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Kritik – "Le Postillon de Lonjumeau" in Erl Adolphe Adams vergessene Oper

Kurz nach der Uraufführung 1836 in Paris war Adolphe Adams "Postillon von Lonjumeau" ein Kassenschlager. Heute ist die komische Oper ziemlich in Vergessenheit geraten. Dabei ist die Geschichte des Postillons, der an seinem Hochzeitstag als Tenor-Ersatz für die königliche Oper einspringen muss, zeitlos unterhaltsam und Adams Musik ebenfalls voller Witz, Bravour und Charme. Am Montag hatte bei den Tiroler Festspielen in Erl eine Neuproduktion der Oper Premiere.

Die Neuproduktion der Tiroler Festspielen Erl setzt voll auf Wirkung - und versetzt das Publikum in die Entstehungs-Zeit der Oper: den Spätbarock. König Luis XV. erscheint am Anfang sogar höchstpersönlich in Hermelinmantel und Rokokoperücke im Zuschauerraum und macht seinen Theaterdirektor Marquis de Crocy zur Schnecke, weil ihm ein Tenor kurz vor der Premiere abgesprungen ist. Ein Ersatz muss her - und zwar sofort. Das Ganze wird original auf Französisch geschimpft, wie auch die Dialoge konsequent Französisch bleiben an diesem Abend. Regisseur Hans Walter Richter hat vor allem ein Auge für die Komik in den Beziehungen und die Parodie auf das Theaterleben. Die prachtvollen Kostüme und das Bühnenbild von Kaspar Glarner machen diese Sichtweise glaubhaft und zur Augenweide. Er stellt nämlich ein richtiges kleines, bespielbares Rokokotheater in den Erler Bühnenraum. Um 180 Grad gedreht ist es einfach ein Holzhaus - und dient so als Kulisse für die schlichte Landwirtschaft von Madeleine, der Braut des Postillon.

Dirigent Nielsen hat das Festspiel-Orchester im Griff

Da feiert das Volk zusammen mit dem Brautpaar, und der Erler Festspiel- Chor ist grandios – sowohl spielerisch in den großen Massenszenen, als auch gesanglich. Adolphe Adam fordert auch vom Chor viel, von der kniffligen Fuge bis zum großen Empörungschor. Dirigent Erik Nielsen hat auch diese mit dem Erler Festspiel-Orchester exzellent im Griff. Es federt, tanzt und schwelgt mit Leichtigkeit und Bravour.

Opulenter Opernspaß bei den Festspielen Erl

Die herausfordernde Solopartie des Postillons, der dann zum Hofsänger Saint-Phar wird und seine frisch angetraute Madeleine zehn Jahre ohne ein Wort zurücklässt, liegt in der potenten Kehle von Francesco Demuro. Ohne Ermüdungserscheinungen liefert er alle Kadenzen und die hohen D's im berühmten Postillon- Lied und vermittelt auch noch Spaß bei der Sache als Pariser Opernstar im Farinelli- Federkostüm. Auch Monika Buczkowska als Madeleine brilliert und harmoniert mit ihrem Postillon in wunderschönen Duetten.

Der Erler "Le Postillon de Lonjumeau" ist opulent, witzig und virtuos mit Mut zur gut gemachten Historisierung. Ein seltener Opern-Glücksfall!

Sendung: "Allegro" am 28. Dezember 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (2)

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Donnerstag, 06.Januar, 12:31 Uhr

Pauli, Ralf

Erler "Le Postillon de Lonjumeau"

War gestern in der Tat ein starker Abend. Schade, dass das Bühnenbild und die Kostüme nach drei Vorstellungen in den Müll wandern. Wäre schön, eine wenn eine solche Produktion von Frankfurt oder einen anderen Haus übernommen worden wäre…

Freitag, 31.Dezember, 17:20 Uhr

Eckhard Schinkel

Zustimmung und Dank

Liebes BR-K-Team, Ihre Besprechung des "Postillon" - begeistert, zustimmend, dabei glaubwürdig - hat uns zu einem Ausflug ins Festspielhaus Erl am 30. bewegt. Und auch wir waren von der rundum gelungenen Inszenierung wie von der Spielfreude auf und vor der Bühne begeistert. Wir werden einen wunderbaren Theaterabend in Erinnerung behalten. Vielen Dank dafür.
Mit guten Wünschen
Renate Prochno-Schinkel & Eckhard Schinkel

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