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Gottfried von Einems "Dantons Tod" in München Gefechtslärm der Geschichte

Der junge Gottfried von Einem, einst selbst Hitler-Anhänger, begeisterte mit dieser aufrüttelnden Oper gegen Diktatur und verblendete Schreihälse 1947 die Salzburger Festspiele. Günter Krämer inszenierte am Münchner Gärtnerplatztheater beklemmend aktuell. Am 11. Oktober war Premiere.

Szenenbild der Oper "Dantons Tod" Gärtnerplatztheater | Bildquelle: © Christian POGO Zach

Bildquelle: © Christian POGO Zach

Nachtkritik

"Dantons Tod" am Münchner Gärtnerplatztheater

Es wird viel gebrüllt in dieser Oper, eigentlich nur gebrüllt, als ob alle Beteiligten gegen den ohrenbetäubenden Lärm der Geschichte ansingen. Tatsächlich begann der junge Komponist Gottfried von Einem sein Werk unmittelbar nach dem Attentat auf Hitler im Sommer 1944. Fertiggestellt wurde "Dantons Tod" dann während der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, zwei Jahre später. Erst interessierte sich der "Großdeutsche Rundfunk" der Nazis für diesen Stoff, der an der Semperoper in Dresden auf die Bühne kommen sollte, dann war die Uraufführung schließlich im Sommer 1947 bei den Salzburger Festspielen, die damals noch mitten in Elend und Not stattfanden. In der Stadt gab es genauso viele Flüchtlinge wie Einwohner, alle waren sie Überlebende. Deshalb traf Gottfried von Einem den Nerv der Zeit, denn in dieser knapp zweistündigen Oper geht es, wie der Titel schon sagt, nicht um Revolution und Fortschritt, nicht um Politik und Utopien, sondern ums Sterben, Leiden, Todesangst und Verzweiflung.

Ordnung mit dem Rasiermesser

Szenenbild der Oper "Dantons Tod" Gärtnerplatztheater | Bildquelle: © Christian POGO Zach Bildquelle: © Christian POGO Zach "Dantons Tod" ist so unausweichlich wie absehbar, das Mahlwerk der Geschichte nicht aufzuhalten, das Geschrei des Volkes unbarmherzig, jede Verteidigungsrede so aussichtslos wie vor dem Volksgerichtshof der Nazis. Eine düstere Oper für eine grauenhafte Zeit. Und so, wie Regisseur Günter Krämer sie auf die Bühne des Gärtnerplatztheaters gebracht hat, beklemmend aktuell. Ein schwarzer Mob tobt auf den Straßen, schwarz die Sonne darüber, schwarz die Fahnen: Ist ja völlig egal, unter welchen Farben diese Meute unterwegs ist. Sie ist enthemmt, hasserfüllt und will den Mann mit dem Schnupftuch aufhängen, einfach deshalb, weil er anders ist, womöglich Adeliger. Robespierre geht dazwischen, sieht mit seinem akkuraten weißen Hemd und der Krawatte aus wie ein Mormone. Die Tugend selbst, und immer bereit, mit dem Rasiermesser für Ordnung im Land zu sorgen. Danton und seine Freunde, selbst Revolutionäre, ekeln sich vor dieser Art Heuchelei und enden dafür auf dem Schafott, heulend und wimmernd, umkreischt von den Massen. Aus der Revolution wurde Diktatur, und niemand konnte (und wollte) sie aufhalten.

Bei Büchners Text tränen die Augen

Günter Krämer und sein Ausstatter Herbert Schäfer zeigten das alles als eisige Versuchsanordnung im Stil von Bertolt Brecht, nur ohne Gardine, dafür mit Gaze-Vorhang. Auf der Bühne dreht sich eine Leuchtwand wie im Fußballstadion, blendend hell die Buchstaben darauf, geradezu gleißend der Text von Georg Büchner, bis die Augen tränen. Davor ein langer Tisch, an dem gefeiert, gehurt, gerichtet und gemordet wird. Die Angeklagten sämtlich in Unterhosen, dicht aneinandergedrängt, zitternd vor Angst. Der Ankläger in roter Robe mit einem Stapel Akten. Ein Bürokrat an der Todesmaschine. Harte, unerbittliche, niemals peinliche Bilder für eine nervenaufreibende Leichenschau im Seziersaal des 20. Jahrhunderts. Lernen lässt sich aus "Dantons Tod" nichts, denn Gottfried von Einem nimmt erklärtermaßen keine Stellung, moralisiert nicht, das war 1947 nicht mehr "in Mode". Er selbst war erst begeisterter Hitler-Fan, dann angepasster Mitläufer, schließlich österreichischer Pessimist. Und vom früh verstorbenen Textdichter Georg Büchner lässt sich auch nicht gerade behaupten, dass er Zuversicht verbreitete.

Akustisches Tollhaus

Szenenbild der Oper "Dantons Tod" Gärtnerplatztheater | Bildquelle: © Christian POGO Zach Bildquelle: © Christian POGO Zach Musikalisch hat diese Oper also beißende Schärfe verdient, und dafür sorgte Dirigent Anthony Bramall, vor allem nach der Pause, in der großen Gerichtsszene. Der im Saal verteilte, bestens geprobte Chor hatte hier jede Menge zu tun und krakeelte tatsächlich so authentisch wie seinerzeit womöglich die Mitglieder des Pariser Konvents. Ein akustisches Tollhaus, was hier uneingeschränkt als Lob zu verstehen ist! Mathias Hausmann in der Hauptrolle des Danton und Daniel Prohaska als Gegenspieler Robesspierre waren von ätzender Leidenschaft getrieben, Alexandros Tsilogiannis als sensibler Camille Desmoulins hätte noch etwas intensiver spielen, Levente Páll als intriganter Saint-Just martialischer auftreten können. Insgesamt freilich eine in jeder Hinsicht überzeugende Ehrung zu Gottfried von Einems 100. Geburtstag, und eine lärmende Warnung davor, die Geschichte aus den Augen zu lassen.

Gottfried von Einems Revolutionsoper am Münchner Gärtnerplatztheater

"Dantons Tod"
Oper
Musik von Gottfried von Einem
Libretto frei nach Georg Büchner eingerichtet von Boris Blacher und Gottfried von Einem

München, Gärtnerplatztheater

Informationen zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters.

Sendung: "Allegro" am 12. Oktober 2018 ab 06:05 auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Sonntag, 14.Oktober, 00:03 Uhr

Reinhold Mahler

Danton Tod

Schade, dass ich nicht mehr in Muenchen lebe. Diese Krämer Inszenierung hätte ich mir nicht entgehen lassen!

Samstag, 13.Oktober, 12:49 Uhr

Gerhard Schneider

Kritik Dantons Tod

Lernen lässt sich aus "Dantons Tod" nichts, denn Gottfried von Einem nimmt erklärtermaßen keine Stellung, moralisiert nicht, das war 1947 nicht mehr "in Mode".
Aber gerade deswegen kann man ja was lernen.Und wenn es "nur" denken lernen ist

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