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Cellist Julian Steckel "Beim Unterrichten geht es um die ganze Persönlichkeit"

Als Teil des Trios Barenboim war der Cellist Julian Steckel am 23. Februar an der Seite der Pianistin Elena Bashkirova und des Geigers Michael Barenboim im Herkulessaal der Münchner Residenz mit drei Klaviertrios von Johannes Brahms zu hören. Im Interview spricht der Cellist über die Musik von Johannes Brahms und seine Professur an der Münchner Musikhochschule.

Cellist Julian Steckel | Bildquelle: Giorgia Bertazzi

Bildquelle: Giorgia Bertazzi

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Wenn Sie mit dem Trio Barenboim auftreten, spielen Sie quasi mit einer Familie: der Pianistin Elena Bashkirova und ihrem Sohn Michael Barenboim. Wie ist das, wenn Sie dazukommen - sind Sie dann nicht erst einmal Außenseiter?

Julian Steckel: Zum Glück nicht. Der Gedanke liegt natürlich nahe, aber ich kenne die Familie Barenboim schon lange. Der erste Kontakt reicht bis zur Zeit zurück, als ich noch bei Boris Pergamenschikow in Berlin studierte. Die Familien waren eng befreundet, deshalb gab es gelegentlich ein Abendessen unter Studenten. Viele Jahre später hat mich Elena Bashkirova auf ihr Festival nach Jerusalem eingeladen. Dann kam der Gedanke auf, in dieser Saison ein Projekt wieder aufleben zu lassen, das sie damals mit Pergamenschikow und Maxim Vengerov hatte: Die drei spielten alle Brahms-Klaviertrios. Die "Revival-Idee" kam von ihr, und ich fühlte mich sofort sehr herzlich aufgehoben; sonst hätte ich gar nicht mitgemacht.

Auf der Bühne muss man schnell reagieren.
Julian Steckel

BR-KLASSIK: Profis schaffen es ja sehr schnell, miteinander musizieren zu können. Dennoch glaube ich, dass es bei einer derart intensiven Musik wie der Brahms'schen Kammermusik so etwas wie ein Verstehen geben muss - und das passiert manchmal oder eben auch nicht.

Julian Steckel: Da haben Sie völlig recht. Man kann auch gar nicht so genau beschreiben, warum das so ist. Wichtig ist auf jeden Fall, dass man sich auf der Bühne gut versteht, nicht nur bei den Proben. Auf der Bühne muss man nicht nur höflich sein, sondern auch schnell reagieren können und notfalls für den Anderen vordenken. Und da hatten wir alle drei das Gefühl, dass das bei uns sehr gut funktioniert.

Eine Komponist, von drei Seiten beleuchtet

BR-KLASSIK: Bei diesen so unterschiedlichen drei Trios von Brahms, die auch verschiedenen Schaffensperioden entstammen, ist es ja so, als würde man einen "Kosmos Brahms" durchschreiten. Haben Sie nichtsdestoweniger einen Favoriten unter diesen Werken?

Cellist Julian Steckel | Bildquelle: Marco Borggreve Bildquelle: Marco Borggreve Julian Steckel: Das ist wirklich schwer zu sagen, und jedes Mal, wenn wir nach dem Konzert unsere Eindrücke Revue passieren lassen, entdecken wir andere Schätze und Besonderheiten. Ich persönlich habe mit dem H-Dur-Trio angefangen, schon als Student. Das ist natürlich auch das "Cellisten-Trio", mit seinen schönen und langen Kantilenen für das Cello. Da muss man während des Konzerts schnell den Hebel umlegen, nach dem eher kompakten und garstigen c-Moll-Trio, das mir auch sehr liegt. Und das C-Dur-Trio wirkt zuerst ziemlich heiter, ist aber alles andere als harmlos. Das ist ja gerade das Spannende, wenn man in einem Programm einen Komponisten hat, der einerseits von drei Seiten beleuchtet wird, andererseits aber dann auch uns, die Interpreten, von drei verschiedenen Seiten beleuchtet.

Grundlagenbildung beim Unterrichten

BR-KLASSIK: Ab Beginn des Studienjahrs 2017/2018 sind Sie Professor für Violoncello an der Hochschule für Musik und Theater in München. Wie viele Studenten werden Sie da unterrichten?

Julian Steckel: Ich werde in München fünf Studenten haben. Im Oktober geht's los; ich freue mich sehr. Jetzt habe ich erstmal noch ein Semester in Rostock, an meiner jetzigen "Heimat-Hochschule", an der ich die letzten sechs Jahre zugebracht habe. Natürlich bin ich sehr gespannt auf München, habe viele Freunde hier, viele Kollegen; ich kann's kaum erwarten, dass es losgeht.

BR-KLASSIK: Wie ist es - lernt man von Schülern viel?

Der Cellist Julian Steckel  | Bildquelle: Marco Borggreve Bildquelle: Marco Borggreve Julian Steckel: Ja, das ist so, unbedingt. Ich habe vor sechs Jahren angefangen zu unterrichten, also relativ früh - war selber auf dem Papier noch Student als es losging. Da kam dann eine völlig andere Seite hinzu, als ob man eine zusätzliche Glühbirne einschaltet. Beim Unterrichten geht es um die gesamte Persönlichkeit: Wo will jemand hin, was will er mit seinem Leben machen. Da muss ich auch an meine eigenen Lehrer denken, zum Beispiel an Heinrich Schiff, der kürzlich gestorben ist: Der war ein besessener Handwerker, dem es auf die Pflege des Handwerks ankam und auf die Grundlagenbildung, die dafür sorgt, dass jemand auf seinem Instruments sein eigener Herr ist. Und darauf lege auch ich sehr viel Wert, und es macht auch sehr viel Spaß, zu sehen, wie jemand nach einem Jahr stabiler ist und anfängt, mit den Sachen, die ihm beigebracht wurden, zu spielen und diese Grundlagen zu entwickeln.

Ich mache lieber eine Sache richtig als zu viele nur halb.
Julian Steckel

BR-KLASSIK: Sie sind ja auch viel unterwegs. Wie schaffen Sie das alles?

Julian Steckel: Man muss einfach sehr gut planen; das ist wirklich eine Frage der Disziplin, zuallererst aber eine Verantwortungsfrage. Und wenn man die für sich beantwortet hat, kommt die Organisation sozusagen von selbst. Man muss aber auch einfach dazu bereit sein. Von einem Kollegen habe ich den Spruch gehört: "Die Professur ist eine tolle Sache; der einzige Nachteil ist das Unterrichten". Und das ist bei mir genau andersherum: Gerade weil ich ganz bewusst nur eine begrenzte Zahl von Studenten annehme, bekommen diese von mir eine ganz persönliche Betreuung. Es gibt Kollegen, die außerdem noch dirigieren oder Festivals leiten. Wer das kann, vor dem ziehe ich den Hut. Aber die Zeit ist nun einmal begrenzt, und die Energie ebenfalls. Und daher mache ich lieber eine Sache richtig als zu viele nur halb.

Die Fragen stellte Elgin Heuerding für BR-KLASSIK.

Julian Steckel mit dem Trio Barenboim in München

Donnerstag, 23. Februar 207, 20:00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz

Johannes Brahms:
Klaviertrios Nr. 1-3

Michael Barenboim (Violine)
Julian Steckel (Violoncello)
Elena Bashkirova (Klavier)

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