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Die Mezzosopranistin Magdalena Kožená "Ich glaube an die Liebe"

Magdalena Kožená ist in dieser Woche beim BR-Symphonieorchester zu Gast und mit Antonín Dvořáks "Biblischen Liedern" zu hören. Im Interview spricht die Sängerin über dieses Werk und den schwarzen Humor der Tschechen.

Mezzo-Sopranistin Magdalena Kožená | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG

Bildquelle: Harald Hoffmann / DG

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BR-KLASSIK: Magdalena Kožená, im Rahmen Ihrer Konzerte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Jiří Bělohlávek interpretieren Sie Antonín Dvořáks "Biblische Lieder". Was bedeutet Ihnen dieses Werk?

Magdalena Kožená: Alles, was aus meinem Land kommt, ist auch nah an meinem Herzen. Und ich singe diese Lieder besonders gerne, weil sie, wie ich denke, auch für Dvořák selbst etwas sehr Persönliches darstellen. Als er sie schrieb war er in den USA, weit weg von seiner Heimat. Ich kann sein Heimweh in dieser Musik spüren. Er war auch von afroamerikanischen Spirituals beeinflusst, die er in New Yorker Kirchen gehört hatte. Auf harmonischer Ebene geht er in dieser Musik eher hinter das zurück, was er vorher bereits geschrieben hat. Er hat da zu etwas Innerlichem und Einfachem gefunden, und das finde ich sehr berührend.

BR-KLASSIK: Es sind insgesamt zehn Lieder nach Texten aus der Bibel, die Sie in tschechischer Sprache singen. Worum geht es denn in diesen Liedern?

Magdalena Kožená: Es sind Psalmen, und es gibt auch eine deutsche Übersetzung in der Partitur - das heißt, man kann die Lieder auch auf Deutsch singen. Aber für mich ist es natürlich in meiner Sprache einfacher (lacht).

BR-KLASSIK: Nun macht das aber eigentlich niemand, diese Lieder auf Deutsch zu singen. Die deutsche und die tschechische Sprache unterscheiden sich ja auch grundlegend, besonders, was die Betonungen und den Rhythmus angeht. Können Sie auf den Punkt bringen, was genau die tschechische Sprache eigentlich ausmacht?

Magdalena Kožená | Bildquelle: picture-alliance/dpa Magdalena Kožená | Bildquelle: picture-alliance/dpa Magdalena Kožená: Was zum Beispiel sehr schwierig ist - und daran kann man bei Sängern gut erkennen, ob jemand Muttersprachler ist oder nicht: Die Länge von Vokalen ist bei uns sehr unterschiedlich. Und das muss man auch im Gesang hören: ob es sich beispielsweise um ein langes "A" handelt oder um ein kurzes. Wenn man das nicht von Geburt an gelernt hat, ist es sehr schwierig.

BR-KLASSIK: Brahms hat damals vom Verleger Simrock eine deutsche Übersetzung dieser Lieder vorgelegt bekommen und er hat sinngemäß gesagt: Man kann versuchen, was man will, das wird im Deutschen nichts. Können Sie das bestätigen oder würden Sie das nicht so eng sehen?

Magdalena Kožená: So würde ich das nicht sehen. Wenn man beispielsweise versucht, die Musik von Janáček in anderen Sprachen zu singen, dann ist das weit schlimmer. Bei ihm ist der Rhythmus genau an die tschechische Sprache angepasst. Dvořáks Musik ist eher typisch romantisch. Ich würde sagen, die Phrasen sind bei ihm eher musikalisch als sprachlich aufgebaut. Daher stört es mich nicht, wenn man das auf Deutsch singt.

Ich spüre in den Biblischen Liedern etwas Kosmisches.
Magdalena Kožená

BR-KLASSIK: Dvořák selbst hat gesagt, er meine, mit diesen Liedern das Beste geschaffen zu haben, was ihm in diesem Genre bis dahin möglich gewesen sei. Können Sie nachvollziehen, was er da meint?

Magdalena Kožená: Es ist schwer zu sagen, welches tatsächlich Dvořáks beste Lieder sind. Ich liebe auch die Zigeunerlieder op. 55 und die Liebeslieder op. 83. Aber ich spüre in den Biblischen Liedern tatsächlich etwas Kosmisches, so ähnlich wie bei Bach; es ist schwer zu beschreiben. Ich denke, Dvořák hat vielleicht tatsächlich recht (lacht).

BR-KLASSIK: Mit dem Dirigenten Jiří Bělohlávek haben Sie einen Landsmann an Ihrer Seite. Gibt es eine spezielle Verbindung zwischen zwei Tschechen, wenn sie musizieren?

Magdalena Kožená: Man trägt die gleiche Tradition in sich, die man seit der Kindheit im Blut hat. Und natürlich verständigen wir uns über die gemeinsame Sprache, da können wir genau sagen, wann die Atempausen sind, wie der Rhythmus zu funktionieren hat, und so weiter. Das ist natürlich sehr angenehm, wir haben einfach die gleiche Wellenlänge.

Meine Heimat bleibt Tschechien, daran wird sich nichts ändern.
Magdalena Kožená

BR-KLASSIK: Ihre Heimat ist für Sie also immer noch sehr präsent, auch wenn Sie mittlerweile seit vielen Jahre in Berlin wohnen?

Magdalena Kožená: Ich bin Tschechin aus Mähren. Das bleibt immer so, auch wenn ich mich in Berlin sehr wohlfühle. Meine Heimat bleibt Tschechien, ich habe dort Familie und Freunde, daran wird sich nichts ändern

BR-KLASSIK: Gibt es denn etwas Typisches, was die tschechische Mentalität ausmacht und was sie von der deutschen unterscheidet?

Magdalena Kožená: Ich glaube, wir haben eine sehr spezielle Art von Humor - schwarzen Humor, noch schwärzer als die Engländer, zum Beispiel. Das verstehen die Deutschen oft überhaupt nicht (lacht). Außerdem sind wir dafür berühmt, das atheistischste Land in Europa zu sein.

Ich glaube an die Liebe, und damit kann man diese Lieder gut interpretieren.
Magdalena Kožená

BR-KLASSIK: Aber kann man denn diese Biblischen Lieder auch singen, wenn man eigentlich atheistisch geprägt ist und keiner Konfession angehört?

Magdalena Kožená: Ich denke schon. Die Frage nach dem Glauben ist ohnehin schwer zu beantworten. Ich persönlich glaube an die Liebe, und damit kann man diese Lieder sehr gut interpretieren (lacht).

BR-KLASSIK: Darf ich Sie fragen: Gehören Sie einer bestimmten Religion an, oder ist der Glaube für Sie eher etwas Abstraktes?

Magdalena Kožená: Ich gehöre zu keiner Religion, aber wie wahrscheinlich fast alle Menschen glaube ich an etwas. Ich denke, ganz ohne Glauben ist es schwer zu leben; da muss man seinen eigenen Weg finden.

Das Interview wurde von der Redaktion an die Schriftsprache angepasst. Die Fragen stellte Falk Häfner für BR-KLASSIK.

(Sendung: Leporello auf BR-KLASSIK, 27. April 2017 um 16.05 Uhr)

Infos zum Konzert

München, Philharmonie im Gasteig

Donnerstag, 27. April 2017
Freitag, 28. April 2017 BR-KLASSIK überträgt das Konzert live ab 20.03 Uhr
Samstag, 29. April 2017

Bohuslav Martinů:
Serenade Nr. 2
Leoš Janáček:
"Die Ausflüge des Herrn Brouček", Suite
Antonín Dvořák:
Biblische Lieder, op. 99
Leoš Janáček:
"Taras Bulba"

Magdalena Kožená (Mezzosopran)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Jiří Bělohlávek

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