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Zum Tod des Klarinettisten Eduard Brunner Meister des Schönklangs

Er war das, was man einen Vollblutmusiker nennt: Mozarts Klarinettenkonzert spielte er mit derselben Hingabe wie die Werke seiner Zeitgenossen, als langjähriger Soloklarinettist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zeigte er dasselbe überragende Können wie als Solist und Kammermusiker. Und obendrein war er ein brillanter Unterhalter - seine Musikeranekdoten, alle aus dem persönlich Erleben und mit Lust am Fabulieren erzählt, sind legendär.

Klarinettist | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Eduard Brunner, geboren 1939 in Basel, setzte als Klarinettist Maßstäbe für eine ganze Generation. Schon während der Schulzeit nahm der Hochbegabte Unterricht am Konservatorium, mit achtzehn Jahren machte er das Solisten- und Orchesterdiplom, und anschließend studierte er noch in Paris bei Louis Cahuzac, dem „Casals der Klarinette“. Als Zwanzigjähriger wurde er Orchestermusiker in Basel und spielte Kammermusik mit Kollegen wie dem Oboisten Heinz Holliger und dem dreizehn Jahren älteren Aurèle Nicolet, Soloflötist der Berliner Philharmoniker.

Soloklarinettist unter Rafael Kubelik

Nach einem Intermezzo bei den Bremer Philharmonikern wurde Brunner 1963 von Rafael Kubelik an das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks engagiert, dem er drei Jahrzehnte lang angehörte. An die Ära Kubelik erinnerte sich Brunner stets mit großer Freude - musikalisch standen sich der Dirigent und sein Soloklarinettist denkbar nahe. 1992 folgte noch eine Professur für Klarinette und Kammermusik an der Musikhochschule Saarbrücken, dann widmete er sich wieder ausschließlich dem Konzertieren und der Aufnahmetätigkeit.

Rund 250 Werke aus dem gesamten Klarinettenrepertoire hat Brunner im Lauf der Jahrzehnte auf CD eingespielt, viele davon als Solist mit bedeutenden Orchestern und Ensembles. Doch seine große Leidenschaft galt der Kammermusik. Er trat weltweit bei Festivals auf und gehörte oft zum innersten Kreis der Musiker, in Bayern etwa beim Musikfest Kreuth oder, in den 90er-Jahren, bei der Schubertwoche auf Schloss Elmau, deren künstlerischer Leiter er war.

Zu seinen Kammermusikpartnern auf der Bühne und im Aufnahmestudio gehörten Alfred Brendel, András Schiff, Oleg Kagan, Gidon Kremer, Jurij Bashmet, Kim Kashkashian, Natalia Gutman, das Borodin- und das Hagen-Quartett. Klassisch-romantisches Repertoire und Moderne bildeten für ihn eine Einheit, und in der Programmgestaltung strebte er stets eine wohldurchdachte Mischung von beidem an. Besonderes Augenmerk richtete er auf die sogenannten Kleinmeister, um so das Umfeld der großen Klassiker zu beleuchten und die Querverbindungen offenzulegen.

Der Uraufführungsinterpret

Seine Laufbahn als international begehrter Uraufführungsinterpret begann Brunner schon während des Studiums. Von Anfang an erarbeitete er die neuen Stücke gemeinsam mit den Komponisten und gab ihnen oft entscheidende Tipps zur Erzeugung und Notation ungewohnter Klänge auf der Klarinette. Die sechziger Jahre waren das Jahrzehnt der Erfindung neuer Instrumentaltechniken, und bei der Erschließung von Neuland für die Klarinette war Eduard Brunner an vorderster Front beteiligt. Seine Kenntnisse stellte er der Allgemeinheit großzügig zur Verfügung. Zahlreiche Komponisten schrieben neue Stücke für ihn, von Cristóbal Halffter über Edisson Denissow und Isang Yun bis Toshio Hosokawa.

Eine enge Zusammenarbeit entwickelte sich mit Helmut Lachenmann. Alle vier Stücke Lachenmanns für Klarinette wurden von Brunner uraufgeführt, bei dreien war er in den Entstehungsprozess involviert: Beim Solostück "Dal niente", beim Klarinettenkonzert "Accanto" und bei "Allegro sotenuto" für Klarinette, Cello und Klavier.

Skandal und Schönklang

Die Uraufführung von "Accanto" unter Hans Zender in Saarbrücken 1976 geriet zu einem der großen Skandale der Nachkriegsmusik. Brunner erinnerte sich daran noch dreißig Jahre später mit dem für ihn typischen, herzerfrischenden Humor. Das Stück habe einige Male kurz vor dem Abbruch gestanden, sagte er damals lachend, und einige Leute hätten fast einen Nervenzusammenbruch erlitten.

Doch es ging ihm nie um Provokation und schon gar nicht um ihr Gegenteil, das bequeme Sentiment. Geräuschklänge und komplexe Multiphonics waren für ihn keine aufgesetzten Effekte, sondern eine Erweiterung der Sprachfähigkeit des Instruments. Sie sollten so schön klingen wie ein reiner Ton bei Mozart, forderte er. Schönheit des Klangs und der erfüllte, lebendige Ausdruck war für ihn oberstes Gebot, und damit verlieh er den Werken leuchtende Größe.

Am 27. April ist Eduard Brunner nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren gestorben. Sein Ton jedoch bleibt im Gedächtnis haften.

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