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Geigerin zurück in Indien Mozart in Bollywood

Vor zwölf Jahren verließ sie Indien, um in Deutschland Geige zu studieren. Nun ist Kushmita Biswakarma in ihre Heimat zurückgekehrt, wo die 25-Jährige als erste westlich ausgebildete Geigerin im Symphony Orchestra of India spielt. Für ihre Kollegen ein enormer Gewinn!

Kushmita Biswakarma | Bildquelle: Fengler/Jesuitenmission

Bildquelle: Fengler/Jesuitenmission

Kushmita Biswakarma

Die erste indische Geigerin im Symphony Orchestra of India

Kushmita Biswakarma ist auf dem Weg zur Arbeit. Zehn Minuten braucht sie mit dem Taxi von der quirligen Gegend hinter dem Gateway of India bis ins NCPA – das National Center of Performing Arts in Mumbai. 30 Rupees kostet eine Fahrt – umgerechnet sind das 40 Cent. Die Autodecke ist innen mit Blumen verziert, und es riecht nach Straßenstaub und Mottenkuglen - ein typischer Geruch in Indien. Wie eine Viehherde schiebt sich die Masse der Autos, Motorräder und Busse durch die Straßen. An den Verkehr und die hier herrschenden Regeln musste sich Kushmita erst gewöhnen: "Am Anfang hatte ich Schiss, die Straße zu überqueren", erzählt die 25-Jährige und fügt lachend hinzu: "Da muss man alle Autos mit den Händen stoppen."

Kushmita Biswakarma in ihrer Heimat

Nach zwölf Jahren in Deutschland ist Kushmita nun nach Indien zurückgezogen. "Irgendwann kam das jetzt nach dem Studium", sagt sie. Da habe sie angefangen, darüber nachzudenken, wie es weitergehen solle. Und dann habe sie sich dazu entschieden, nach Indien zurückzukehren, wo sie zur Welt kam und wo ihre Eltern leben. Zumindest wollte sie es ausprobieren, dort zu leben.

Ich gehöre da hin, wo ich geboren bin.
Kushmita Biswakarma, indische Geigerin

An der Küstenpromenade lichtet sich der Verkehr. Ganz am Ende der Flaniermeile ragen die Betonbauten des wohl wichtigsten Kulturzentrums Indiens in die Höhe. Drinnen hört man kaum noch etwas von der lauten Stadt. Nur die Klimaanlagen rauschen ununterbrochen. Vormittags sind Stimmproben angesagt. Und hier bringt sich Kushmita auch mit ihrem Wissen ein, das sie sich beim Musikstudium in Europa angeeignet hat. Dass das in ihrem Orchester möglich ist, freut sie sehr. "Wenn die indischen Musiker jetzt Mozart nicht ganz so spielen, kann man auch sagen: Schau, hier muss man's so und so machen. Und sie sind dann nicht beleidigt, sondern total glücklich", erzählt Kushmita. "Woanders wäre es dann so, dass man sagt: Wer bist du denn, der mir das sagt?"

Zwischen vielen Autodidakten

Kushmita strahlt über beide Ohren, wenn sie von ihren neuen Kollegen erzählt, die - anders, als sie es in Deutschland oft erlebt hat - auch privat viel miteinander zu tun haben. Die zierliche Geigerin ist mit ihren 25 Jahren die erste indische Frau im Symphony Orchestra of India mit einer westlichen klassischen Musikausbildung. Die meisten ihrer männlichen indischen Kollegen sind Autodidakten und der eigentliche Kern des Orchesters besteht momentan aus Musikern aus der ehemaligen Sowjetunion. Mit einer Kollegin aus Kasachstan hat sie anfangs sogar zusammen ein Zimmer geteilt, das vom Orchester gestellt wurde. "Es mischt sich ganz gut, wenn wir zusammen spielen", erzählt Kushmita von ihr. "Obwohl sie eine total russische Art hat, den großen dunklen Klang, und ich aber zierlich bin und einen warmen, feinen Klang habe."

Ich hoffe, dass sie mit ihrem Beispiel wie ein Magnet wirkt.
Marat Bisengaliev, Gründer des Symphony Orchestera of India

Auch der Gründer des Orchesters, Marat Bisengaliev, kommt aus Kasachstan und pendelt zwischen mehreren internationalen Orchestern durch die Welt. Der energische Geiger mit schwarzer Topf-Frisur hat Kushmita erst vor ein paar Tagen kennengelernt und kann seine Begeisterung nicht verbergen. "Kushmita ist ein Wendepunkt für unser Orchester", schwärmt Marat Bisengaliev. "Ich habe immer davon geträumt, jemanden dabei zu haben, der nach Indien zurückkommt, um zu geben, was er in Europa bekommen hat." Dass das keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt ein Blick in die Realität. "Die indischen Musiker, die im Ausland studieren, bleiben meistens in Europa oder Amerika", bedauert er. Kushmitas Beispiel könnte aber ein Vorbild für andere werden, so Bisengaliev.

Mumbai als Kompromiss

Knappe 2.000 Kilometer entfernt kocht Kushmitas Mutter auf dem Lehmofen Tee. Was ihre Tochter genau in Mumbai macht, kann sie sich nicht ganz vorstellen. Außer den Geige spielenden Kindern der jesuitischen Gandhi Ashram Schule, in die Kushmita in ihrer Jugend ging, gibt es hier kaum westliche klassische Musik.

Rebecca Fridmann & Kushmita Biswakarma | Bildquelle: BR / Rebecca Friedman BR-Reporterin Rebecca Friedman und Kushmita Biswakarma in Mumbai | Bildquelle: BR / Rebecca Friedman Dass ihre Heimat im Himalaya eine ganz andere Welt ist als die in der Metropole Mumbai, ist für Kushmita OK. Sie fährt zwar gerne in den Ferien nach Hause, aber kann sich momentan nicht vorstellen, zurück ins Dorf zu ziehen. Das relativ moderne Mumbai ist da für sie ein guter Kompromiss. Sie kann hier gut zwischen ihren verschiedenen Welten wandeln, schließlich hat sie auch Deutschland sehr geprägt. "Ich bin eine Mischung aus beidem", lacht sie und erklärt: "Ich kann nicht sagen ich bin deutsch, ich kann auch nicht sagen ich bin ganz indisch. Da, wo ich in der Mitte bin, ist es gut."

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