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Kritik – "Die Kritischen Torschlussjahre" Singen gegen die Einsamkeit in Eggenfelden

Um die vierzig wird die Verzweiflung groß bei mancher Single-Frau, zumal befreundete Paare mit ihrem Baby- und Eigenheim-Glück protzen. Doch was hilft wirklich gegen das Alleinsein? Ein Mono-Musical in Eggenfelden gibt einige Tipps fürs Sitzkissen.

Yvonne Köster in "Die kritischen Torschlussjahre" in Eggenfelden | Bildquelle: © Sebastian Hoffmann/Theater an der Rott

Bildquelle: © Sebastian Hoffmann/Theater an der Rott

Gegen Einsamkeit hilft weder das Abreagieren am Baseballschläger, noch Weintrauben und Blumen, und sogar der Mond kann da nicht viel ausrichten. Gut, es bleibt die Freude, jede Nacht das ganze Bett beanspruchen zu können und niemals über schlechte Witze lachen zu müssen. Aber insgesamt ist das Single-Dasein eben doch ziemlich fade, jedenfalls für paarungswillige Menschen in der Mitte des Lebens.

Und deshalb hat die australische Komponistin und Jazz-Sängerin Laine Loxlea-Danann ("Miss Laine") darüber ein 70-minütiges Musical geschrieben – zwölf Songs über die Sehnsucht nach Männern, über nervige, angeberische Jungverliebte, über Beziehungstipps, Entspannungsübungen und Dating-Wahnsinn, über teure Verlobungsringe und den Traum von Eigenheim und Familie. Alles eher ironische als bittersüße Nummern, und die Romantik kommt dabei ganz schlecht weg, vor allem die zuckrige, die der Disney-Konzern regelmäßig über das Publikum ergießt.

Satirischer Abend über die Suche nach dem Partner-Glück

Dean Wilmington, der musikalische Leiter am Theater an der Rott im niederbayerischen Eggenfelden, war vor drei Jahren in Australien unterwegs, kurz vor der Pandemie. Dabei traf er die mit ihm befreundete Komponistin Laine Loxlea-Danann. Jeder erzählte sein Leben, und das Alleinsein wurde dabei nicht ausgespart. "Dieses Thema wird meines Wissens sehr wenig bearbeitet oder angesprochen und ist extrem aktuell, vor allem im künstlerischen Bereich", sagt Wilmington. Viele Frauen und Männer in der Branche stünden mit vierzig oder fünfzig alleine da und müssten damit klarkommen, dass das auch so bleiben wird.

Also holte Dean Wilmington das "Mono-Musical" für eine Frau kurz entschlossen nach Eggenfelden. Die Texte wurden übersetzt, der Stoff musikalisch bearbeitet, verbindende Moderationen entstanden – und heraus kam mit "Die kritischen Torschlussjahre" ein überhaupt nicht schwermütiger und trister, sondern eher beschwingter und satirischer Abend über Menschen auf der Suche nach dem Partner-Glück.

Ein "Mono-Musical" – allein auf der Bühne

Mit Yvonne Köstler steht eine Frau auf der Bühne, die nun wirklich unübersehbar ist, nicht nur wegen ihrer Körperfülle, sondern auch wegen ihrer Stimme. Und weil Bühnenbildnerin Julia Krawczynski und Regisseurin Marianne Kjaer Klausen sie ganz in altrosa Seide kleideten, wirkte das wie ein Ausrufezeichen: Seht her, geht bloß nicht eurer eigenen Sentimentalität auf den Leim, sondern fordert selbstbewusst euren Teil vom Leben. Ein riesiges Sitzkissen dominiert die Bühne, ebenfalls in gedecktem Rosa. Es könnte einen Kussmund symbolisieren oder auch ein weibliches Geschlechtsteil, es ist jedenfalls kuschelig, anschmiegsam, weich und tröstlich. Darüber Sonne und Mond, die Sterne, ebenfalls milde herabschauend auf die Seelennöte der alleingebliebenen Hannah, die sich doch so sehr anstrengt, endlich einen Mann zu überzeugen.

Klar, Künstler wissen, wie schwer es ist, nach einer Vorstellung keinen Ansprechpartner zu haben, allein in der Unterkunft zu sein, alle paar Monate die Stadt wechseln zu müssen: "Man ist in dem Job einfach auch viel alleine, weil man natürlich immer dahingehen muss, wo die Arbeit ist, und das macht nicht jeder Partner mit", sagt Yvonne Köstler. "Es sei denn, man hat jemandem aus dem Business an seiner Seite, der entweder selbst auf der Bühne steht oder zumindest die Arbeitszeiten versteht. Und dadurch sind viele Kolleginnen und Kollegen alleine, weil es sonst oft gar nicht anders geht."

Bittere Erkenntnis zum Schluss

Yvonne Köstler macht das ganz großartig, stemmt die 70 Minuten bewundernswert und brilliert, als sie zehn Tipps zum Aufreißen veranschaulicht, einschließlich Augenklappern, Lippen befeuchten und Arme ausbreiten. Ob es gegen Einsamkeit hilft? Genauso wenig wie das Internet, denn – das macht der Abend deutlich – wer nicht mehr allein sein will, müsste erst mal einem anderen wirklich zuhören. Doch dazu reichen Interesse und Energie meist nicht aus. Und so können die Torschlussjahre ihren Schrecken verbreiten, die Männer weiter von einer Tasse Kaffee faseln, zu der sie dann doch nie einladen, und die Frauen ihren nächsten "Runden" allein unter der Discokugel feiern. Der Zimmerbrunnen und die Jahre plätschern einfach weiter.

"Die Kritischen Torschlussjahre" am Theater an der Rott in Eggenfelden

Premiere: 15. Januar 2022
Weitere Vorstellungen: 16., 26. und 27. Januar, 2., 3., 11., 12. und 13. Februar 2022

Sendung: "Leporello" am 17. Januar 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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