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Kinderoper "Bösemann" in München Wenn der Vater wütend zuschlägt

Ein Kind, das Zuhause Gewalt erfährt. Mit diesem Thema setzt sich die Kinderoper "Bösemann" auseinander, die jetzt im "Schwere Reiter" in München Premiere feiert. Ein einstündiges Opernerlebnis mit zeitgenössischer Musik, Puppenspiel und Gesang.

Bösemann | Bildquelle: Jan Klein

Bildquelle: Jan Klein

Kinderoper "Bösemann" in München

Wenn der Vater wütend zuschlägt

Die Welt von Klein ist – klein. Klein, so heißt die Hauptfigur der Kinderoper "Bösemann". Ein kleiner Junge, der in einem engen Zimmer lebt – auf der Bühne dargestellt als kleiner Guckkasten aus Stoff. Dieses Eingesperrtsein, dieses Kleinmachen und Kleingemachtwerden, dieses Ausgeliefertsein geht unter die Haut. Klein, der Junge, ist eine Puppe, gespielt und gesprochen von Aniek Vetter. Sie steht da, im hellbeigen Overall, und verschmilzt geradezu mit der Puppe. "Wie bei einem Menschen muss man sich erst kennenlernen, auch den Rhythmus kennenlernen: Was lebt in der Puppe und was muss man nur noch rauskitzeln", so Aniek Vetter.

Der Vater zerstört die Familie durch seine Wutausbrüche

Scheinbar ist alles in Ordnung bei Kleins Familie. Die Mutter liebt das Kind, der Vater auch. Er macht Geschenke, spielt mit dem Sohn, und auch der Sohn liebt seinen Vater. Das Spannende in der Oper des isländisch-deutschen Komponisten Steingrimur Rohloff: Der Darsteller des Vaters, in München Ansgar Theis, singt auch den Sohn als Erwachsenen. Dadurch bekommt das Stück eine Meta-Ebene. Denn der Vater zerstört die Familie durch seine Wutausbrüche: Er schlägt zu, wird zum "Bösemann", wie es sich Klein in seiner kindlichen Fantasie erklärt.

Wenn Papa wütend wird und zuschlägt, so tut es ihm nachher leid. Und auch die Ehefrau verzeiht ihm dann. Nicht so Klein. Das Kind will fliehen, schafft es – das kleine Zimmer wird hoch gezogen. Freiheit? Hilfe? Auf was wird Klein jetzt stoßen? Auf einen, der ihm zuhören kann. Ein niedlicher kleiner Hund, eine Handpuppe, gespielt von Sängerin Annette Schönmüller. Sie haucht dem wuscheligen Tier soviel Leben ein, dass es aussieht wie echt. Dabei macht die Mezzosopranistin das zum ersten Mal. "Es ist wie bei vielem im Leben", sagt sie. "Learning by Doing. Wir haben dann auch schnell festgestellt, dass der Schwanz wichtig ist. Und das Bellen."

Zeitgenössische Musik und Klangspiele aus Schlüsseln

Moderne Musik in der Oper sei perfekt für die Zielgruppe, fügt Schönmüller hinzu. "Ich glaube, dass Kinder weniger bis keine Hemmschwellen zu überwinden haben in punkto zeitgenössischer Musik. Das stellt man immer wieder mit Freude fest."

Musikalisch ist die Kinderoper reduziert – Schlagwerk und Cello. Katerina Giannitsioty und Mathias Lachenmayr vom Ensemble "der/gelbe/klang" untermalen Stimmungen auch mit besonderen Instrumenten: ein selbstgebautes Klangspiel aus Schlüsseln, ein anderes aus Schrauben.

Kinderoper "Bösemann" in München

Die Kinderoper "Bösemann" wird vom 8. bis 11. Februar im Kulturzentrum "Schwere Reiter" in München aufgeführt. Musik: Steingrimur Rohloff, Libretto: Jesper B. Karlsen. Am 8. und 9. Februar 2024 finden Schulvorstellungen statt. Am 10. und 11. Februar gibt es Familienvorstellungen. Weitere Infos zu den einzelnen Aufführungen finden Sie hier.

Die Geschichte geht am Ende gut aus. Das sei hier versprochen. Im wirklichen Leben ist es ja leider nicht immer so. Nicht jedes Kind, das häusliche Gewalt erfährt, bekommt Hilfe. Die Dunkelziffer ist hoch. Laut des Statistischen Bundesamts gab es 2022 in Deutschland über 62.000 Kindeswohlgefährdungen. 4% mehr als im Vorjahr. Die Zahlen für 2023 sind noch nicht veröffentlicht. Insgesamt gab es im Jahr 2022 in Deutschland mehr als 160.000 gewalttätige Übergriffe in den eigenen vier Wänden. Rund 80 Prozent der Opfer waren Frauen.

Eine Kinderoper über Einsamkeit und häusliche Gewalt

Puppe aus "Bösemann" | Bildquelle: Jan Klein Der Junge namens Klein wird in der Oper "Bösemann" von einer Puppe dargestellt. | Bildquelle: Jan Klein Die dänische Regisseurin Marianne Klausen hat das Stück und auch das Kinderbuch in Dänemark gesehen und wusste: Sie will diese Kinderoper nach Deutschland bringen. Ein Stück mit doppelter Überhöhung, wie sie sagt: Operngesang und Puppenspiel. "Ich finde die Zusammensetzung genial. Libretto und Buch sprechen mich selbst an, da ist viel Einsamkeit, häusliche Gewalt, aber auch die Frage: Wie geht es Kindern sonst? Die Oper ist so groß, und der Junge ist so klein. Da haben wir das Setting, wie es oft ist, Kind zu sein."

Während der Produktion hat sich das Team auch von Sozialverbänden zum Thema "Häusliche Gewalt" beraten lassen. Bei den Vorstellungen ist jemand vor Ort, falls das Stück Erfahrungen triggert und ein Kind oder auch ein Erwachsener eine Beratung braucht. Ein einstündiges Opernerlebnis mit Schwere, aber auch viel Klang und Hoffnung.

Sendung: "Allegro" am 8. Februar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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