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Präsident der Münchner Musikhochschule zu Umgang mit Missbrauchsfällen "Wir wollen noch besser werden"

Es gibt einiges aufzuarbeiten an der Hochschule für Musik und Theater. Der ehemalige Präsident der Hochschule, Siegfried Mauser, wurde wegen sexueller Nötigung zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Außerdem wurde bekannt, dass die Hochschule Daten einer Umfrage zu sexuellem Missbrauch zurückgehalten hat. Der wiedergewählte Präsident Bernd Redmann will sich nun für einen neuen Umgang mit dem Thema einsetzen.

Hochschulpräsident der Hochschule für Musik und Theater Bernd Redmann | Bildquelle: Hochschule für Musik und Theater

Bildquelle: Hochschule für Musik und Theater

BR-KLASSIK: Herr Redmann, es sind bewegte Zeiten für die Musikhochschule. Welches Signal geht davon aus, dass Sie Ihr Amt weiterführen, während die Münchner Musikhochschule wegen der Missbrauchsfälle stark im Fokus der Medien ist?

Bernd Redmann: Es ist eine große Aufgabe, die vor mir steht. Sie ist verbunden mit großer Verantwortung für die Institution. Wir sind wirklich in einer sehr schwierigen Zeit nach der Medienberichterstattung und nach den Prozessen gegen meinen Vorgänger, eventuell gegen einen weiteren (vom Dienst suspendierten, Anm. d. Red.) Kompositionsprofessor. Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr daran gearbeitet, beim Thema "Schutz gegen Übergriffe“ besser zu werden und diese Arbeit möchte ich auch fortsetzen. Das ist ein persönliches Anliegen von mir.

BR-KLASSIK: Nun hat es auch aus den Reihen der Hochschulangehörigen Kritik gegeben und die Forderung, gerade jetzt bräuchte man mal jemanden, der von außen kommt, der frischen Wind reinbringt, vielleicht auch mal eine Präsidentin. Gehen Sie auf Ihre Kritiker zu?

Ich wehre mich gegen destruktive Kritik

Bernd Redmann: Ich kann verstehen, dass man solche Forderungen aufstellt oder auch Ideen einbringt. Ich bin immer offen für konstruktive Kritik und bin auch durchaus selbstkritisch bei diesem Thema oder auch, wie wir als Institution jetzt in den letzten zwei Jahren mit dem Thema umgegangen sind. Aber ich wehre mich gegen destruktive Kritik und die wurde auch geäußert.

BR-KLASSIK: Meinen Sie damit den Artikel von Professor Moritz Eggert?

Bernd Redmann: Ja, sehr dezidiert meine ich diesen Artikel, weil ich der Meinung bin, dass da viele Dinge drin sind, die einfach nicht stimmen. Da wird der Bereich zwischen Wahrheit und Unwahrheit wirklich ausgelotet. Wie die Richterin in dem letzten Verfahren, als Herr Eggert seine Aussage gemacht hat, gesagt hat, bewegt er sich immer am Rande einer Falschaussage und das kann ich in den Artikeln der letzten Wochen und Monate auch erkennen. Diese Kritik geht meines Erachtens auch stellenweise ins Demagogische.

Die Umfrage war nicht differenziert genug.

BR-KLASSIK: Nun hat es einen Punkt gegeben, der für sehr viel Verwunderung gesorgt hat. Die Musikhochschule hat eine Umfrage gemacht unter Hochschulangehörigen. da wurde gefragt, welche Erfahrungen zum Thema sexueller Missbrauch vorliegen. Es wurde versprochen, dass die Ergebnisse transparent gemacht werden. Aber die wurden dann nur in ganz kleinen und wenig aussagekräftigen Auszügen veröffentlicht. Ein Spiegel-Artikel hat Zahlen genannt, die auf dieser Umfrage beruhen. Sie haben sich dazu bisher noch nicht geäußert. Warum halten Sie diese offenbar sehr brisanten Dinge bislang unter Verschluss?

Bernd Redmann: Dazu möchte ich zunächst sagen, dass diese Umfrage, wenn man so möchte, ein Vorreiter-Projekt ist. Meines Wissens sind wir die erste einzelne Hochschule in Deutschland, die so eine Umfrage überhaupt gemacht hat. Das Ziel der Umfrage war, die Erfahrung der Hochschulangehörigen bei diesem Thema abzufragen um zu sehen, wie der Stand der Dinge ist und aus den Umfrageergebnissen dann zu überlegen, wie wir unsere Strukturen verbessern können. Das hat auch funktioniert: Eine interne Arbeitsgruppe hat die Umfrage vorbereitet, hat dann auch die Umfrageergebnisse ausgewertet und damit gearbeitet. Wir hatten eine kritische Nachfrage vom Landesdatenschutzbeauftragten und mussten auch noch mal nacharbeiten. Und er hat uns auch darauf aufmerksam gemacht, dass das sehr sensible Daten sind,  die wir nicht einfach nach außen tragen können.

BR-KLASSIK: Sie hätten nicht das Recht gehabt, die zu veröffentlichen?

Bernd Redmann: Die Umfrage war von ihrer Fragestellung her nicht differenziert genug. Aus heutiger Sicht würde ich sagen: wir haben nicht klar differenziert, ob diese Vorkommnisse im Hochschulbereich stattgefunden haben oder im privaten Bereich. Ebenso bei der Zeitachse: Waren die Vorkommnisse aktuell oder liegen sie Jahre zurück? Waren Hochschulangehörige beteiligt oder nicht? Die Umfrage war anonymisiert, das heißt, da kamen letztendlich statistische Ergebnisse heraus. Was wir nicht gut gemacht haben: Wir haben uns vorher nicht überlegt, wie wir die Ergebnisse kommunizieren. Das ist ein Versäumnis gewesen. Man muss solche Ergebnisse interpretieren können und dazu braucht man einen ziemlich differenzierten Hintergrund, das weiß man aus den Sozialwissenschaften. Das haben wir in der Arbeitsgruppe ansatzweise geleistet. Aber das nach außen zu tragen mit allem, was dazu gehört, wäre eben eine große Aufgabe gewesen. Es ist uns klar geworden, dass wir das nicht geschafft hätten, deswegen haben wir die Ergebnisse auch nicht nach außen kommuniziert.

BR-KLASSIK: Das wird aber möglicherweise jetzt wieder zu einem gewissen Vertrauensverlust führen -  damit müssen Sie jetzt umgehen.

Bernd Redmann: Jedenfalls hat ja der Spiegel-Artikel die Umfrageergebnisse unkommentiert nach außen gespült. Für uns ist natürlich das Problem des Vertrauensverlustes, dass wir keine sachgemäße Interpretation leisten konnten.

Wir nehmen diese Zahlen sehr ernst.

BR-KLASSIK: Im Rückblick gesehen: Wenn Sie offensiv gewesen wären, wäre es besser gewesen?

Bernd Redmann: Möglicherweise ist das richtig, ja.

BR-KLASSIK: Der Spiegel schreibt, acht Personen hätten ausgesagt, zu sexuellen Handlungen gezwungen worden zu sein, und sieben seien von ihrem Gegenüber Nachteile angedroht worden, weil sie einen Annäherungsversuch abgelehnt hätten. Haben Sie diese Zahlen erschreckt?

Bernd Redmann: Wenn ich das jetzt für unsere Institution so sehe, natürlich schon. Wir nehmen diese Zahlen sehr ernst und versuchen, damit auch zu arbeiten und darauf zu reagieren. Aber man kann eben keine einzelnen Ereignisse damit aufklären. Das war von Anfang an auch nicht der Ansatz der Umfrage. Die Ergebnisse sind einfach statistisch anonymisiert. Ich will allerdings sagen: bei den wenigen vergleichbaren Umfragen, die es gegeben hat, sind auch vergleichbare Ergebnisse herausgekommen. Von daher denke ich, dass das eine Problematik ist, die eigentlich in allen Institutionen vorliegt und ernst zu nehmen ist. Ich kann jetzt nur für meine Institution sprechen: wir nehmen diese Ergebnisse als Ansporn uns auch als Aufgabe, um hier einfach besser zu werden mit dem Ziel, letztendlich Vorreiter zu werden in diesem Bereich.

Ich hoffe auf Ergebnisse, die uns zu dem Ziel näherbringen, noch besser zu werden.

BR-KLASSIK: Die Kultusministerin Marion Kiechle hat am Tag Ihrer Wiederwahl die Einsetzung einer externen Kommission bekannt gegeben, die Strukturen an der Hochschule daraufhin überprüfen soll. Offensichtlich ist es doch gut, wenn mal jemand von außen schaut?

Bernd Redmann: So ein Audit von außen anzustreben, war ja nach dem Spiegel-Artikel unmittelbar auch die Ankündigung der Hochschule. Diesen Wunsch hat die Ministerin aufgegriffen und eine Kommission eingesetzt. Wir freuen uns darüber, denn wir wollen ja auch wissen, wie wir in unserer Arbeit hier noch besser werden können und welche Vorschläge und welche Möglichkeiten es gibt, wenn Expertinnen und ein Experte da noch drauf schauen. Wir haben einen Selbstbericht abgegeben, der den Sachstand und alle Maßnahmen, die wir jetzt in den letzten Jahren eingeleitet haben umfasst. Das ist eine gute Arbeitsgrundlage und ich hoffe auf Ergebnisse, die uns zu dem Ziel näherbringen, noch besser zu werden.

BR-KLASSIK: Nehmen wir mal ein Beispiel: Es hat einen Annäherungsversuch gegeben, ein Lehrer hat sich einem Student oder einer Studentin irgendwie genähert. Der oder die fand das unangenehm, wechselt die Klasse - das ist ja möglich - aber dann, in der Prüfung, sitzt jener Zurückgewiesene plötzlich wieder in der Kommission und hat Macht. Dieses Machtgefälle ist ja das Problem. Wie geht ein Student damit um?

Bernd Redmann: Die Voraussetzung, um hier einzuschreiten und Machtmissbrauch zu verhindern, ist natürlich, dass die Hochschule davon Kenntnis hat. Wir haben diverse Anlaufstellen, die bereit sind, vertrauliche Gespräche zu führen. Wenn der Studierende oder die Studierende bereit ist, das der Hochschulleitung mitzuteilen, dann wird die Hochschulleitung dafür sorgen, dass es keine Konstellation in einer Prüfung gibt, die für den Studierenden ungünstig ist. Wir werden Studierende da vor drohenden Nachteilen schützen.

BR-KLASSIK: Hat sich da was geändert in der letzten Zeit? Wollen Sie da noch konkret Regularien ändern? Denn das Problem ist ja: Die Studentinnen und Studenten fühlen sich machtlos.

Bernd Redmann: Es ist eigentlich ein Kommunikationsproblem. Wir wollen den Studierenden das immer mit auf den Weg geben, insbesondere auch den neuen Studierenden: Wenn irgendetwas vorfällt, sollten sie sich beraten lassen, dass dann auch der Hochschulleitung mitteilen und die wird sich dann wirklich auf ihre Seite stellen und entsprechende Maßnahmen einleiten. Das ist für mich eine langfristige Aufgabe.

Sendung: "Leporello" am 05. Juli 2018 ab 16:05 in BR-KLASSIK

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