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Premiere am Gärtnerplatztheater - Kritik "Hoffmanns Erzählungen" als vernebelte Spukgeschichte

Das Münchner Gärtnerplatztheater zeigt Stefano Podas Neuinszenierung von Jacques Offenbachs "Hoffmanns Erzählungen". Überraschend ist seine schwarzromantische Deutung der Oper nicht. Und ein wenig anstrengend ist es auch. Umso mehr aber überzeugen Ensemble und Dirigent.

Szene aus "Hoffmanns Erzählungen" am Gärtnerplatztheater München. | Bildquelle: Marie-Laure Briane

Bildquelle: Marie-Laure Briane

Benebelt war der Dichter E.T.A. Hoffmann ja häufig, dasselbe gilt für den Komponisten Jacques Offenbach. Beide gelten nicht gerade als Verächter des Alkohols und ließen der Überlieferung nach kaum eine Betäubung aus. Und wer von beiden beim Wein länger durchgehalten hätte, wären sie sich je begegnet, hätte sich wohl frühestens nach Sonnenaufgang entschieden. Hoffmann bezeichnete sich sogar selbst als "liederlich". Insofern ist es durchaus plausibel, dass der italienische Regisseur Stefano Poda einen Dunstschleier über seine Inszenierung von "Hoffmanns Erzählungen" am Münchner Gärtnerplatztheater legte.

Aufstieg ins Paradies der Musen und Musik

Szene aus "Hoffmanns Erzählungen" am Gärtnerplatztheater München. | Bildquelle: Marie-Laure Briane Ein gewaltiges Trauerkondukt: Szene aus "Hoffmanns Erzählungen" am Gärtnerplatztheater. | Bildquelle: Marie-Laure Briane Die Luft dräute über der Bühne gut drei Stunden so dick und wabernd wie in Kneipen vor dem Rauchverbot. Und weil dazu immer wieder gleißendes Neonlicht aufflammte, tränten so manchem Zuschauer die Augen wie bei einem Verhör in einer Zigarrenlounge. So gesehen hat es Stefano Poda etwas übertrieben mit seinem Bodennebel. Er zitierte damit natürlich die nachtschwarze Romantik, hielt alles schattenhaft, düster, schwermütig, ließ allerlei Boten aus dem Totenreich herumstolzieren. Ein gewaltiges Trauerkondukt, eine Prozession, die ins Licht geht, heraus aus der irdischen Mühsal mit Liebe, Lust und Leidenschaft, hinein ins Paradies der Musen, Märchen und Musik.

Am Ende fahren sie alle aufwärts durch einen Papierturm dem Himmel entgegen. Es regnet lauter Seiten mit sicherlich genialen literarischen Einfällen, voller Spuk- und Doppelgänger-Geschichten, wie sie E.T.A. Hoffmann so liebte. Die Kunst triumphiert, in diesem Fall leider nicht über den Dunst, aber doch über alles andere. Diese Deutung war nicht abwegig, aber auch nicht sonderlich überraschend oder originell: Stefano Poda hatte sich vor ein paar Jahren in Lausanne schon mal mit dem Stoff beschäftigt, war also drin im Thema.

Operndiven in Vitrinen

Szene aus "Hoffmanns Erzählungen" am Gärtnerplatztheater München. | Bildquelle: Marie-Laure Briane Viel Starpower: Stefano Poda stellt die Operndiven der Vergangenheit auf der Bühne in Virtrinen aus. | Bildquelle: Marie-Laure Briane Optisch machten vor allem die ausladenden Kostüme etwas her, einschließlich bizarrer Motorradhelme und Netzkleidern – er war sein eigener Ausstatter. Durchaus vergnüglich ist es, verstorbene Operndiven von Kirsten Flagstad über Anneliese Rothenberger bis Montserrat Caballé in Glitzer-Kaftane gehüllt in Glasvitrinen zu bewundern. Lauter Zeuginnen großer Auftritte, ganz viel Starpower, und der äußere Effekt, der ist bei Jacques Offenbach natürlich wichtig. Gleichwohl ist das Regiekonzept insgesamt allzu bieder, selbstverliebt und naheliegend, ja streckenweise fade.

Lucian Krasznec gibt einen hervorragenden Hoffmann

Umso überzeugender ist dafür die musikalische Gesamtleistung. Der rumänische Tenor Lucian Krasznec ist ein Kraftpaket. Wohl auch deshalb macht er gelegentlich den Fehler, allzu forsch zu beginnen und dann nicht durchhalten zu können. Diesmal teilte er seine Kräfte jedoch hervorragend ein und glänzte mit seiner athletischen Stimme, die er zwar immer wieder riskant forcierte, jedoch nie überbeanspruchte. Solche gelungenen Gratwanderungen betören. Auch schauspielerisch war er ein absolut glaubwürdiger, schlaksiger Hoffmann.

Weniger Premieren tun dem Ensemble gut

Vier weibliche Hauptrollen sind zu besetzen, die Muse von Hoffmann und die in drei verschiedene Charaktere aufgespaltene Operndiva Stella, die er mal liebte. Alle Frauen bekamen ihren Beifall völlig zurecht: Anna-Katharina Tonauer als mitleidsvolle Muse, Ilia Staple als artistische Maschinenfrau Olympia, Jennifer O'Loughlin als tragische Nachwuchssängerin Antonia und Camille Schnoor als hinterhältige Kurtisane Giuletta. Und auch der übrige Cast klang ausgeruht, spielfreudig, ungewöhnlich entspannt und textverständlich. Womöglich eine Folge des stark reduzierten Premieren-Takts.

Szene aus "Hoffmanns Erzählungen" am Gärtnerplatztheater München. | Bildquelle: Marie-Laure Briane Überzeugend: Jennifer O'Loughlin als Antonia und Lucian Krasznec als Hoffmann. | Bildquelle: Marie-Laure Briane Dirigent Anthony Bramall bekam zwar ein paar wenige Protestrufe, die waren aber nicht gerechtfertigt: Sein Dirigat passte zur schemenhaften Inszenierung und zum Stoff. Er ließ das Orchester nicht ausgelassen schunkeln und auch nicht keck scherzen und zum Tanz aufspielen. VIelmehr scheute er die Satire, und setzte stattdessen auf Schwermut, Traurigkeit, fahle, oft konturenlose Töne. Dralle Operettenseligkeit kam da nicht auf, eher Januar-Blues. Aber die Tage werden ja wieder länger!

Wieder am 30. Januar, sowie 6. und 8. Februar am Gärtnerplatztheater München, weitere Termine.

Sendung: "Allegro" am 28. Januar 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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