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Der Pianist Leif Ove Andsnes "Seid ehrlich zu euch selbst"

Der Pianist Leif Ove Andsnes rät jungen Musikern im Interview, auf den Komponisten und auf ihr Herz zu hören. Mit dem Philharmonia Orchestra London unter Andris Nelsons interpretiert er am 25. Januar Mozart.

Der Pianist Leif Ove Andsnes | Bildquelle: Özgür Albayrak

Bildquelle: Özgür Albayrak

BR-KLASSIK: Leif Ove Andsnes, Sie haben über Jahre hinweg ein immenses Beethoven-Projekt absolviert, in großen Teilen mit dem Mahler Chamber Orchestra. Das ist jetzt vollendet. Hören Sie seitdem Musik mit anderen Ohren?

Leif Ove Andsnes: Beethoven trifft in seiner Musik immer klare Aussagen. Jede Note ist ihm wichtig - anders als bei vielen anderen Komponisten. Dahinter steckt eine starke Willenskraft und eine Botschaft. Und genau deswegen muss man äußerst ehrlich sein. Seine Musik ist die ehrlichste, die ich kenne. Das macht etwas mit einem, wenn man sich mit seiner Musik die ganze Zeit beschäftigt. Man kann sich nicht verstecken oder verstellen. Dadurch höre ich jetzt auch andere Musik auf neue Art. Wenn ich zum Beispiel Mozart oder Musik von späteren Komponisten interpretiere, versuche ich alles noch klarer zu spielen. Ambivalenz kann wunderschön sein - wichtig ist aber eine eindeutige Aussage.

BR-KLASSIK: Ihr Spiel ist für mich genau das, was Sie gerade beschrieben haben: unglaublich klar und sehr rein. Welchen Klang empfinden Sie als ideal, und wie produzieren Sie den?

Leif Ove Andsnes: Vielen Dank, das ist schon ein großes Kompliment für mich! Natürlich ist es nötig, verschiedene Komponisten unterschiedlich zu interpretieren. Ich versuche, mit einem lebendigen, vollen Klang zu spielen und auf die Tonlänge zu achten - ohne zu dick aufzutragen. Ich spiele ja auf einem Instrument, bei dem Hämmer die Saiten anschlagen. Wenn man das objektiv betrachtet, dann ist das Klavier eine Art Perkussions-Instrument - aber ein wunderbares, das man auf so viele unterschiedliche Weisen einsetzen kann. Ich versuche, diese Vielfalt zu nutzen.

BR-KLASSIK: Wenn Sie jemandem, der vielleicht nicht viel Interesse an klassischer Musik hat, erklären sollten, was das Wichtigste am Klavierspielen ist - was wäre das?

Gründer des "Rosendal Chamber Music Festival" in Norwegen | Bildquelle: © Özgür Albayrak Leif Ove Andsnes | Bildquelle: © Özgür Albayrak Leif Ove Andsnes: Das ist schwierig, weil ich letztlich auch nicht weiß, wie man Menschen zur Musik bringt. Bei mir war das so: Schon mit zwei Jahren war ich leidenschaftlich verliebt in die Musik. Ich kann mir die Welt ohne sie nicht vorstellen, das ist wirklich wie die Luft zum Atmen für mich. Ich würde diese Leute vielleicht fragen: Welche Leidenschaften hast Du? Worauf könntest Du nicht verzichten? Dann würde ich das mit meinem Leben und meiner Liebe zur Musik vergleichen - und etwas vorspielen. Man weiß ja auch nicht, welche Musik einen packt - eine Symphonie von Mozart, Stravinskys "Le sacre du printemps" oder Brahms? Der Zugang zur Musik kann so unterschiedlich sein. Das ist das Faszinierende daran, dass es so viele Möglichkeiten gibt.

BR-KLASSIK: Und was würden Sie einem jungen Pianisten oder einer jungen Pianistin sagen, was das Wichtigste in einer Karriere sein sollte?

Leif Ove Andsnes: Seid ehrlich zu euch selbst und zur Musik. Hört zu, was der Komponist, aber auch, was euer Herz euch sagen will. Und bitte: Denkt an die ständige Weiterentwicklung als Musiker! Ich wünsche den jungen Musikern eine lange Karriere, nicht unbedingt eine kurze, schnelle. Meiner Meinung nach ist es viel wichtiger, ein langes musikalisches Leben zu führen, das man genießt und das einen immer erfüllt. Es muss nicht gleich alles mit einem Höhepunkt starten. Ein Musiker sollte sich erst als Mensch entwickeln, dann kann auch die Karriere kommen.

BR-KLASSIK: Sie spielen in München Mozarts Klavierkonzert d-Moll KV 466 - eines der beiden Moll-Konzerte des Komponisten. Ich finde, sie sind eine ganz besondere Welt. Wie geht es Ihnen damit?  

Leif Ove Andsnes: Das ist ein sehr besonderes Werk für mich, weil es in der Geschichte der Klavierkonzerte revolutionär war. Mozart ist damit einen sehr ungewöhnlichen neuen Weg gegangen. Bis dahin fing ein Klavierkonzert immer mit einem langen Orchestervorspiel an - circa ein bis zwei Minuten. Dann kam das Klavier mit demselben musikalischen Material wie in der Einleitung. Mozart macht es in dem d-Moll-Klavierkonzert so: Er fängt ganz gewöhnlich mit dem Orchester an - aber mit einer dramatischen Musik, wie eine Explosion. Und dann kommt der Solist mit etwas vollkommen Anderem: Wie eine einsame Stimme spielt das Klavier und schafft ein Drama zwischen dem Individuum - dem Solisten - und dem Orchester, das die Gesellschaft darstellt. Damit hat Mozart eine vollkommen neue psychologische Form geschaffen, die Beethoven und später auch die Romantiker übernommen haben. Es ist diese Reibung zwischen dem Solisten und dem Orchester, die einen großen Teil dieses Klavierkonzerts ausmacht.

Die Fragen stelle Annika Täuschel für BR-KLASSIK.

Infos zum Konzert

Mittwoch, 25. Januar 2017, 20:00 Uhr
München, Philharmonie im Gasteig

Wolfgang Amadeus Mozart:
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 d-Moll KV 466
Anton Bruckner:
Symphonie Nr. 9 d-moll

Philharmonia Orchestra London
Leif Ove Andsnes (Klavier)
Leitung: Andris Nelsons

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