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Schwund der Kirchenchöre in Bayern? Es fehlt an Nachwuchs

Die geistliche Musik in Bayern steht vor einem Problem: Es gibt immer weniger Kirchenchöre. Teils liegt das daran, dass Pfarreien zusammengefasst werden, teils daran, dass die Bindung an die Kirche allgemein immer geringer wird. Wie lässt sich diesem Trend entgegenwirken? Ausweitung des Reperoires wäre eine Lösung, verstärkte Jugendarbeit eine andere.

Der Maxchor München | Bildquelle: Maxchor München

Bildquelle: Maxchor München

Eine Probe beim Maxchor, dem Kirchenchor von St. Maximilian in München: Von den etwa achtzig Stühlen im Pfarrsaal ist etwa die Hälfte besetzt. Symptomatisch sei das nicht, versichert Gerald Häußler. Er leitet den Chor seit über dreißig Jahren. Über fehlenden Nachwuchs konnte er sich nie beklagen. Auch nicht in jüngster Zeit. "Der Nachwuchs kommt. Um die Studenten muss man zwar schon ein bisschen kämpfen. Das ist keine Selbstverständlichkeit, dass die kommen, aber wir haben sie auch", sagt Häußler.

Ein gewisser Rückgang der klassischen Kirchenchöre - der ist festzustellen.
Pater Stefan Kling, Kirchenmusikamtsleiter im Bistum Augsburg

Rückgang um 30 Prozent

Der Maxchor ist die erfreuliche Ausnahme einer bedenklichen Entwicklung. Denn während er stetig wächst, lösen sich bayernweit immer mehr Kirchenchöre auf. Und das zum Teil in erheblichem Ausmaß, das sagen zumindest die Zahlen. Die evangelische Landeskirche beziffert den Rückgang innerhalb der letzten 15 Jahre auf etwa 30 Prozent. Und auch die katholische Kirche bleibt von diesem Trend nicht verschont. Im Bistum Augsburg gibt es heute beispielsweise ein Viertel weniger Chöre als noch vor zehn Jahren. Pater Stefan Kling, als Kirchenmusikamtsleiter sozusagen Chefkirchenmusiker im Bistum, warnt jedoch davor die Zahlen zu dramatisieren. Von einem Schwund, gar von einem Sterben der Kirchenchöre, möchte er nicht sprechen: "Ein gewisser Rückgang der klassischen Kirchenchöre - der ist festzustellen", sagt Kling. "Der hängt natürlich auch mit der Veränderung der Pfarreistrukturen zusammen, bei dem die kleineren Pfarreien zu größeren Einheiten zusammengefasst werden, und das wirkt sich manchmal natürlich auch auf die kirchlichen Chorstrukturen aus."

Bindung an die Kirche lässt nach

Zwei Jungen des Nachwuchschores der Regensburger Domspatzen  | Bildquelle: dpa-Bildfunk Zwei Jungen des Nachwuchschores der Regensburger Domspatzen | Bildquelle: dpa-Bildfunk Wo kleinere Pfarreien zu größeren Pfarrverbänden zusammengefasst werden, da gehen üblicherweise auch die Kirchenchöre zusammen; verschwinden also nur auf dem Papier, nicht aus dem Gottesdienst. "Aber es ist durchaus auch so, dass die Bindung an die Kirche nachgelassen hat, es fehlt an Nachwuchs", sagt Pater Kling. "Und beim Kirchenchor kommt dann natürlich noch dazu: Wenn andere frei haben, hat der Kirchenchorsänger seinen ehrenamtlichen Dienst in der Liturgie zu tun." Wer nur von einer Umstrukturierung spricht, verschweigt einen Teil des Problems. Denn zusammengelegt werden die Chöre auch deshalb, weil der Nachwuchs ausbleibt. Was also tun? Kunibert Schäfer, Dozent an der Hochschule für Kirchenmusik in Regensburg hat sich für kirchenmusikalische Feldforschung entschieden: "Ich habe es auch schon seit einigen Jahren gespürt, dass es Probleme bei den Kirchenchören gibt. In der Hochschule haben Sie mir dann erlaubt, ein Forschungsprojekt zu machen, um einfach mal zu hören: gibt es gute Chöre, funktionierende Chöre - und die funktionierenden Chöre, welche Gemeinsamkeiten gibt es da?

90 Prozent der Chorleiter haben Kirchenmusik studiert.
Kunibert Schäfer, Dozent für Kirchenmusik

Die Qualität zählt

24 Chöre in 24 deutschen Bistümern hat Schäfer insgesamt besucht. Chöre, wie den Maxchor, die dem Sängerschwund tapfer trotzen. Wie gelingt ihnen das? 90 Prozent der Chorleiter hätten Kirchenmusik studiert, erläutert Schäfer. Und die Qualität des Chorleiters - und damit des Chores selbst - ist entscheidend; sie zählt mehr als die Frage: kirchlich oder nicht. Das gilt auch für den Maxchor. Beileibe nicht jeder Sänger dieses Chores sei auch fleißiger Kirchgänger, erzählt Gerald Häußler: "Also, ich habe einige von der Gemeinde, einige, die woanders in die Kirche gehen, dann Evangelische und auch bekennende Atheisten, die kommen halt wegen der Musik."

Über den Horizont hinausdenken

Der neuen Situation müssten sich die Chöre anpassen, meint Kirchenmusik-Forscher Kunibert Schäfer. Indem sie zum Beispiel weltliche Musik ins Repertoire aufnehmen, die Kirche auch mal verlassen. Natürlich: Der Gottesdienst bleibt das Kerngeschäft. Aber hin und wieder ein Auftritt im Herkulessaal - wie es der Maxchor macht - wer sagt da schon nein? Oder zu einer Chorfahrt in den Süden - Gerald Fischer, Kirchenmusikdirektor der Erzdiözese München-Freising glaubt, dass mit solchen Aktivitäten gerade Jugendliche zu gewinnen sind. "Wir müssen versuchen, auch für junge Leute, die dafür, dass sie Arbeit einsetzen, auch etwas haben wollen, etwas anbieten: etwa eine Fahrt nach Barcelona."

Schäfer zufolge zählt jedoch auch im Jugendbereich vor allem die Chorarbeit selbst. Wer die eigene Stimme einmal als Instrument entdeckt hat, der lässt sie auch später nicht links liegen, so seine Beobachtung. Eine andere: Am Ende ist es die Musik, die wichtig ist - egal, ob sie Jahrhunderte alt ist oder von etwas handelt, woran heute vielleicht viele Menschen nicht mehr glauben.

Sendung: "Allegro" am 9. Januar 2018 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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