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Monika Henschel über Stefan Arzberger "Es ist wichtig, dass er Unterstützer hat"

Der Geiger Stefan Arzberger sitzt seit elf Monaten in New York fest, weil er des versuchten Mordes beschuldigt wird. Um ihm finanziell zu helfen, hat sich ein Unterstützerkreis formiert, der etwa Benefizkonzerte wie jetzt in München organisiert.

Geiger Stefan Arzberger vor dem Supreme Court in New York | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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BR-KLASSIK: Frau Henschel, haben Sie direkten Kontakt zu Stefan Arzberger?

Monika Henschel: Ja, sehr regelmäßig.

BR-KLASSIK: Wie geht es ihm? Wie gestaltet er sein Leben dort? Er hat ja Arbeits- und Ausreiseverbot. Ist das nach wie vor so?

Monika Henschel: Ja. Wie würde es uns gehen, wenn wir ausgeraubt werden, selbst keinerlei Erinnerung haben und wenn wir in den USA festsitzen würden? Ich weiß nicht, wie lange die Tour geplant war. Im Allgemeinen hat man einen Koffer für 14 Tage dabei. Und aus diesen 14 Tagen sind plötzlich elf Monate geworden. Da ist es natürlich ganz wichtig, dass er Unterstützer an seiner Seite hat, die sich auch sehr schnell formiert haben.

BR-KLASSIK: Was auffällt: Das Leipziger Streichquartett hält sich mit öffentlichen Stellungnahmen eher zurück.

Monika Henschel: Das Leipziger Streichquartett hat gerade erst dem MDR wieder signalisiert, dass sie auf jeden Fall zu allem bereit sind. Es musste im Herbst Planungssicherheit geschaffen werden. Von daher hat man sich zur Trennung entschlossen. Sicherlich war das von beiden Seiten her nicht der gewünschte Weg, aber in dieser Situation blieb dann auch nichts anderes übrig.

BR-KLASSIK: Es gibt massive Vorwürfe, dass er eine Frau gewürgt haben soll – fast bis zum Tod, sagt vor allem die amerikanische Presse. Auch die gerichtliche Seite ist auf dieser Spur unterwegs. Wie ist das jetzt für Sie alle, den Unterstützerkreis? Sagen Sie: Er ist Opfer der Justiz - oder war er es gar nicht?

Bratschistin und Präsidentin des Verbands Deutscher Streichquartette Monika Henschel | Bildquelle: Marco Borggreve Die Bratschistin Monika Henschel ist Präsidentin des Verbands Deutscher Streichquartette e.V. | Bildquelle: Marco Borggreve Monika Henschel: Naja, also Opfer der Justiz – das wäre schon sehr weit ausgeholt, denn die Justiz hat ja noch gar nicht entschieden. Tatsache ist, dass die Faktenlage sehr gut recherchiert ist. Es ist versäumt worden, den Nachweis der KO-Tropfen einzuholen. Die kann man nur sehr wenige Stunden nachweisen. Da gibt es natürlich auch ein anderes Justizsystem als hier. Andererseits ist die Faktenlage inzwischen so sehr zugunsten Stefan Arzbergers, dass sich daraus durchaus positive Signale entwickeln. Es ist auch ein Anliegen des Unterstützerkreises, dass wir diese ganze Faktenlage juristisch einwandfrei darstellen. Das ist nur ein Mausklick entfernt, wenn man auf die Webseite guckt, www.support-for-arzberger.com. Das ist von Juristen, Diplomaten etc. abgesegnet und hinterfragt worden. Es gibt immer mehr Menschen, die sich jetzt an Stefans Seite stellen und das hat natürlich unterschiedliche Gründe. Da ist einmal diese Überlegung, die man anstellt und sagt, das könnte mich morgen genauso treffen. Das andere ist die Überlegung, was ist der Wert unserer Gesellschaft? Gerade im Zeitalter von neuen Medien ist jedem klar, dass unsere Verantwortung hier sehr groß ist. Verantwortung ist da im positiven Sinn gemeint. Es macht viel Freude, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben hier natürlich ein sehr drastisches Beispiel, aber derlei Schicksale gibt es hin und wieder.

BR-KLASSIK: KO-Tropfen ok, aber das heißt ja nicht, dass man auch unbedingt jemanden würgt. Da gibt es ein Opfer, eine 64-jährige Frau, wie ist es denn da?

Monika Henschel: Sie ist selbstverständlich ein Opfer, das bezweifelt auch niemand. Wir haben hier leider auch wieder eine lecke Beweislage. Sie ist nicht unmittelbar danach zum Arzt gegangen. Es existieren aber Fotos von ihren Augen. Die Dame hat sich meines Wissens nicht entschieden, gegen Stefan auszusagen, was ja auch schon ein Signal ist.

BR-KLASSIK: Aber Schadensersatzforderungen von 2,5 Millionen US-Dollar hat sie gestellt. 

Monika Henschel: Das ist wohl richtig.

Wer ist Stefan Arzberger?

Der Geiger Stefan Arzberger wurde während einer Tournee mit dem Leipziger Streichquartett am 27. März 2015 in New York festgenommen. Der Grund: Er soll versucht haben, eine Frau umzubringen. Wie sein Anwalt damals erklärte, sei Arzberger in der Nacht zuvor von einer Unbekannten unter Drogen gesetzt und ausgeraubt worden. Daraufhin soll sein Mandant "in einem unbewussten Zustand" einen anderen Hotelgast angegriffen haben. Laut Medienberichten wird dem Geiger vorgeworfen, eine Amerikanerin fast zu Tode gewürgt zu haben. Arzberger gab damals an, "keinerlei Erinnerungen an den Hergang" zu haben.

BR-KLASSIK: Also, sie scheint sich schon sicher zu sein, dass er derjenige ist, der sie angegriffen hat, sonst würde sie das wohl nicht tun.

Monika Henschel: Das ist unstrittig. Und darum ist es umso wichtiger, sich mal mit dem Thema Designer-Drogen auseinanderzusetzen….

BR-KLASSIK: ...das kann ja eine Menge auslösen, etwa aggressives Verhalten, das man im Normalzustand nicht an den Tag legt.

Monika Henschel: Ich bin auch erstaunt. Man liest, dass sich charakteristische Merkmale einer Persönlichkeit durch solche Drogen umkehren lassen. Ein ruhiger Mensch wird besonders aggressiv. All das muss man sehen, wenn man sich mit dem Fall befasst.

BR-KLASSIK: Wie ist das jetzt mit diesem Benefizkonzert? Viele Menschen lesen vielleicht nur die Schlagzeilen und denken sich, was soll das denn? Da ist ein Verbrecher, sage ich mal salopp, und jetzt machen die Musiker in München ein Benefizkonzert.

Monika Henschel: Ein Verbrecher ist er nicht. Dafür müsste er erst einmal verurteilt werden. Damit rechnen wir nicht. Wir sind alle sehr positiv und haben nicht die geringsten Zweifel, dass hier auch Recht gesprochen wird. Wir werden alles dafür tun, diesen Prozess zu unterstützen. Dafür brauchen wir Geld. Denn das ist auch etwas, was jedem klar ist: In den USA hängt eine gute Verteidigung vom Finanzrahmen ab. Wenn man selber kein Geld verdienen darf, müssen dafür andere sorgen. Sie fragen danach, wie die Menschen reagieren. Wir haben hunderte von Musikern kontaktiert und zu unserer großen Freude kamen nur positive und konstruktive Rückmeldungen. Das ist schon ein großes Zusammenrücken, was wir gerade im Vorfeld dieses Konzerts jetzt spüren. Es haben sich Menschen wie Kurt Masur und Herbert Blomstedt hinter Stefan gestellt. In den USA hat er den Sommer als Gast von Dietlinde Turban-Maazel verbracht. Jetzt wohnt er seit Monaten bei der Star-Cellistin Alica Weilerstein. Dieses Zusammenrücken einer Gesellschaft über die Grenzen hinweg ist so deutlich spürbar, da sehen wir ganz deutlich einen großen Zuwachs an Zuspruch.

Das Gespräch führte Uta Sailer für BR-KLASSIK.

Benefizkonzert für Stefan Arzberger

20. Februar 2016, 20.00 Uhr
Kirche St. Michael, München

Wolfgang Amadeus Mozart: Kyrie und Laudate Dominum, 3. Violinkonzert
Antonin Dvorak: 9. Sinfonie "Aus der neuen Welt"

Lena Neudauer, Geige
Münchener Bach-Chor
Münchener Bach-Orchester
Hansjörg Albrecht, Leitung

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