BR-KLASSIK

Inhalt

Hélène Grimaud über "Silent Songs" Neues Album mit Musik von Silvestrov

Er gilt als bedeutendster lebender Komponist der Ukraine: Valentin Silvestrov. Seine Musik begleitet Hélène Grimaud schon lange, ihn zu treffen sei "ein Traum" gewesen. Jetzt hat sie ihm ihr neues Album gewidmet: "Silent Songs".

Hélène Grimaud | Bildquelle: Mat Hennek

Bildquelle: Mat Hennek

BR-KLASSIK: Der Komponist Valentin Silvestrov meinte mal, der Komponist sei gar nicht so wichtig. Er fange nur bereits existierende Schwingungen auf und transformiere sie in Musik. Wie empfinden Sie seine Musik?

Hélène Grimaud: Ich sehe es so ähnlich, wie er es beschreibt. Es ist eine wundervolle Art über die Kunst des Komponierens zu sprechen und es ist etwas, das mich schon immer fasziniert hat. Es ist unglaublich berührend, wie Silvestrov beschreibt, wie er die schon existierenden Resonanzen einfängt und festhält. Es gibt da wohl eine gewisse, spirituelle Ebene. Gleichzeitig bestätigt es das, was ich schon oft in Korrespondenzen von Komponisten gelesen habe – bei Robert Schumann oder Johannes Brahms. Sie haben zum Beispiel Spaziergänge in der Natur gemacht und sind so an ihr Tonmaterial gekommen, egal wie hart sie am Schreibtisch gearbeitet haben. Sie mussten bloß offen dafür sein. Es geht um den Ausdruck der menschlichen Seele. Ich denke, das ist es, was die Musik so kraftvoll macht, wenn man sie mit dem Publikum teilt.

Die Melodie in der Musik ist das Äquivalent zum Lächeln eines Menschen.
Valentin Silvestrov

Valentin Silvestrov – bedeutender ukrainischer Komponist

BR-KLASSIK: Silvestrov selbst begreift sich als Avantgardist. Wie empfinden Sie seine Musik? Ist das avantgardistische Musik?

Valentin Silvestrov | Bildquelle: picture-alliance/ dpa | Hermann Wöstmann Der ukrainische Komponist Valentin Silvestrov (*1937) bezeichnet sich selbst als Avantgardisten. | Bildquelle: picture-alliance/ dpa | Hermann Wöstmann Hélène Grimaud: Merkwürdigerweise ist sie das heute. Man findet selten Musik von lebenden Komponisten, die in Melodien und Harmonien verwurzelt ist. Die Rollen haben sich heute etwas vertauscht. Deshalb kann man sagen, dass es schon fast Avantgarde ist, weil es einfach so eine "bedrohte Art" ist. Silvestrov drückt es selbst sehr schön aus: Er sagt, die Melodie ist in der Musik das Äquivalent zum Lächeln eines Menschen. Die Melodie ermöglicht einen unmittelbaren Kontakt.

BR-KLASSIK: Wie war das Treffen mit Silvestrov?

Hélène Grimaud: Valentin Silvestrov zu treffen war ein Traum. Wie oft wünschen wir uns als Interpreten, wir könnten Bach, Brahms, Rachmaninow, Liszt und all die anderen Komponisten treffen, die uns in unserem künstlerischen Leben begleiten. Wie gern würden wir sie zu ihren Inspirationsquellen und ihrem Schaffensprozess befragen. Es ist beides – ein wenig einschüchternd, aber auch magisch. Es ist ein echtes Privileg mit den Schöpfern in Kontakt treten zu können.

Valentin Silvestrov zu treffen war ein Traum.
Hélène Grimaud

BR-KLASSIK: Sie haben sich entschieden, mit Konstantin Krimmel zu arbeiten – einem der jungen, extrem aufstrebenden und durchstartenden Baritonsänger unserer Zeit. Gerade hat er in der Londoner Wigmore Hall wieder einen Liederabend gegeben. Was fasziniert Sie an diesem jungen Sänger?

Bariton Konstantin Krimmel | Bildquelle: © Maren Ulrich Konstantin Krimmel hat die Gesangsparts für die neue CD übernommen. | Bildquelle: © Maren Ulrich Hélène Grimaud: Konstantin hat alles, was man sich von einem wundervollen Künstler nur wünschen kann. Die Stimme selbst als Instrument ist großartig, aber es gibt natürlich noch viel mehr. Es geht um das, was er mit seiner Stimme ausdrücken kann. Seine musikalische Seele ist außergewöhnlich. Er singt mit höchster Intensität und er kann mit seinen Emotionen eine Geschichte erzählen. Er nimmt seine Hörerinnen und Hörer an die Hand und berührt ihr Herz. Und das ist das Besondere an dieser Zusammenarbeit. Sie isteinerseits sehr intuitiv, gleichzeitig aber auch sehr durchdacht. Er bereit immer alles bis ins Detail vor, überlässt nichts dem Zufall – das ist beeindruckend. Aber sobald er auf der Bühne singt, ist er sich und seiner Kunst so sicher, dass er die völlige Freiheit hat, all seine Emotionen auszudrücken.

Klavier und Gesang müssen zu einem Ganzen verschmelzen

BR-KLASSIK: "Silent Songs". Die Struktur dieser Lieder ist recht einfach gehalten. Entstanden sind sie zwischen 1974 und 1977. Was bedeutet, das Klavier verläuft meist parallele zur Gesangsstimme. Wie sehr muss man denn als Duo verschmelzen, damit daraus ein Ganzes wird?

Hélène Grimaud: Das ist natürlich eine der größten Herausforderungen dieser Musik. Aber dadurch entsteht auch eine wunderbare Dualität. Die russische Sprache ist so schön und bunt, so weich in ihren Konsonanten. Indem das Klavier unter der Stimme liegt und sie mit einer Art Echo unterstützt, entsteht eine ganz besondere Farbe und Textur des Klangs. Das ist das Zauberhafte an dieser Kunst. Aber es ist auch eine Herausforderung, hier genau die richtige Schattierung und Dosierung im Anschlag zu finden.

Infos zur CD

"Silent Songs" von Valentin Silvestrov
Hélène Grimaud (Klavier)
Konstantin Krimmel (Bariton)

Label: Deutsche Grammophon

Erscheinungsdatum: 3. März 2023

Sendung: "Leporello" am 15. Februar 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Donnerstag, 16.Februar, 14:40 Uhr

Horst

So schön es ist,

dass Silvestrov sich dem atonalen Diktat der Pseudo-Avantgarde versagt, spricht mich seine Musik überhaupt nicht an.

Ich habe mir die erste Aufnahme Grimauds mit Werken Silvestrovs angehört, und da ist absolut nichts haften geblieben.

    AV-Player