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Kirill Petrenko und das Bayerische Staatsorchester Tannhäuser in Tokio

Seit knapp zwei Wochen ist Kirill Petrenko mit seinem aktuellen Orchester, dem Bayerischen Staatsorchester, auf Asien-Tournee. Zwei Opernproduktionen hat Nikolaus Bachler für die Asien-Tournee ausgewählt: Den "Tannhäuser", eine Regiearbeit von Romeo Castellucci und die "Zauberflöte" in der Everding-Inszenierung aus den 1970er-Jahren. Gestern feierte Wagners "Tannhäuser" in Tokio Premiere - auf einer breiteren aber kürzeren Bühne als im Bayerischen Nationaltheater und ohne Engelsloge.

Bayerische Staatsoper in Tokio | Bildquelle: © Wilfried Hösl

Bildquelle: © Wilfried Hösl

Shibuya, das kommerzielle Zentrum Tokios mit blinkenden Leuchtreklamen, winzigen, dampfenden Imbiss-Restaurants und Hochglanz-Shopping-Arealen und mittendrin trommeln und tanzen japanische Männer und Frauen. Sie tragen traditionelle Gewänder und Fahnen mit japanischen Schriftzeichen, bewegen sich synchron in zwei Gruppen: die Männer kraftvoll-ausladend, die Frauen zierlich-elegant.

Castellucis "Tannhäuser" passt nach Japan

Nur ein paar hundert Meter weiter: Die Bayerische Staatsoper probt Wagners "Tannhäuser" in der NHK-Hall, einem Betonklotz mit riesigem Konzertsaal, der Platz für 3.800 Besucher bietet. Zur Ouvertüre auf der Bühne: eine Choreografie mit rund 20 Frauen. In sanft-eleganten Bewegungen schießen sie synchron mit einem Bogen Pfeile auf ein Auge an der Bühnenrückwand. Sie alle tragen einen hoch in der Taille sitzenden hellen, langen Rock, sind barbusig und haben lange schwarze Haare. Wer es nicht schon in München gemerkt hat, dem sticht es spätestens hier ins Auge. Dieser "Tannhäuser" von Romeo Castelluci passt nach Japan.

Die Inszenierung kann fast originalgetreu in Tokio gespielt werden, nur kleinere Anpassungen sind erforderlich. Die Bühne in der NHK-Hall ist etwas breiter, aber auch etwas kürzer als die des Nationaltheaters in München. Dadurch muss unter anderem die Beleuchtung angeglichen werden. Außerdem gibt es keine Engelsloge. Von dort sang in München die Venus im dritten Aufzug, denn laut Regisseur soll sie unsichtbar sein. Für die Sopranistin Elena Pankratova gibt es jedoch eine andere Lösung.

Wir haben einen Platz in der Orgel gefunden und hoffen, dass die Holzwände meine Stimme gut reflektieren.
Elena Pankratova, Sopranistin

Impressionen aus Tokio

Extravagante Konzertbesucher und ein geteiltes Echo

Donnerstagnachmittag in Tokio. Die Sonne scheint, es ist heiß und drückend, wenigstens weht etwas Wind. 40 Minuten bevor sich der Vorhang zur Ouvertüre hebt, stehen die japanischen Besucher ordentlich aneinandergereiht in einer Schlange vor dem Eingang zur NHK-Hall. Die meisten sind unauffällig, schlicht, aber elegant gekleidet. Ein paar vereinzelte fallen auf: die Dame mittleren Alters, die zum schwarzen Tüllrock Turnschuhe mit pinken Schnürsenkeln trägt, der Herr, der zum grauen Anzug einen Nadelstreifen-Schlapphut aufhat, und die zwei, drei Japanerinnen im traditionellen Kimono.

Fünf Stunden dauert der "Tannhäuser" inklusive Pausen. Starke, hochästhetische, aber auch starre Bilder schafft Castellucci auf der Bühne. Das Echo nach der Premiere war sehr geteilt. Am Ende bekommen Klaus Florian Vogt als Tannhäuser und der Dirigent Kirill Petrenko den meisten Applaus. Auffallend ist, dass sehr viele Besucher den Saal schon beim ersten Klatschen verlassen. Ungewöhnlich für das klassikbegeisterte japanische Publikum. Lag es an der Länge oder an der Inszenierung? Die Besucherstimmen sind gemischt: Einige sind begeistert von der Musik und wiederum andere tun sich schwer, die Inszenierung zu verstehen.

Sendung: "Allegro" am 22. September 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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