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Liškas Nachfolger am Bayerischen Staatsballett Igor Zelensky - mit Bauchgefühl und kühlem Kopf

18 Jahre dauerte die Ära Liška am Bayerischen Staatsballett. Ab September übernimmt der Russe Igor Zelensky die Leitung der renommierten Compagnie. Zelensky brillierte nach seiner Waganowa-Ausbildung als führender Solist des St. Petersburger Mariinsky-Theaters. Fürs Münchner Publikum ist er kein Unbekannter - er stand bereits einige Male als Tänzer auf der Bühne der Staatsoper.

Igor Zelenksy ab Herbst 2016 Leiter des Bayerischen Staatsballetts | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Liškas Nachfolger am Bayerischen Staatsballett

Igor Zelensky - mit Bauchgefühl und kühlem Kopf

Riskante Ämterhäufung

Hoffnungsvolle Ballett-Direktoren scheitern leicht an der Verwaltung, an der Bürokratie eines Theaterapparats - zuletzt der durch den Film "Black Swan" berühmt gewordene Benjamin Millepied an der Pariser Oper. Münchens künftiger Ballettchef Igor Zelensky, offensichtlich eher jungfräulich im deutschen Theatersystem gelandet, sollte darum auf der Hut sein vor der Gefräßigkeit des Molochs Oper. Ist er sich bewusst, dass es - auch bei eigenem Staatsballett-Budget - noch Verhandlungsspielräume gibt? Wie man hört, ist Zelensky beratungsresistent, verspielt so womöglich finanzielle und andere Vorteile. Auch an einer Zusammenarbeit mit der Presse, wie hierzulande üblich, scheint er nicht interessiert. Das zeigt vielleicht Charakter, ist dem Ensemble jedoch wenig förderlich. Und dass er neben der Staatsballett-Leitung die des Moskauer Stanislawsky-Balletts beibehält - zwecks regen Austauschs von Tänzern und Stücken -, stimmt doch etwas nachdenklich. 1968 übernahm schon John Cranko, der Schöpfer des Stuttgarter Ballettwunders auch noch München - was eben nur bis 1970, also gerademal zwei Jahre, funktionierte.

Neue brillante Solisten

Aber erst mal abwarten - es gibt auch vielversprechende positive Fakten. Zelenskys Frau Yana Serebryakova, wie er aus dem Mariinsky-Ensemble, steht ihm als Ballettmeisterin zur Seite. Beide leben seit 2014 in München und haben das Ensemble bei der Arbeit kritisch beobachtet und nun um zwei Drittel erneuert. Und bei Igor Zelenskys bekannten technisch-tänzerischen Ansprüchen an sich selbst wird man sicher ab Herbst eine Reihe von brillanten neuen Solisten und solistischen Gästen hier entdecken.

Igor Zelensky

- 1991-2013 führender Solist des St. Petersburger Mariinsky-Balletts
- ab 1992 Stammgast beim New York City Ballet'
- ab 1996 regelmäßige Auftrittte im Londoner Royal Ballet
- ab 2001 Leitung der Athener Oper und der Theater-Ballett-Akademie in Novosibirsk
- ab 2011 Leitung Moskauer Stanislawsky-Ballett

Kein Retro-Risiko

Wie schon in seinen vorigen Produktionen wird Zelensky in München voraussehbar ein paar große Klassiker neuinszenieren. Befürchtungen jedoch, mit Zelensky würde das Staatsballett in zaristische Pompös-Klassik zurückfallen, sind abwegig. Im Grunde behält der neue Ballett-Chef die bisherige Repertoire-Mischung aus Klassik, Moderne und historischer Aufarbeitung bei. Die Dezember-Premiere "Spartacus", Yuri Grigorovichs Sklaven-Drama zu Musik von Aram Chatschaturjan von 1968, ist ein Paradebeispiel der gewagten Balletterneuerung in der UdSSR. Die Ballettwochen-Premiere 2017, Christopher Wheeldons "Alice im Wunderland" und das sich anschließende Stanislawsky-Gastspiel mit Kenneth MacMillans "Mayerling" offenbaren Zelenskys Wertschätzung des britischen, stilvollen Erzähl-Balletts. In der Saison 2017/18 bringt er eine Uraufführung von dem kühn zeitgenössischen Briten Wayne McGregor, der auch fürs Londoner Royal Ballet arbeitet. Außerdem eine "Madame Butterfly" des amerikanischen Foto- und Video-Künstlers David LaChapelle. Das sieht bis jetzt mitnichten nach Retro aus.

Igor Zelensky lässt sich wohl weniger konzeptuell und tanzwissenschaftlich leiten als die bisherige Direktions-Trias Ivan Liška, Bettina Wagner-Bergelt und Wolfgang Oberender. Bei dem Mittvierziger Zelensky darf man auf eine nicht ungünstige Kombination aus Bauchgefühl und geschäftsmäßig kühlem Kopf hoffen. Klug und für seine Weiterentwicklung genau zum richtigen Moment in seiner Karriere hat er zu einem anderen Ensemble gewechselt, sich jedoch immer eine Tür zur Rückkehr offengehalten. Zelensky weiß, was er will. Wenn er sich in das künstlerische Klima der Stadt München einfühlt, kann seine Leitung ein Erfolg werden.

Die Ära Ivan Liška geht zu Ende

Der Vertrag von Igor Zelensky in München beginnt mit September 2016 und läuft zunächst für fünf Jahre. Damit endet die achtzehnjährige Amtszeit von Direktor Ivan Liška. Das Bayerische Staatsballett konnte unter der Leitung von Ivan Liška seine Stellung als eine der besten Compagnien Deutschlands behaupten und ausbauen. Markenzeichen des Bayerischen Staatsballetts ist die Pflege des traditionellen Repertoires bei gleichzeitiger Aufgeschlossenheit für den zeitgenössischen Tanz.

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