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Caravaggio-Ausstellung in München Gemälde zum Hören

Die Bilder von Michelangelo Merisi – besser bekannt als Caravaggio – zeigen stimmungsvolle Szenen zwischen Schatten und Licht: Ob ausgelassenes Saufgelage oder Christus am Kreuz. In der Ausstellung "Utrecht, Caravaggio und Europa" stellt die Alte Pinakothek in München Caravaggio seinen Nachfolgern gegenüber. Mit einem Audioguide können sich die Besucher Vertonungen der Malereien anhören. Studierende der Münchner Musikhochschule haben die Stücke komponiert.

Bilder aus der Ausstellung "Utrecht, Caravaggio und Europa" in der Alten Pinakothek in München. | Bildquelle: © Centraal Museum, Utrecht / Tom Haartsen

Bildquelle: © Centraal Museum, Utrecht / Tom Haartsen

Auf auberginefarbenen Wänden hängen sie: Werke von Caravaggio und seiner geistigen Nachfolger, der Utrechter Caravaggisti. Viele Künstler haben sich an dem italienischen Maler des Frühbarocks orientiert, der als Meister des Chiaroscuro, der Hell-Dunkel-Malerei, gilt. Es sind beeindruckende Gemälde, die die Alte Pinakothek in München ausstellt. Das zeigt sich schon im ersten, nur spärlich beleuchteten Raum mit der Kreuzigung Petri: Kopfüber hängt dort der Apostel, bereits an der Hand festgenagelt, während einige Schergen das Kreuz aufrichten. Eine dramatische Szene, die noch plastischer wird, sobald man die passende Ziffer in den Audioguide zur Ausstellung tippt.

Hier gibt es eine Bildergalerie der Ausstellung.

Unterschiedliche Perspektiven auf Caravaggio

Bilder aus der Ausstellung "Utrecht, Caravaggio und Europa" in der Alten Pinakothek in München. | Bildquelle: © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders Gerard van Honthorst (1592–1656): Die Befreiung Petri, ca. 1618 | Bildquelle: © Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie / Jörg P. Anders Dunkel kommen dann tief-brummende Klaviertöne aus den Kopfhörern, immer wieder unterbrochen vom hellen Klang gezupfter Saiten. Die Musik zum Bild von Gerard van Honthorst kommt von Arsen Babajanyan. Er studiert Komposition bei Jan-Müller Wieland an der Musikhochschule München. Dessen Kompositionsklasse hat zu allen 75 Werken der Ausstellung Musikstücke komponiert, Babajanyans Kommilitonin Rouxing Gao hat etwa die Befreiung Petri vertont. Die meisten Stücke sind für das Klavier geschrieben, sonst aber unterscheiden sie sich stark: Mal sind sie experimentell, mal tonmalerisch, mal fast filmmusikalisch.


Dieser musikalische Audioguide bringt an mancher Stelle mehrere musikalische Interpretationen des gleichen Sujets – etwa zu "David und Goliath" oder der Grablegung Christi. Denn die Pinakothek hat die Bilder der Ausstellung thematisch gruppiert, das gleiche Motiv ist dann nebeneinander in mehrfacher Interpretation zu sehen. Das zeigt Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede. Denn die Caravaggisten aus den Niederlanden kopierten ihr Vorbild nicht einfach, sondern brachten ihren eigenen kulturellen Hintergrund ein: "Diese Jungs waren noch keine 20 Jahre alt, als sie nach Italien und Rom gegangen sind. Das war eine ganz andere Welt für sie", sagt Bernd Ebert, der Kurator der Ausstellung.

Als ich die Werke gehört habe, war ich schon nach vier Stücken so bewegt, dass ich kaum weiterhören konnte.
Bernd Ebert

Bilder aus der Ausstellung "Utrecht, Caravaggio und Europa" in der Alten Pinakothek in München. | Bildquelle: Margarita Platis Kurator Bernd Ebert mit "Die Befreiung Petri" | Bildquelle: Margarita Platis Die Erfahrung in ein fremdes Land zu gehen, verbindet die Caravaggisti mit den Münchner Kompositionsstudenten von heute. Die kommen nämlich nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus China, Armenien oder Russland. "Sie haben natürlich fern der Heimat auch ganz eigene Perspektiven und Emotionen auf das Leben in der Fremde. Das war die beste Voraussetzung dafür, sich auch diesen Bildern zu nähern", sagt Ebert. So war es auch der Wunsch der Pinakothek, dass die Komponistinnen und Komponisten ihre eigene Perspektive auf die Bilder einbringen.

Komponistinnen fügen ihre Meinung hinzu

Ruoxing Gao ist eine dieser Studentinnen. Sie hat sieben Werke der Caravaggisti vertont, den "Ungläubigen Thomas" von Hendrick ter Brugghen oder den "Lautenspieler" von Dirck van Baburen. Einen Zugang zu dieser fremden, alten Kunst zu bekommen, sei am Anfang nicht so einfach gewesen. "Wir haben viel diskutiert, was die Inhalte sind und über die Geschichte gesprochen und jetzt kann ich meine Meinung hinzufügen", sagt Gao.

Dass die meisten Stücke kaum länger als eine Minute sind, sei eine besondere Herausforderung gewesen, sagt Gao. "Es ist ein bisschen schwierig, kleine Stücke zu komponieren. Bei langen Stücken kann ich viel Material hinzufügen. Aber hier muss ich eine gute Idee benutzen und den Rest dem Publikum überlassen."

Die Musik verhindert eine zu flüchtige Betrachtung

Eine gute Minute, das erscheint kurz. Die Zeit ist aber doch so lang, dass sie dazu zwingt, die Bilder genauer anzusehen: Die ausdrucksstarke Mimik, die scharfen Kontraste und auch Details wie klaffende Wunden und dreckige Fußsohlen. Die Musik verhindert aber nicht nur flüchtiges Vorbeigehen, sie deutet auch die Bilder, kommentiert sie – und lässt den Zuhörer kurz die Menschentrauben vor den Gemälden vergessen. Schon deshalb sollte es so einen musikalischen Audioguide öfter geben.

Info

"Utrecht, Caravaggio und Europa"
Alte Pinakothek München
17. April bis 21. Juli 2019
Di.–Mi. 10–21 Uhr, Do.-So. 10–18 Uhr
Eintritt: 12 Euro, ermäßigt 9 Euro
Audioguide: 4 Euro
www.pinakothek.de/caravaggisti

Sendung: "Leporello" am 24. April 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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