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Zum Tod von Gitarrist Häns'che Weiss Der Markante mit dem Seelen-Ton

Der Gitarrist Häns'che Weiss ist tot. Der Jazzmusiker und Gründer einer der bekanntesten Sinti-Formationen starb am vergangenen Donnerstag nach langer schwerer Krankheit. Was ihn als Musiker auszeichnete, war sein besonders seelenvoller Ton.

Gitarrist Häns'che Weiss | Bildquelle: SALKO Promotion

Bildquelle: SALKO Promotion

Er spielte die Gitarre mit einer Spannkraft und gleichzeitigen Leichtigkeit wie nur wenige: Der Jazzmusiker Hän‘sche Weiss war ein zupackender, ausdrucksstarker Musiker. Er war dem Erbe des großen französischen Gitarristen Django Reinhardt verpflichtet und spielte das, was man früher "Zigeuner-Jazz" nannte und heute meist unter "Gypsy Swing" eingeordnet wird – und da entwickelte er eine ganz eigene Stimme. Wie jetzt bekannt wurde, ist Häns‘che Weiss am 2. Juni 2016 in Berlin nach schwerer Krankheit gestorben - in der Mitte seines sechsten Lebensjahrzehnts.

In den späten 1960er-Jahren nahm die Karriere dieses Musikers Fahrt auf. Geboren wurde er 1951 in Berlin, ohne dass in den gängigen Quellen ein genauer Tag genannt würde. Häns’che Weiss wurde 1969 als 18-Jähriger Mitglied in der Band des Geigers Schnuckenack Reinhardt. Der wiederum war ein Vetter des großen Gitarristen Django Reinhardt, der in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts im "Quintette du Hot Club de France" zusammen mit dem Geiger Stéphane Grappelli etwas aufregend Neues geschaffen hatte: Swing-Musik völlig eigener europäischer Prägung, nur mit Saiteninstrumenten besetzt (Geige, Kontrabass und mehrere Gitarren) und von funkelnder französischer Melancholie durchzogen.

Diese Musik wird heute noch von vielen jungen "Gypsy Swing"-Virtuosen gepflegt - und ist außergewöhnlich lebendig. Häns’che Weiss, der nach seinen ersten Karriereschritten in der Band von Schnuckenack Reinhardt sein eigenes Quintett gründete - unter anderem mit dem Geiger Titi Winterstein, der 2008 verstarb, gehörte lange Zeit zu den prägnantesten Instrumentalisten dieses Genres im deutschen Sprachraum. Die Musik deutscher Sinti enthält Elemente des Musette-Walzers ebenso wie ungarisch-böhmische Einflüsse und natürlich amerikanischen Swing. Häns’che Weiss setzte mit seinem Gitarrenspiel markante Akzente in dieser Musik: Voller kantiger Attacken steckte es, voller raffiniert mit chromatischen Kniffen durchsetzten Linien, sich intensitätsgeladen steigernden Tonfolgen und sperrigen Oktavparallelen. Er hatte die Gabe, stets Geschichten zu erzählen in seinen Soli; zu denen, die leere Geläufigkeiten abspulte, gehörte Weiss nicht.

Den traditionellen Klang des Gypsy-Swing variierte Weiss übrigens auch: Immer wieder spielte er nicht auf einer akustischen Gitarre, die das klassische Ausdrucksmittel dieser Art des Swing-Jazz ist, sondern auf einer elektrisch verstärkten Vollresonanz-Gitarre: Die klingt weicher, kann manchmal auch flüstern und strahlt Wärme aus. Auch auf ihr fand Häns’che Weiss‘ Spiel zu höchst markanten Konturen – und warmtönend-seelenvoll war es sowieso immer.

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