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Zum Todestag Ludwig van Beethovens Graphic Novel über das Musikgenie

Am 26. März 1827 ist Beethoven gestorben: Peer Meter und Rem Broo haben die letzten Lebenstage des Musikgenies zum Hauptthema ihres neuen Graphic Novel gemacht. Der Starkult rund um den Komponisten bekommt dabei genauso sein Fett weg, wie die Verlogenheit der Gesellschaft. Das Buch bietet skurrile Situationen, aber auch melancholische Reflexionen – Komödie und Tragödie.

Buch-Cover "Beethoven – unsterbliches Genie" | Bildquelle: Carlsen Verlag

Bildquelle: Carlsen Verlag

Das Titelbild führt in eine ganz falsche Richtung. Beethoven, das Genie, gezeichnet nach dem berühmten Stieler-Porträt: Schwarzer Rock, rotes Halstuch, düsterer Blick, die Hände wahlweise am Klavier, Violine spielend, Noten schreibend, dirigierend. Doch die Musik spielt keine übergroße Rolle in der Graphic Novel von Szenarist Peer Meter und Zeichner Rem Broo. Das Autoren-Duo schildert die letzten Lebenswochen Beethovens und seinen Tod am 26. März 1827 in Wien. Und schließlich die bizarren, alles andere als pietätvollen Formen des Abschieds vom Verstorbenen. Zum Beispiel wurden ihm so viele Locken abgeschnitten, dass der Kopf schließlich weitgehend kahl war.

Reflexionen über den Starkult

"Wie gehen wir denn heute mit Musikern um, mit Stars? Dieser Starkult, der betrieben wird!" Der Schriftsteller und Szenarist Peer Meter aus Worpswede wollte mit der Graphic Novel gerne einen Bogen in unsere Gegenwart schlagen. "Ich habe immer, als bestes Beispiel, Michael Jackson vor Augen. Der war ja überhaupt kein Mensch mehr, sondern eine Figur ohne Leben. Das ist das, was ich bei Beethoven auch zeigen wollte. Über den Menschen Beethoven wissen wir überhaupt nichts. Da haben wir in der Regel Aufzeichnungen von anderen. Und ich weise nach, dass das alles sehr fragwürdig ist. Und es ist ja auch alles unglaublich komödiantisch."

Bilder aus dem Buch

Ein fiktiver Verehrer und reale Doktoren

Die Graphic Novel "Beethoven. Unsterbliches Genie" beginnt zwei Tage nach dem Tod des Komponisten. Ein Verehrer aus Frankreich – Louis Lefebvre – sucht nach Beethoven, fährt kreuz und quer durch Wien. Angeblich ist er ein Freund. Und er will verhindert haben, dass Beethoven seine Dritte Symphonie Napoleon widmete. Dumm nur, dass diese Geschichte nicht ganz stimmt. Lefebvre ist eine fiktive Figur, eine von mehreren. Sie werden realen Personen aus Beethovens Umfeld zur Seite gestellt, darunter Anton Schindler, Sekretär und Biograph, die Haushälterin Sali, Doktor Andreas Wawruch, der Beethoven in den letzten Lebenswochen behandelte, und auch der Anatom Doktor Wagner und sein Gehilfe Anton Dotter. Die beiden obduzierten den Leichnam des Verstorbenen.

Zynische Ärzte mit schwarzem Humor

"Wir wissen nicht, wie der Dotter war, zum Beispiel", sagt Peer Meter im Gespräch. "Wir wissen auch nicht, wie der Doktor Wagner war oder der Wawruch. Wir kennen diese Leute nur bestenfalls von ein, zwei Porträts – meistens sind es Stiche. Sonst wissen wir überhaupt nichts über diese Leute. Und da war mir wichtig, dass man diese Leute einbaut und dann aber auch ihr Verhältnis zu Beethoven zeigt. Gerade die Ärzte, die ja auch sehr zynisch über Beethovens Krankheit reden und es viel schöner finden, wie sich Sänger positioniert haben am Tag von Beethovens Beerdigung. Dieser schwarze Humor, der hat ja in Wien Tradition, der ist da zu Hause."

Schein und Sein

Seite aus "Beethoven: Unsterbliches Genie" | Bildquelle: Carlsen Verlag Hamburg "Beethoven – unsterbliches Genie". Zeichnung aus dem Buch | Bildquelle: Carlsen Verlag Hamburg Die Wiener Gesellschaft kommt in der Geschichte alles andere als gut weg. Peer Meter und Rem Broo zeigen etwa die Honoratioren am offenen Sarg. Sie sprechen würdevoll über den Verstorbenen, zugleich äußern sie – in Denkblasen – insgeheim hinterfotzige Gedanken. Einer etwa beklagt, was der Welt durch Beethovens viel zu frühen Tod verloren gehe und nennt ihn klammheimlich einen primitiven Hanswurst, einen vertrottelten alten Narren. Und überhaupt ist das Spiel von Schein und Sein ein Leitmotiv in diesem herrlich-schrägen Comic. Das gilt dann auch für das Objekt, das mehr und mehr in den Fokus gerät: Beethovens Schädel. Details der grotesken, aber authentischen Geschichte sollen hier nicht verraten werden. Nur so viel: Peer Meter und Rem Broo inszenieren sie großartig.

Der getauschte Kopf

"Mein ganzes Leben hat mich Beethovens Musik begleitet", sagt Peer Meter. "Das ist absolut geniale Musik. Und mein Einstieg war die Geschichte mit dem vertauschten Kopf. Das habe ich nicht gewusst und ich war zunächst auch völlig erschrocken. Stimmt das überhaupt? Ist das wieder eine von den Geschichten, die sich einer ausgedacht hat? Und dann habe ich in der Recherche tatsächlich festgestellt: Beethovens Kopf ist wirklich sogar zweimal getauscht worden. Diese Pietätlosigkeit, die war mir dann wichtig einzubauen, aber eben auch auf eine humoristische Art."

Skurril, ebenso voller Traurigkeit

"Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?" Dieser Satz von Thomas Bernhard wird zum Leitmotiv in der Graphic Novel, die alles andere ist als eine brave biographische Künstler-Geschichte. Die Antwort ist klar: Komödie und Tragödie. Rem Broo hat für den Comic eine opulente Bildsprache gefunden. Er arbeitet immer wieder mit satten, kräftigen Farben, es gibt oft großformatige Seiten, etwa mit Wiener Stadtszenen. Für einzelne Rückblenden, etwa vom behandelnden Arzt Wawruch, hat er einen jeweils eigenen Zeichenstil verwendet. In diesem Bilderrausch wird die Geschichte eines Menschen und Künstlers am Ende seines Lebens erfahrbar, durchaus skurril, ebenso aber auch voller Traurigkeit.

Infos zum Buch

Peer Meter, Rem Broo:
Beethoven – Unsterbliches Genie

Carlsen Verlag, Hamburg
144 Seiten
Preis: 22,00 Euro

Sendung: "Allegro" am 26. März 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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