an der Wiener Staatsoper
  • 2006 inszeniert er zusammen mit Tom Wright den achtstündigen Abend "The Lost Echo" für die Sydney Theatre Company, basierend auf Ovids "Metamorphosen" und Euripides' "Die Bakchen". Ein Projekt, bei dem Kosky mit Erfolg als Autor, Regisseur, Musikchef und Pianist auftritt
  • 2009 inszeniert er an der Bayerischen Staatsoper "Die schweigsame Frau" und 2015 "Der feurige Engel"

Die Komische Oper - Felsensteins Vermächtnis

"Ich habe eigentlich nichts erneuert, sondern mich gefragt: Was ist die DNA dieses Hauses?", sagt Kosky über seine Arbeit an der Komischen Oper. Das Besondere dieses Hauses sei für ihn nicht die deutsche Sprache und auch nicht das Regie-Theater - es spiegele sich stattdessen in seinem "Ensemble, der Spielfreude und der darstellenden Virtuosität". Zudem sieht Kosky zwei Grundpfeiler seiner Arbeit in Berlin: die Felsenstein- und die Metropoltheater-Tradition.

Für den Gründer der Komischen Oper Berlin, Walter Felsenstein, war Operette Chefsache. Trotzdem standen bei ihm auch Janáček und Mozart auf dem Programm. Und dieser Grundidee fühlt sich auch Kosky verpflichtet. Felsensteins Programmplanung sah keine Komponisten-Hierarchie vor. Für ihn galt die Devise: Mittwoch Janáček , Donnerstag Mozart und Freitag Offenbach oder Johann Strauss. Deswegen ist für Kosky "Felsenstein der größte Anti-Snob aller Zeiten."

Die Nazi-Herrschaft - ein Einschnitt

Barrie Kosky, Chefregisseur und Intendant der Komischen Oper Berlin | Bildquelle: Komische Oper Berlin Barrie Kosky mit dem BR-KLASSIK Operetten-Preis "Frosch des Jahres" 2016 | Bildquelle: Komische Oper Berlin Die große Zeit des Metropoltheaters - heute die Komische Oper - war die Zeit vor der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933. Es sind die eher unbekannten, verstaubten Stücke aus dieser Epoche, die Koskys Interesse wecken. Die Operette hatte ihren festen Platz im Revue-Theater und erlebte in den 20er und 30er Jahren eine radikale Veränderung. Nach der ungarischen, der Wiener und der französischen Operette kam die Jazz-Operette. Leider sind diese musikalischen Unikate mit der Nazi-Herrschaft vom Programm verschwunden und in Vergessenheit geraten.

Als Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper will Barrie Kosky die Operetten-Tradition in Berlin wiederbeleben und an die alten Erfolge des Metropoltheaters anknüpfen. 2013 löst er dieses Versprechen mit Paul Abrahams "Ball im Savoy", einer 1932 uraufgeführten Jazz-Operette, ein. Es folgen Stücke von Oscar Straus: "Eine Frau, die weiß, was sie will" und "Die Perlen der Cleopatra". Für letztere wird Barrie Kosky 2016 mit dem BR-KLASSIK Operetten-Preis "Frosch des Jahres" ausgezeichnet.

Barrie Kosky - Regiearbeit in Bildern

Kosky und Wagner - Eine Art Hassliebe

Barrie Koskys thematische Bandbreite reicht vom Barock bis zum Broadway. Auf sein Arbeitskonto gehen, neben den fünf Operetten, die er in den letzten Jahren an der Komischen Oper auf die Bühne gebracht hat, über 100 Operninszenierungen. Unter denen finden sich auch Opern von Richard Wagner. Mit ihm verbindet Kosky eine Art Hassliebe: Er erkenne den Antisemitismus in den Stücken, sagt er - und verzichtet zumindest in Berlin darauf, Wagner-Opern zu inszenieren. Doch die Herausforderung Bayreuth nimmt Kosky an - und wird 2017 "Die Meistersinger von Nürnberg" bei den Festspielen inszenieren.

Barrie Kosky über Wagner

Es ist kompliziert...

"Ich habe acht Mal in meinem Leben Wagner inszeniert, ich bin fertig mit dem Mann. Und dann soll ich als australischer Jude in Bayreuth das problematischste aller Wagner-Stücke machen - nein! Aber inzwischen traue ich mir das zu, und ich habe eine Idee, die zwar kritisch ist, aber auch neu.
"In den letzten drei Jahren habe ich gegen diese komplizierte Beziehung gekämpft und dann akzeptiert, dass sich dieses Problem nicht lösen wird."

Die "Meistersinger"...

"Es gibt viele Überraschungsmomente und man endet in diesem Werk nicht wie man anfängt. Die 'Meistersinger' sind für mich ein Werk mit vielen Themen und widersprüchlichen Fragen."

Koskys Wagner-Woche...

"
Montag: Was für eine geniale Musik.
Dienstag: Was ist das für ein blöder Text. Warum hatte er keinen besseren Autor?
Mittwoch: Das ist so eine kluge Szene.
Donnerstag: Ich hasse sie. Ich hasse ihn.
Freitag: …?"

Thema in der Sendung "Meine Musik" am 8. April 2017, 11.05 Uhr auf BR-KLASSIK - Annika Täuschel im Gespräch mit Barrie Kosky

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