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Jerusalem Youth Chorus Mit Musik gegen die Spaltung

In Jerusalem ist Harmonie eigentlich die Ausnahme. Doch einem Chor scheint zu gelingen, woran die Stadt immer wieder scheitert: Widerstände zu überwinden zwischen den Kulturen. Juden, Christen und Muslime treffen im Jerusalem Youth Chorus gemeinsam den richtigen Ton.

Blick auf den Tempelberg | Bildquelle: picture-alliance/dpa/ Marius Becker

Bildquelle: picture-alliance/dpa/ Marius Becker

Vor drei Jahren hat Chorleiter Micah Hendler hat das Projekt mit Schülern aus allen Teilen Jerusalems und aus der Umgebung gegründet. Der Jerusalem Youth Chorus (YMCA) bedeutet den Schülern viel. Hier werden sie akzeptiert, hier können sie sich ausdrücken. Und sie erfahren auch etwas über Musik. Chorleiter Hendler erklärt zum Beispiel die unterschiedliche Bedeutung von Molltonarten in westlicher und östlicher Musik. Der US-Amerikaner spricht Englisch, Arabisch und Hebräisch. Das sei wichtig, sagt er, damit jeder gleichberechtigt seine Kultur einbringen kann. Die Chormitglieder sind dankbar dafür.

Das ist ein Abenteuer, das ich nirgendwo anders haben kann.
Ilay Eitan, Chormitglied

Ilay Eitan ist Jude und wohnt in Pisgat Ze'ev. Streng genommen ist das eine Siedlung, die jenseits der sogenannten Grünen Linie auf palästinensischem Gebiet liegt. Er ist ein gutes Beispiel für die schwierige Lage vor Ort. Genauso wie beispielweise Limor. Die 16-Jährige aus dem arabischen Ostteil ist Palästinenserin. Sie trägt aber einen jüdischen Namen. Es ist der Namen der israelischen Ärztin, die ihrer Mutter bei der schweren Geburt half.

Völkerverständigung mit Musik

Insgesamt 19 Schüler kommen zur Probe. Jeder hat seine eigenen Probleme mit Jerusalem. Von Problemen aber haben die Jugendlichen womöglich einfach genug. Hier können sie sich die Ansichten der anderen anhören, sagt Ilay, von jemandem, der eine andere Religion hat, also kein Jude ist. Er schätzt es, dass er im Chor diese Möglichkeit bekommt.

Die Dinge werden sich ja nicht verändern, wenn wir so weiter machen und uns um das Land streiten.
Ilay Eitan, Chormitglied

Die Gewalt ist aus Jerusalem nie verschwunden. Vor vier Monaten kehrte sie auch in die Mitte der Stadt zurück. Junge Palästinenser attackierten und töteten jüdische Passanten. Aufgebrachte Menschen machten Jagd auch auf mutmaßliche Attentäter. Die Stimmung ist so schlecht wie die Sicherheitslage.

Grenzen überwinden, trotz aller Widerstände

Leiter Micah Hendler | Bildquelle: BR/Torsten Teichmann Micah Hendler, Chorleiter | Bildquelle: BR/Torsten Teichmann Chorleiter Micah Hendler weiß, dass mit der neuen Runde der Gewalt auch die Chorarbeit schwieriger geworden ist. Er spricht mehr mit den Eltern, damit sie sich sicher fühlen, wenn sie ihre Kinder zu den Proben bringen. Denn von daheim oder der Schule zum YMCA zu kommen, ist für alle unsicherer geworden. Jeder der Schüler fühlt sich dabei durch etwas anderes bedroht. Die Palästinenserin Limor sagt, am schwierigsten seien für sie Zeiten, in denen Israels Armee Palästinenser festnimmt oder ein Jude einen Araber tötet. Oder wenn sie am Checkpoint festgehalten und durchsucht wird, nur weil sie Araberin ist. Dann fragt sich die 16-Jährige, warum sie ihr das antun. Denn während Ilay aus Pisgat Ze'ev fast mit der Straßenbahn zur Chorprobe fahren kann, muss Limor aus Beit Zafafa israelische Kontrollen passieren. An der ungleichen Behandlung im Alltag ändern gemeinsame Treffen nichts. Diese Erfahrung machen immer mehr Palästinenser. Sie beginnen deshalb, ähnliche Projekte abzulehnen. Der Chorleiter jedoch will sich den Widerständen nicht beugen. Im Chor sind alle gleichberechtigt.

Wir sagen, die gesamte Stadt Jerusalem sollte funktionieren wie unser Chor und nicht andersherum.
Chorleiter Micah Hendler

Nach dem Singen bieten Mediatoren den Mitgliedern des Chors Gesprächsrunden an. Diese Dialoge sind es, die viele Schüler trotz aller Widrigkeiten eng an das Projekt binden. Und vielleicht auch die Aussicht auf Reisen, der Jerusalem Youth Chorus war bereits in den USA. Das nächste Ziel sind gemeinsame Auftritt in Japan.

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