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Konzert "Jiddische Weihnacht" in München Weihnachtslieder im Klezmersound

Im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts war es für viele Juden selbstverständlich, das deutsche "Volksfest" Weihnachten mitzufeiern – neben dem jüdischen Chanukka-Fest. Von dieser Vermischung der Kulturen erzählt der musikalisch-literarische Abend "Jiddische Weihnacht" am 7. Dezember im Münchner Prinzregententheater. Die jüdische Sängerin und Schauspielerin Nirit Sommerfeld begibt sich dabei auch auf Spurensuche in ihrer eigenen Familiengeschichte.

Christbaumschmuck | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Als Nirit Sommerfelds Großvater noch lebte, gehörte das Weihnachtsfest neben Chanukka zu ihrem Familienleben dazu. "Tatsächlich hat man Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in assimilierten jüdischen Häusern einen Weihnachtsbaum aufgestellt und sich einen Spaß daraus gemacht, ihn mit Kugeln zu schmücken, auf denen Davidssterne zu sehen waren", erzählt die Schauspielerin und Sängerin im Interview mit BR-KLASSIK. Anschließend wurde eine Weihnachtsgans oder "Gefilte Fisch" serviert.

Familientradition zwischen Chanukka und Weihnachten

Nirit Sommerfeld | Bildquelle: Sandra Mohr Die jüdische Schauspielerin Nirit Sommerfeld möchte mit ihrem Konzert "Jiddische Weihnacht" ein Zeichen der Verständigung setzen. | Bildquelle: Sandra Mohr Auch traditionelle deutsche Weihnachtslieder hat Familie Sommerfeld wohl gesungen. Viele jüdische Familien, die nicht religiös waren, feierten neben dem jüdischen achttägigen Lichterfest Chanukka das deutsche "Volksfest" Weihnachten einfach mit. Einige machten aus beiden Festen gar ein "Weihnukka".

Nirit Sommerfeld wiederum hat ihre Kindheit in Israel verbracht und ist dort mit der Chanukka-Tradition groß geworden. Über die Vermischung der jüdischen und christlichen Bräuche in ihrer eigenen Familiengeschichte wollte die Künstlerin mehr herausfinden. Doch Einzelheiten aus erster Hand zu erfahren war schwierig: Ihr Großvater Julius Sommerfeld, ein erfolgreicher Tuchhändler aus Chemnitz, wurde 1940 im Konzentrationslager Sachsenhausen erhängt. Ihr Vater konnte nach Palästina fliehen und kam erst in den 1970er Jahren nach Deutschland zurück. Von ihm hat Nirit Sommerfeld die traditionellen deutschen Weihnachtslieder gelernt.

Texte von Anne Frank bis Erich Mühsam

Wie das "Jiddische Weihnachten" zur Zeit ihres Großvaters geklungen haben könnte, zeigt Nirit Sommerfeld am 7. Dezember im Münchner Prinzregententheater, gemeinsam mit ihrem Orchester Shlomo Geistreich und dem Schauspieler Helmut Becker. Anlass ist das Festjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". Das Konzert soll eine "musikalisch-literarische Reise" sein, die in den 1920er Jahren in Deutschland beginnt und bis nach Israel führt. Helmut Becker liest Texte von Ota Pavel über Anne Frank bis Erich Mühsam. Dazu erklingen Lieder aus dem Shtetl und auch das ein oder andere Weihnachtslied im Klezmersound.

Ein Zeichen für Toleranz und Frieden

"Vom Brückenbauen und Weitermachen", so lautet der Untertitel des Konzerts. Denn Nirit Sommerfeld will mit den Liedern und Geschichten ein Zeichen setzen: für Verständigung zwischen den Kulturen, für Toleranz und Frieden.

Sendung: "Leporello" am 6. Dezember 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Donnerstag, 09.Dezember, 08:43 Uhr

Susanne Reber

Weihnukka

Weihnukka war für viele jüdische Deutsche etwas Selbstverständliches, wie es auch der jüdische Autor Werner Frank in seinem Buch "Judenhaus - Small Ghetto at Grosse Merzelstraße 7" , S. 151, beschreibt: "Am Weihnachtstag 1940 sandte Johanna Geißmar einen Brief an die "Liebe 2"[gemeint sind ihr Bruder Jakob Geißmar, (1868-1943) und dessen Frau Elisabeth, geb. Hirsch (1880-1944), Anm. S.R.]. Sie begann ihren Brief mit der Beschreibung von zwei Päckchen, die sie am 23. und 24. Dezember erhalten hatte...Sie fährt fort, dass "das Schönste von allem war, daß ich Eure Schrift wiedergesehen habe, allerdings nur auf der Adresse." Dieser Brief, den sie abschnittsweise in den folgenden Tagen weiterschrieb, erzählte von den Lebensbedingungen im Lager [Gurs] als Chanukka und Weihnachten am selben Tag begannen [24.12.40-01.01.41]. Kerzen wurden entzündet, um beide Feste feierlich zu begehen und in einer Baracke gab es sogar einen kleinen Christbaum." Übersetzung Susanne Reber

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