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Aufregung um Fazıl Say Präsident Erdogan besucht Konzert

Nach seinem Konzert in Ankara, bei dem der türkische Präsident zu Gast war, begann der Shitstorm in den sozialen Medien. Say, bisher Mitstreiter der säkularen Gesellschaft, bekommt nun genau von dieser Seite Gegenwind: "Wenn selbst die Liberalen einknicken, dann kann man das Licht ausschalten."

Recep Tayyip Erdogan und Fazil Say | Bildquelle: ©picture alliance / AA

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Diese Uraufführung war wirklich etwas Besonderes: Am 18. Januar spielte Fazıl Say nicht nur erstmalig seine neue "Troja-Sonate" vor Publikum, auch der Besuch von Präsident Recep Tayyip Erdogan bei seinem Konzert war eine Premiere. Das türkische Staatsoberhaupt hatte zusammen mit seiner Ehefrau, seinem Außenminister und Staatsgästen in der ersten Reihe Platz genommen. Say persönlich hatte Erdogan zu dem Konzert eingeladen. Der Präsident hatte sich nicht lange bitten lassen – auch wenn Erdogan bisher weder durch Achtung vor dem Künstler noch durch Vorliebe für klassische Musik aufgefallen war.

Standing Ovations

Fazil Say  | Bildquelle: ©picture alliance / AA Bildquelle: ©picture alliance / AA Standing Ovations gab es für das Konzert des Pianisten. Noch während sich Say vor dem Publikum verbeugte, kam Erdogan auf die Bühne, wechselte zunächst ohne Mikrofon einige Worte mit ihm und wandte sich dann mit lobenden Worten über den Künstler ans Publikum. Dann lud er – für alle hörbar – Say ein, auch in seinem Palast ein Konzert zu geben. In diesem Moment kam es zu der fatalen Geste: Der 49-Jährige Pianist faltete die Hände vor dem Bauch und beugte sich noch etwas mehr vor, als es seine ohnehin etwas gekrümmte Körperhaltung vorgibt. Kritiker sahen darin sofort ein Zeichen: Say knickt vor Erdogan ein!

Wenn Sie sich gegenüber der Macht beugen, wo bleibt dann Ihre künstlerische Würde? Was bleibt von Fazıl Say zurück..!
Internet-User

Kniefall oder Zeichen der Aussöhnung? Den moderneren Kräften galt Say bis dahin als Gallionsfigur. Mehrfach wurden Konzerte von ihm von offizieller Seite kurzfristig abgesagt. Nun fühlen sich viele säkulare Türken durch Says Verbeugung vor Erdogan verraten: Der Künstler habe seine Ideale aufgegeben und sich mit dem System Erdogan arrangiert.

PR für den starken Mann

Fazil Say und Recep Tayyip Erdogan schütteln sich die Hände | Bildquelle: ©picture alliance / AA Bildquelle: ©picture alliance / AA "Bessere PR für den starken Mann in Ankara hätte der weltberühmte Pianist nicht machen können. Was halten wohl die über 150 Journalisten in den türkischen Gefängnissen davon?" lautet ein Tweet aus Deutschland – möglicherweise wolle sich Erdogan vor den Kommunalwahlen Ende März ein weltoffenes Image zulegen. Doch die Konzerteinladung hat eine Vorgeschichte: Als im vergangenen August Says Mutter starb, kondolierte Erdogan dem Pianisten persönlich. Der lud ihn daraufhin zu einem seiner Konzerte ein. Anders als viele entsetzte Kemalisten kann Tayfun Atay vom linksliberalen Internetportal T24 dem Premierenabend etwas Positives abgewinnen: "Dass Erdogan auf die Bühne ging und  Fazıl Say in den Palast eingeladen hat, könnte man auch als Symbol dafür sehen, dass Erdogan die säkulare Gesellschaft einlädt."

Den Abend genossen

Erdogan selbst ließ offen, ob sein Konzertbesuch in diese Richtung zu deuten ist. Er betonte aber bei einer öffentlichen Rede noch einmal, wie sehr er den Abend genossen habe: "Es hat mir sehr gefallen, als Präsident neben einem Künstler zu stehen, der unser Land auf internationaler Ebene erfolgreich vertritt. Aber missmutige Kreise haben ja gleich mit einer Lynchkampagne gegen Fazil Say begonnen, nachdem bekannt wurde, dass er mich eingeladen hat."

Ausverkaufte Konzerte

Fazil Say will sich auf Nachfrage nicht zur der Diskussion äußern. Seiner Beliebtheit als Musiker hat es offenbar nicht geschadet: 13 seiner 14 Konzerte, die er in den nächsten Wochen in der Türkei gibt, sind bereits ausverkauft.

Sendung: "Allegro" am 01.02.2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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