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Kritik - Prokofjews "Der Spieler" an der Wiener Staatsoper Gier nach Geld und Liebe

Mitten im Ersten Weltkrieg schrieb Sergej Prokofjew seine Oper nach Dostojewskis Roman "Der Spieler". Die Uraufführung musste allerdings bis 1929 auf sich warten lassen, denn sowohl der Krieg als auch Prokofjews radikaler Bruch mit der traditionellen Form der russischen Oper machten es dem Werk nicht leicht. An der Wiener Staatsoper feierte "Der Spieler" am 4. Oktober unter der musikalischen Leitung von Simone Young Premiere. Franziska Stürz erlebte einen ebenso packenden wie aufreibenden Opernabend.

Misha Didyk als Alexej | Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Die Kritik zum Anhören

Mit einer großen Eruption aus dem Orchestergraben beginnt Prokofjews "Der Spieler", und über zwei Stunden wird man von der pulsierenden, malmenden Musik in einen emotionalen Strudel aus Ängsten, Hoffnungen und Besessenheit mitgerissen. Albtraumhaft sind die Szenen dieser Oper um den spielsüchtigen Alexej, der in Polina verliebt ist. Die Gesellschaft um ihn herum besteht aus undurchsichtigen Charakteren, die sich alle ebenfalls entweder nach Geld oder Liebe oder beidem sehnen. Verletzte Ehre treibt in dieser Welt Männer wie Frauen an, und alle sind irgendwie miteinander verbunden. Darum konzentriert sich Regisseurin Karoline Gruber auf das Ringelspiel als symbolischen Ort des Geschehens.

Die Inszenierung in Bildern

Ringelspiel ist der österreichische Begriff für Karussell, und die Drehbühne der Wiener Staatsoper ist ordentlich in Bewegung an diesem Abend. Schwarze Türen öffnen den Blick in das Unterbewusstsein und die Gesichter der Darsteller verzerren sich wie auf Gemälden von Francis Bacon oder in Horror-Videoclips.

Misha Didyk als Alexej, Elena Guseva als Polina | Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn Misha Didyk als Alexej, Elena Guseva als Polina | Bildquelle: Wiener Staatsoper GmbH / Michael Pöhn

Prokofjews "Der Spieler" verlangt vom Publikum höchste Konzentration: Text und Musik kommen in enormer Dichte und teilweise nur fragmentarisch auf einen zu. Wer des Russischen mächtig ist und nicht die Übertitel mitlesen muss, hat hier einen klaren Vorteil.
Simone Young kostet die Wildheit und das Sprunghafte der Komposition in vollen Zügen aus, lässt das Wiener Staatsopernorchester sich beinahe überschlagen, um dann in fahlem Klang der Seelenqual Ausdruck zu geben. Misha Didyk als Alexej meistert die konditionelle Höchstleistung bravourös; seine angebetete Polina ist Hausdebütantin Elena Guseva mit herrlich strahlendem, vollem Sopran. Linda Watson glänzt mit ihrem dramatischen Sopran als reiche Großtante und der junge ukrainische Bass Dmitry Ulyanov kann als unglücklich verliebter General ein beachtliches Debüt feiern.

Tödliches Roulette-Spiel

Regisseurin Karoline Gruber spitzt das Ende der Oper noch weiter zu, als Prokofjew es ohnehin schon in seiner Bearbeitung von Dostojewskis Vorlage getan hat: Im letzten Akt mutiert Alexej beim Roulette-Spiel immer mehr zu einem zombieartigen Monster mit großer Greifkralle. Als er Polina trotz seiner Glückssträhne nicht mit Geld für sich gewinnen kann, endet diese Wiener Version für Polina tödlich. Ein packender, aufreibend-faszinierenderer Opernabend.

Prokofjews "Der Spieler" an der Wiener Staatsoper

Premiere: 4. Oktober 2017

Dirigentin: Simone Young
Regie: Karoline Gruber
Bühnenbild: Roy Spahn

Weitere Termine und Infos zum Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Wiener Staatsoper.

Sendung: "Allegro" am 5. Oktober 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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