BR-KLASSIK

Inhalt

Wie Verdi mit Schiller reifte Von Jeanne d'Arc bis Don Karlos

Friedrich Schiller wurde oft ein ungezügelter Hang zum Theatralischen, zum pompös Opernhaften nachgesagt. Ist es das, was Verdi an dem Weimarer Klassiker so mochte? Und was ist eigentlich das Deutsche an einem Italiener wie Verdi? Ein gewisser Hang zum Trübsinnigen vielleicht? An den vier Verdi-Opern nach Schiller ergründen wir diese bemerkenswerte Verbindung.

Friedrich Schiller - Giuseppe Verdi | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

"Die Jungfrau von Orleans" oder "Giovanna d’Arco"

In der romantischen Tragödie "Die Jungfrau von Orleans" beschäftigt sich Schiller mit Jeanne d'Arc, dem lothringischen Hirtenmädchen, das sich im 15. Jahrhundert von Gott berufen fühlte, Frankreich von englischen Eindringlingen zu befreien. Das 1801 uraufgeführte Drama lässt Johanna nicht als Hexe auf dem Scheiterhaufen enden, sondern als Heldin auf dem Schlachtfeld. Das Übernatürliche, das Unwirkliche ist für Schiller in "Die Jungfrau von Orleans" besonders wichtig. Zu denen, die das spürten, gehört Verdi. Seine "Giovanna d'Arco" ist die erste Oper, die auf Schillers Drama basiert, entstanden zum Jahreswechsel 1844/45 in der kurzen Zeit von nur vier Wochen. Der Librettist Temistocle Solera kürzte "Die Jungfrau von Orleans" drastisch: Von den 19 Bildern sind noch sechs übriggeblieben, von den rund 25 Schauspielrollen genau fünf Gesangspartien.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Giuseppe Verdi   Giovanna d'Arco   Sinfonia | Bildquelle: conservatoriotorino (via YouTube)

Giuseppe Verdi Giovanna d'Arco Sinfonia

"Die Räuber" oder "I Masnadieri"

Verdis nächste Schiller-Oper ist "I Masnadieri" – nach Schillers Sturm-und-Drang-Produkt "Die Räuber", damals 65 Jahre alt. Für Verdi richtet der Schiller-Experte und -Übersetzer Andrea Maffei das Textbuch ein, komprimiert das Schauspiel, eliminiert Monologe, entschärft sprachliche Derbheiten. Das Bühnengeschehen der Oper zeigt weniger politische Aspekte, dafür mehr Familiendrama. Konflikte, Neid und Geldgier – man könnte meinen, in dieser Oper mit Ungeheuern konfrontiert zu werden. Doch Verdi zeigt auch andere, versteckte Seiten der Figuren: Lyrische musikalische Phrasen zeichnen widersprüchliche und innerlich gespaltene Persönlichkeiten.

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Verdi: I Masnadieri, "Tu del mio Carlo... O caro accento" - Lisette Oropesa - Milan | Bildquelle: Eben Cook (via YouTube)

Verdi: I Masnadieri, "Tu del mio Carlo... O caro accento" - Lisette Oropesa - Milan

"Kabale und Liebe" oder "Luisa Miller"

Für Luisa Miller und ihren Geliebten wirkt sich eine Intrige zerstörerisch aus, die Schiller im Titel seines Dramas 1784 noch "Kabale" nannte. Den Weg zum erweiterten Suizid des Paares ebnet eine Nebenfigur mit dem vielsagenden Namen "Wurm" – und mit ihm eine Extradosis eifersuchtsgeplagter Boshaftigkeit. Der Trostpreis für unseren Gerechtigkeitssinn: Am Schluss stirbt wenigstens auch dieser Schurke. Obwohl Verdi gerade mal sechs Wochen Zeit für die Vertonung des Librettos von Salvatore Cammarano hatte, fielen ihm jede Menge zündende Melodien ein. Schillers Figuren beflügeln Verdi, ihre Leiden und Freuden, Wünsche und Hoffnungen musikalisch auszudrücken. Mit "Luisa Miller" gelingt es Verdi, über die traditionellen Schemata Bellinis und Donizettis hinauszugehen, weitgespannte melodische Bögen und sensible Beweglichkeit zu verbinden und sein ureigenes "Cantabile" und "Parlando" zu entwickeln. 

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Luisa Miller: “Quando le sere al placido” | Bildquelle: Metropolitan Opera (via YouTube)

Luisa Miller: “Quando le sere al placido”

"Don Karlos" oder "Don Carlos"

Für den 1867 in Paris uraufgeführten "Don Carlos" gilt: Verdi reift mit Schiller. Diese Oper ist Verdis frühestes lebensweises Alterswerk. Eine Geschichte aus dem 16. Jahrhundert über Krone und Kirche, Terror und Blutdurst im Namen Gottes. Eine Geschichte über Politik und Privatsphäre, über einen spanischen Infanten und seine aussichtslose Liebe zur Gemahlin Philipps II., seines Vaters. Am "Don Carlos"-Libretto haben drei Franzosen und ein Italiener mitgewirkt: Joseph Méry, Camille du Locle, Achille de Lauzières und Angelo Zanardini. Eine an Konversationen und Duetten reiche Oper ist das Resultat. Mit enormem Gefühlsspektrum versieht Verdi seine Charaktere. Und dass die "Don Carlos"-Geschichte historisch nicht ganz korrekt erzählt wird, haben wir Verdis Motto zu verdanken: "Wenn man die Wirklichkeit nachbildet, kann etwas Gutes herauskommen, aber die Wirklichkeit erfinden ist besser – weit besser."

YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.

Verdi: Don Carlo Atto IV "Il Grand Inquisitor!"(René Pape, Eric Halfvarson) | Bildquelle: So Entreat (via YouTube)

Verdi: Don Carlo Atto IV "Il Grand Inquisitor!"(René Pape, Eric Halfvarson)

Radio-Tipp

Am Sonntag, 8. März, überträgt BR-KLASSIK ab 17:30 Uhr live die Premiere von Giuseppe Verdis Oper "I Masnadieri" aus der Bayerischen Staatsoper.

Mehr zu Verdi und Schiller gibt es hier zum Anhören: "Auf dem Weg zum Escorial – Verdi reift mit Schiller".

    AV-Player