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Benjamin Godards "Dante" Oper zwischen Paradies und Inferno

Der Komponist Benjamin Godard galt seinerzeit als Träumer oder "verspäteter Romantiker". Seine Oper "Dante" basiert auf der "Göttlichen Komödie" von Dante Alighieri. Lange war das Werk von den Spielplänen verschwunden. Das Münchner Rundfunkorchester bringt es nun gemeinsam mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks und ausgezeichneten Solisten konzertant auf die Bühne.

Der französische Musikwissenschaftler und Publizist Eugène de Solenière schrieb 1902 über den Komponisten Benjamin Godard: "Vor allem war Godard nicht von seiner Zeit". Und das trifft in musikalischer Hinsicht voll und ganz auf ihn zu. Man versuchte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert in Musikerkreisen durch musikalische Neuerungen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Musik Wagners war "en vogue". Godard hingegen ignorierte die Trends und fand seine musikalische Inspiration vor allem in der Vergangenheit. Er orientierte sich eher an der Klangsprache Gounods oder Massenets.

Er war ein Träumer, ein verspäteter Romantiker, ein nach innen gekehrter Emotioneller.
Publizist Eugène de Solenière über Godard

Godard verehrte den florentinischen Dichter Dante Alighieri und machte ihn zum romantischen Opernhelden seiner gleichnamigen Oper "Dante", die auf der "Göttlichen Komödie" beruht, einem der größten Werke der Weltliteratur. Am 13. Mai 1890 wurde Godards Oper an der Pariser Opéra Comique uraufgeführt. Beim Publikum fiel das Stück durch: Zu vielschichtig und zu lang war es für den damaligen Publikumsgeschmack. Die Oper verschwand schnell in der Versenkung. Und zwar für lange Zeit. Zu Unrecht, wie der künstlerische Leiter des Münchner Rundfunkorchesters Ulf Schirmer meint: "Durch diese Art des Durchkomponierens und Godards Fähigkeit, nah an den Singstimmen, am Text dran zu sein, entsteht ein Erzählfluss. Godard nutzt sehr drastische Effekte, die Hölle zu schildern. Sehr reizvoll, sehr schön. Wir verstehen sofort, ohne Dramaturgeneinführung, worum es geht. Das ist auch eine Qualität."

Aufmerksam gemacht wurde Schirmer auf das Werk durch die Stiftung "Palazzetto Bru Zane - Centre de musique romantique française". Das Forschungszentrum hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Vergessenheit geratene französische Musikschätze des 19. Jahrhunderts auszugraben und sie bekannter zu machen.

Oper zwischen Himmel und Hölle

Godard hat für seine Oper die ausführlichen Schilderungen der Hölle in der literarischen Vorlage der "Göttlichen Komödie" eingehend studiert und daraus eigene höllische Fantasien entwickelt. Er schöpft klangtechnisch aus dem Vollen. Der Tenor Edgaras Montvidas hat als Titelheld großen Spaß daran, diesem Höllenspektakel zu folgen - und sich mit Dantes Vorstellungen auseinanderzusetzen: "Man würde ja erwarten, dass die Sünder in der Hölle alles Mörder oder zumindest Lügner sind. Von wegen - eine große Sünde ist Vertrauensbruch oder sogar Ungehorsamkeit. Das würde man heutzutage überhaupt nicht als Sünde bezeichnen!"

Ich bin total begeistert davon, wie präzise Dante die Hölle zeichnet!
Tenor Edgaras Montvidas

Dirigent Ulf Schirmer, der das Werk mit dem Münchner Rundfunkorchester in konzertanter Form zur Aufführung bringt, hat in der Musik Godards einige psychologische Konstanten entdeckt, die auch heutzutage noch in Film und Fernsehen angewandt werden: "Tiefe Orchesterstimmen mit niedrigen Frequenzen empfinden wir körperlich, auch in den entsprechenden Regionen. Das heißt, das ist etwas, das vom Geist oder Hirn ziemlich weit weg ist. Diese Bereiche scheinen tabuisiert gewesen zu sein, so dass man dieses Wühlen im Gedärm als etwas abgründig Unheimliches empfindet." Godard bediene sich zur Darstellung der verschiedenen Sphären eindeutiger musikalischer Mittel: "Die Hölle und das Böse ist dunkel konnotiert. Mit Dissonanzen verbindet man das Unaufgelöste. Der Himmel wird mit hohen Klängen und entsprechenden Instrumenten dargestellt."

"Dante" mit dem Münchner Rundfunkorchester und dem Chor des Bayerischen Rundfunks

In Kooperation mit dem "Palazzetto Bru Zane" bringt das Münchner Rundfunkorchester Godards Oper "Dante" am Sonntag, 31. Januar 2016 zur konzertanten Aufführung. Die französische Sopranistin Véronique Gens und der litauische Tenor Edgaras Montvidas verkörpern das berühmte Liebespaar Béatrice und Dante. Es singt der Chor des Bayerischen Rundfunks, die Leitung hat Chefdirigent Ulf Schirmer.
Prinzregententheater München, 19:00 Uhr. Die Aufführung wird live übertragen auf BR-KLASSIK.

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