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Kritik - Berliner Staatsoper Unter den Linden Bunt reicht nicht

Am 7. Dezember 1742 hat einst Friedrich der Große sein stattliches Hofoperntheater eröffnen lassen. Wie damals, war auch jetzt die „Staatsoper Unter den Linden“ in Berlin bis kurz vor knapp Baustelle und ist gerade erst im Oktober dieses Jahres wiedereröffnet worden. Jetzt gibt es zum eigentlichen Stichtag des 275-jährigen Jubiläums ein ganzes Wochenende lang musikalische Feierlichkeiten und gestern Abend die erste richtige Neuproduktion der Saison: Humperdincks Oper „Hänsel und Gretel“. Für die Regie verantwortlich war Achim Freyer, die musikalische Leitung hatte Sebastian Weigle.

Szenenbild aus der Märchenoper "Händel und Gretel", Premiere an der Staatsoper Berlin am 8.12.2017 | Bildquelle: © Monika Rittershaus

Bildquelle: © Monika Rittershaus

Was Engelbert Humperdinck da Ende des 19. Jahrhunderts seiner Schwester Adelheid Wette zuliebe komponiert hat, zunächst nur ein paar muntere Lieder zum Puppenspiel „Hänsel und Gretel“ nach den Gebrüdern Grimm, wurde bekanntlich eine der populärsten Opern überhaupt. Seit der Uraufführung in Weimar 1893 ununterbrochen landesweit auf den Bühnen, bei jung und alt beliebt.

Eine Märchenoper, ja. Humperdinck selbst, Wagner-Meisterschüler, nannte das Stück durchaus ernsthaft „Kinderstubenweihfestspiel“. Und in der Tat, eine Menge Wagner, auch Dvorak und Brahms klingen an, in der Hänsel-und-Gretel-Partitur, die so wunderbar hin und herschwankt zwischen heiterem Kinderlied und gespenstisch-düsterer und komplexer Hexenwelt.

Sebastian Weigle beherrscht Märchen und Drama

Dirigent Sebastian Weigle lässt die Staatskapelle Berlin launig wandeln, zwischen dem spielerisch-leichten Volkslied und den musiktheaterhaften, hochromantisch-süffigen Orchesterwogen, sehr geschmeidig wechselt der Ton und damit das Genre, blitzschnell wird im Orchestergraben das Märchen zum Drama und huscht wieder zurück, als wäre nichts gewesen. Das musikalisch schwierigste an dieser Oper gelingt Weigle und der Berliner Staatskapelle hervorragend.

Die Solisten - weitgehend souverän

Szenenbild aus der Märchenoper "Händel und Gretel", Premiere an der Staatsoper Berlin am 8.12.2017 | Bildquelle: © Monika Rittershaus "Brüderchen komm tanz mit mir": Diese "Hänsel und Gretel"-Inszenierung ist vor allem bunt | Bildquelle: © Monika Rittershaus Weitgehend souverän auch die Solistenriege mit Katrin Wundsam als stimmlich wendigem und flexiblem Hänsel an der Spitze und Marina Prudenskaya, der Bayreuth-Erprobten, als überwiegend dramatischer, satter und durchaus etwas garstiger Mutter Gertrud. Vater Peter, der Besenbinder, findet in Bariton Roman Trekel einen stimmstarken und passend zur Figur mild und warm timbrierten Interpreten. Allein Elsa Dreisig als Gretel gelingt der gesangliche Mix zwischen hübschem Lied und spätromantischer Oper weniger gut – hörbar intonationsunsicher geraten ihr gerade die vermeintlich einfachen Hits wie „Brüderchen komm tanz mit mir“.

Achim Freyer - große Show, wenig Regie

Was also musikalisch an diesem Premierenabend in der wieder eröffneten Berliner Staatsoper überzeugt, der Spagat eben, zwischen leichtfüßig und dramatisch, das wird in Regie, Bühne und Kostümen von Alt-Meister Achim Freyer nicht eingelöst. Freyer zeigt auch bei Humperdinck – passend zum Märchencharakter – seine abstrahierten und geradezu archetypischen Figuren, verspielt zum einen, aufs wesentliche reduziert zum anderen.

"Hänsel und Gretel" an der Staatsoper Unter den Linden - die Inszenierung in Bildern.

Szenenbild aus der Märchenoper "Händel und Gretel", Premiere an der Staatsoper Berlin am 8.12.2017 | Bildquelle: © Monika Rittershaus Hexe mit Wurstmund - nur: eine Hexe im Ofen macht noch keine Revolution | Bildquelle: © Monika Rittershaus Hänsel und Gretel haben riesige Köpfe mit blinkenden Augen, die das Kindchen-Schema wachrufen sollen. Die Hexe ist die perfektionierte Ess-Maschine: der Mund aus Wurst, auf dem Kopf die Kaffeetasse, die Augen Zimtschnecken. Sowohl im Elternhaus als auch im Wald und ums Hexenhaus schleichen sich diverse freundliche und weniger handzahme Fantasiewesen herum. Wölfe, Schweine, Milchkrüge in Lebensgröße – es ist bunt und es lebt, auf Achim Freyers Bühne.

Und ja, es sind keine Kleider, auch keine Verkleidungen der Sänger, Person und Kostüm werden bei Freyer zur Figur mit Interpretationswert an sich. Allein, bei diesen Heerscharen an Kreuchendem und Fleuchendem, ästhetisch wunderschön anzusehen und zum Schmunzeln, bleibt es dann auch.

Revolution bleibt nur ein Wort

Durch die Riesenköpfe sind die Sänger ihrer Mimik beraubt, was durch allzeit winkende und schubsende Hände ersetzt, aber nicht mit Aussage gefüllt wird. Zumindest nicht mit mehrdeutiger, komplexer. Vieles ist kindlich, das darf sein, allzu oft rutscht es jedoch ins Kindische, Naive. Das ist an psychologischer Tiefenschärfe zu wenig und der Partitur nicht zugehört.

„Revolution“ steht am Ende dann in lustigen Buchstaben geschrieben, weil Hänsel die Hexe mitsamt Haus ins Inferno geschickt hat. Nur das Wort an sich, ohne fehlende Zuarbeit in Sachen Regie, macht noch keinen Staatsakt. So wie eine brillante Figuren- und Kostümschau noch keine Opernregie macht. Ein geteilter Abend also – auf der Bühne harmlos, aus dem Graben spannend. Ohne Altersfreigabe.

(Sendung: Piazza am 9. Dezember 2017, 8.05 Uhr auf BR-KLASSIK)

Kommentare (2)

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Donnerstag, 14.Dezember, 11:39 Uhr

Peter

Zutreffend

Ich schließe mich der Kritik an. Der Regisseur hat für mich schlechte Arbeit geleistet. MIch haben diese Schwellköpfe von Hänsel und Gretel genervt, behindern Sie doch die Sänger ihrer Aussenwirkung! Das passt nicht. Ebenso wenig wie das Mini-Hexenhaus oder sonstige bühnenbilderischen Ergüsse. das hat man schon besser gesehen. Ich bin eh ein Anhänger von wneiger Experimenten und mehr klassischer Darstellungsform.

Mittwoch, 13.Dezember, 00:57 Uhr

Berta

Schlechter Artikel

Der Verfasser des Artikels hat es wohl versäumt die Oper mit Kinderaugen zu schauen. Ich war in der Premiere mit meinem mann und meinen beiden Buben. Beide waren begeistert! Ich und mein Mann waren es ebenfalls. Ich kann den Artikel nicht nachempfinden.

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