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Herbert Blomstedt zu Gast beim BRSO Seelische Abgründe mit Mozart erkunden

Der 92-jährige Dirigent Herbert Blomstedt, ehemals Schüler von Leonard Bernstein und Gast- und Ehrendirigent zahlreicher Spitzenorchester, steht schon seit über 60 Jahren auf der Bühne. Die Liebe zur Musik und Blomstedts unerschöpfliche Neugier - das sind die Zutaten, die den Dirigenten auch noch im hohen Alter so aktiv sein lassen. Diese Woche steht Blomstedt gleich dreimal am Pult von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks – mit Werken von W. A. Mozart.

Dirigent Herbert Blomstedt | Bildquelle: © Martin U.K. Lengemann

Bildquelle: © Martin U.K. Lengemann

BR-KLASSIK: Das Konzert mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks steht ganz im Zeichen von Wolfgang Amadeus Mozart. Was führte zu dieser Werkauswahl?

Herbert Blomstedt: Zuerst war ein Wunsch nach einem Chorwerk da. Und weil die c-Moll-Messe hier in München schon lange nicht mehr gespielt wurde, haben wir uns dafür entschieden. Es ist ein wunderbares Werk, Mozarts Musik hat ja immer diese Seelentiefe. Auch die scheinbar einfachsten Stücke. Es gibt ja diese berühmte Klaviersonate von Mozart, sie heißt "Sonata facile", also "einfache Sonate". Jeder Klavierschüler hat sie schon mal gespielt. Aber auch in diesem Stück tun sich plötzlich Abgründe auf. Und das ist das Tolle an Mozart: Man begibt sich mit ihm immer wieder auf eine fantastische Reise. Die Musik fängt vielleicht an der Oberfläche an - in wunderbarer Seenlandschaft, oder irgendwo in den österreichischen Alpen – und dann steigt man ab in die Abgründe der Seele.

Das war eine Komposition für Mozart selbst, für den lieben Gott und für die Nachwelt.
Herbert Blomstedt über Mozarts c-Moll-Messe

BR-KLASSIK: Die c-Moll-Messe ist ja von der Tatsache überschattet, dass das Werk unvollendet hinterlassen wurde. Dabei war Mozart noch nicht so alt, als er die Messe geschrieben hat und hätte sie durchaus vollenden können. Was glauben Sie, was könnte der Hintergrund sein?

Dirigent Herbert Blomstedt bei einer Probe mit dem BRSO im Mai 2019 | Bildquelle: BR/Peter Meisel Dirigent Herbert Blomstedt bei einer Probe mit dem BRSO im Mai 2019 | Bildquelle: BR/Peter Meisel Herbert Blomstedt: Das weiß leider niemand. Mozart hat viele Messen in Salzburg geschrieben – es war ja sein Job, Messen zu komponieren. Aber er schrieb immer auf Bestellung. Und diese Messe hat niemand bestellt. Er hat sie nur für sich selbst geschrieben. Und vielleicht für seine Frau und auch für seinen Vater. Die Vorgeschichte ist nämlich folgende: Mozart hatte Constanze gegen den Willen seines Vaters geheiratet. Und in dieser Messe hat er einige Arien für Konstanze geschrieben. Sie muss ja auch eine gute Sängerin gewesen sein. Mozart hatte also vor, diese Messe seinem Vater vorzuführen und damit zu zeigen, was für eine gute Frau er gewählt hat. Denn von seinem Vater hat er immer nur gehört: "Das ist keine gute Frau für dich. Du solltest sie nicht heiraten. Sie ist nicht gut genug für dich." In solchen Fällen taugen ja normalerweise keine vernünftigen Argumente. Doch Musik als Argument – das könnte funktionieren, dachte Mozart. Er erhoffte sich also, dass wenn der Vater die Messe und die tolle Ausführung von Constanze hört, ändert er vielleicht seine Meinung.

Die Musiker brauchen meine Weisheit nicht, um spielen zu können.
Herbert Blomstedt

BR-KLASSIK: Sie dirigieren ja generell ohne Taktstock. Ich habe das Gefühl, wenn ich Sie beobachte, dass das die Musiker noch freier musizieren lässt. Ist das der Plan dahinter?

Herbert Blomstedt: Der Dirigent erzeugt ja Gott sei Dank selbst keine Klänge. Die Musiker spielen – und man spielt quasi mit den Musikern. Aber man muss den Musikern auch die Gelegenheit geben, sich auszudrücken, und nicht nur vorschreiben, wie ein Polizist oder ein Diktator. Das kann in gewissen Situationen nützlich sein, aber eine Freiheit bietet so eine Haltung den Musikern nicht. Und ich möchte den Musikern mehr Freiheit geben. Ich setze die Grenzen, und innerhalb dieser Grenzen müssen sie sich frei fühlen. Denn ich arbeite ja mit hervorragenden Künstlern zusammen. Sie brauchen meine Weisheit nicht, um spielen zu können. Für mich ist es ein Vergnügen, so zu musizieren. Und ich glaube, die Musiker sind dafür auch dankbar.

Herbert Blomstedt und das BRSO - Infos zum Konzert

Am 19., 20. und 21. Dezember 2019 dirigiert Herbert Blomstedt das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Münchner Philharmonie im Gasteig.
Auf dem Programm:
Wolfgang Amadeus Mozart: Symphonie Es-Dur, KV 543
Wolfgang Amadeus Mozart:
Große Messe c-Moll, KV 427

BR-KLASSIK überträgt das Konzert am Freitag, 20. Dezember, live im Radio.

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